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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 8.1909

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Nr. 9
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Schmid, Max: Baukunst und Innendekoration auf der Ausstellung für christliche Kunst in Düsseldorf 1909
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https://doi.org/10.11588/diglit.24105#0523
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MODERNE BAUFORMEN
MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR
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BAUKUNST UND INNENDEKORATION
AUF DER AUSSTELLUNG FÜR CHRISTLICHE KUNST
IN DÜSSELDORF 1909
VON PROF. DR. MAX SCHMID-AACHEN

Die Baukunst des Mittelalters entwickelt sich an
der Kirche, die der Renaissance am Palast, die
der Neuzeit an bürgerlichen Nutzbauten. Darum haben
diese letzteren zur Zeit schon eine ganz in sich gefestigte
Form, eine befriedigende Lösung gefunden. Der
Kirchenbau aber schwankt zwischen unerträglich leeren
stereotyp gewordenen Reminiszenzen und launisch-
willkürlichen modernen Neubildungen. Niemand ist
damit zufrieden. Weder die Verehrer der buntschecki-
gen historischen Maskeradekunst, noch die Neuland-
sucher. Vergeblich erkunden wir bisher den Weg, auf
dem wir mit Sicherheit „zur neuen Kirche“ wandeln
könnten. Auch die Düsseldorfer Ausstellung für
christliche Kunst, so inhaltsreich sie ist — die „Lösung
der Frage“ gibt auch sie nicht. Wohl aber reiche
Anregungen, mehr als je zuvor irgend eine christliche
Kunstausstellung. \7
V Eine Gewißheit erhält man in Düsseldorf: Die
Ansprüche an unsere modernen kirchlichen Künstler
haben sich wesentlich gesteigert. Seit Jahrzehnten
hält der Kampf um Grundrißgestaltung und Raum-
disposition, um Zentralbau und Emporen, um die
Stellung von Altar, Kanzel, Orgel und Taufbecken,
endlich um die Wahl des „echt kirchlichen Stiles“
die Architekten in Spannung. Heute werden diese
prinzipiellen Fragen als erledigt zu betrachten sein.
Dafür rückt die formale Ausbildung, die künstlerische
Behandlung des Baues und seiner Teile als Haupt-
problem in den Vordergrund. Der „Architekt“ räumt
wieder dem „Baukünstler“ den Platz, dieser zieht
Maler und Bildhauer wieder heran, nicht als Bau-
sklaven, sondern als Mitschaffende. Die christliche
Baukunst sucht sich mit der neuen großen Bewegung,
mit dekorativer Kunst auseinanderzusetzen. \7
V Drei Richtungen unterschied man in der Baukunst
am Ausgang des 18. Jahrhunderts, unter dem Direc-
toire und dem Empire. Einmal die alte historische

Schule, dann die Konstrukteure, endlich die Primi-
tiven. Diese selben drei Richtungen lassen sich auch
heute in der deutschen Baukunst nachweisen. Zu-
nächst die alte Schule, die mit mehr oder weniger
Anstand noch am geschichtlich überlieferten Vorbilde
festhält. Den Gegenpol zu diesen „Historienarchitek-
fen“ bilden die modernen „Primitiven“. Äußerlich
zwar lehnen sie sich an die alten und mit Vorliebe
an die antiken Formen an. Aber doch nur äußerlich.
Denn in der Zusammensetzung derselben, im Aufbau
des Ganzen, halten sie sich möglichst fern von jenem
Prinzip organischer Entwicklung, das den Hellenen
Gesetz war. V
V Auf der Kontrastwirkung von Stütze und Last, von
tragenden vertikalen und lastenden horizontalen Teilen,
von Flächen und Gliederungen beruht auch bei ihnen
der Bau. Aber die Zahl dieser Gliederungen ist auf
ein Minimum reduziert, oft setzt das Dach unmittel-
bar auf die Stützen auf, ohne jede Vermittlung von
Architrav und Fries. Alle Schönheit beruht im Rhyth-
mus der Teile, in jenem strengen Rhythmus, der auf
möglichst einfachen Zahlenverhältnissen sich aufbaut.
Schmuckformen werden nur sparsam verwendet. Ganz
verschwunden ist jene kleinliche Verzierungsweise der
letzten Jahrzehnte. Das naturalistische spielerische
Frührenaissance-Ornament eines Michelozzo z. B.
würde heute ebenso lächerlich erscheinen, wie das
neckische Liniengeschlängel des Jugendstiles. Man
strebt vielmehr danach, die Ornamente in größten
Dimensionen zu halten und möglichst zu vereinfachen.
Nur die schlichtesten Flächenteilungen, die primitivsten
geometrischen Formen sind zulässig. Der Mäander
in riesigem Maßstab, willkürlich unterbrochen oder
versetzt, das griechische und das Hakenkreuz, breite
schilderhausmäßige Farbenstreifung, monotone Folgen
von Kreisen, Drei- und Vierecken bevorzugt man.
Die Verzierungskunst gewisser Naturvölker scheint

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