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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 8.1909

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Nr. 8
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Beringer, Joseph August: Esch & [und] Anke - Mannheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.24105#0495
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ESCH & ANKE-MANNHEIM
VON DR. JOS. AUG. BERIN GER-MANN HEIM

Die vor kurzer Zeit veranstaltete Baukunstaus-
stellung in Mannheim hat einen Einblick in
das baukünstlerische Schaffen und Können dieser
eminenten rheinischen Geschäftsstadt gegeben. In
der grossen Mannigfaltigkeit der Erscheinungen ist
die Ausstellung der Architekturfirma „Esch und
Anke“, die durch die Herren Hermann Esch
und Richard Waldschütz vertreten wird,
durch die besondere Note ihrer Darbietungen
aufgefallen. Wenn die übrigen Aussteller dem
Geschmack der Auftraggeber mehr oder minder
Rechnung trugen, so machten sich diese jungen
Architekten günstig bemerkbar durch den unver-
kennbaren Willen zu persönlich formulierten
Leistungen und durch eine einfache und strenge
Gesetzlichkeit ihrer architektonischen Gestaltungen.
Man konnte sofort erkennen, dass es diesen Archi-
tekten nicht bloss darauf ankam, sich Bauinteressen-
ten zu empfehlen, Kirchen und Häuser zu bauen,
Interieurs auszustatten, Gebrauchsgegenstände stili-
stisch in ein Ganzes einzuordnen, sondern dass sie
vor allem daran dachten, das künstlerische Moment
im Baubetrieb zur Geltung zu bringen. Ihre Pläne
und Entwürfe versuchen Antwort zu geben auf die
Fragen: Was ist Architektur? Wie löst sie künst-
lerisch ihre Aufgaben? V
V Architektur ist Denken und Gestalten im Raum.
J e plastischer de r Raumgedanke zum Ausdruck kommt,
je strenger die Raumgliederung erfolgt und je mehr
die praktischen Forderungen mit den künstlerischen
Gesetzen eine Harmonie eingehen, umso näher ist
man dem architektonischen Ideal gerückt. Die
klare Gestaltung und Rhythmisierung, sowie eine
grosse geschlossene Totalwirkung wird erreicht,
wenn die Plastik der Form zu einer höchsten
Steigerung des Ausdrucks gelangt ist. V
V Der Verzicht oder doch wenigstens die Ein-
schränkung aller ausserhalb der architektonisch-
plastischen Formensprache liegenden Mittel, wie
z. B. eine im malerischen Sinne gehaltene Grup-
pierung und Schmückung u. dergl. ist geboten;
dagegen wird eine sinngemässe Verwendung pla-
stischer Motive zur Milderung des herben archi-
tektonischen Gefüges und zur lebensvollen Raum-
gestaltung angezeigt erscheinen. V
V Man könnte einwerfen, dass bei solchen Grund-
sätzen leicht ein Rückgreifen auf Stile der Ver-
gangenheit gegeben sei. Dieses Wiedererklingen-
lassen historischer Architekturformen ist aber
unanfechtbar, wenn die gefundene Form den mög-

lichst vollendeten künstlerischen Ausdruck der
Aufgabe darstellt. Wenn unter den ausgestellten
und hier wiedergegebenen Bauwerken einige Ent-
würfe allgemein gehaltene Anklänge an vergangene
Stilepochen aufweisen, so zeigt dies wiederum
deutlich, dass auch in unseren derzeitigen Bedürf-
nissen ein Zug nach strengerer Architektur vor-
handen ist. Ebenso aber auch, dass die jugendhafte
Gesetzlosigkeit der meisten modernen architekto-
nischen Richtungen gerade so überwunden werden
muss, wie die sinn- und geschmacklose Häufung
und Anwendung dekorativer Motive, wenn die
Baukunst aus ihren ungesunden und zerfahrenen
Verhältnissen herauskommen will. V
V Die eminenten Anforderungen, die heute an das
Können der Architekten gestellt werden und die
auch von den Baukünstlern vergangener Zeit erfüllt
worden sind, lassen gerade heute vielseitige und
gründliche, künstlerische Bildung der Architekten
gar sehr notwendig erscheinen. Fast alle früheren,
z. B. auch Michel - Angelo, Bernini, Balth. Neu-
mann u. s. f. haben das plastische und malerische
Gebiet künstlerischer Darstellung ebenso gut be-
herrscht, wie das architektonische. Der Architekt
kann seine Aufgabe erst dann vollgültig lösen, wenn
er über alle Ausdrucksmittel künstlerischer Ge-
staltung möglichst weitgehend verfügt. Indem
unsere Architekten die Modelle ihrer Plastiken
und Zieraten selbst entwerfen und modellieren,
genügen sie der Forderung, dem notwendigen
Schmuck die zum architektonischen Ganzen ge-
hörige und ihm gemässe letzte Reife zu geben.
V Nicht ohne tiefe Gründe ist auch in den radierten
Plänen und Entwürfen der graphischen Darstellung
dufch die Radiernadel ein weiterer Raum gewidmet
worden. Die feinste Bleistift- oder Federskizze und
auch ein Aquarell ist nicht so sehr imstande, an
klarer räumlich-ausdrucksvoller Darstellung das zu
leisten, was die Radierung mit ihren ungemein
plastischen Ausdrucksmöglichkeiten geben kann.
Es ist vielleicht mit der Zeit auch möglich, die
Architektur weiter zu einem Gegenstand allge-
gemeinen Interesses zu machen. V
V Mag man es immerhin als eine Beschränkung
empfinden, dass Monumentalbauten, wie z. B. die
Kirchen, etwas klein geraten scheinen; aber leider
waren gerade hier die Mittel für diese Bauten an enge
Grenzen gebunden, so dass der Versuch, unter diesen
einschränkenden Vorbedingungen einen formal gros-
sen Ausdruck zu finden, volle Anerkennung verdient.

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