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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

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Nr. IV
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Baer, Casimir Hermann: Sachlichkeit und gute Form auch im Garten: zu den Arbeiten von Kayser & Seibert, Heidelberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0201

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153

SACHLICHKEIT UND GUTE FORM AUCH IM GARTEN
ZU DEN ARBEITEN VON KAYSER & SEIBERT, HEIDELBERG

Für uns alle ist der Garten die Erfüllung heimlicher
Sehnsucht, ist Erinnerung an verlorene Natur und
Heimat, ist Berg und Wald und Bach, ist Dorf, Wiese und
Acker, ist Morgenfrische, Mittagsstille, Sonnenglast und
Abendwind, ist Erdgeruch und Blütenduft. Und ist ein
großer, immer frischer, immer berauschender Blumen-
strauß, im Frühling, wenn Krokus, Schneeglöckchen und
Primeln noch bräunliche Wiesen und Hänge zieren, wenn
Tulpen und Hyazinthen mit brennenden und pastosen
Farben neben Narzissen und Violen den Mai beginnen,
wenn Iris und Lilien, Phlox, Rittersporn und Akelei,
Gladiolen und Rosen voll königlicher Schönheit den
Sommer füllen und im Herbst Astern, Georginen und
Chrysanthemen noch einmal
tief und glühend aufflam-
men. All das, Erregung und
Ruhe, Lust und Erholung,
Wunsch und Befriedigung
ist uns der Garten. Begreif-
lich daher das Bedürfnis,
solch vielversprechendes
Paradies zu besitzen, anzu-
legen, zu pflegen und zu
genießen.
Aber wie überall beim
Gestalten, so auch beim
Garten. Der Dilettant, der
beginnt, sich im Gartenbau
zu versuchen, ahnt nicht,
daß er in den anspruchs-
vollen Zauberkreis einer
Kunst geraten. Später erst
merkt er, daß er natürliche
Maße nicht selten über-
schritten, Wichtigstes über-
sehen, anderes zu viel ge-
wollt und getan hat. Oft
ist es nicht leicht, die von Jahr zu Jahr üppiger wuchernde
Fülle zu bändigen, Fehler zu verbessern, richtig Gewolltes
herauszuheben, Falsches zu entfernen. Und die Kosten
verdoppeln und mehren sich.
Nur der in Übung bewährte Gartenarchitekt weiß
Schwierigkeiten des Bodens, des Zweckes und der Be-
pflanzung zu überwinden, zur Eigenart zu verstärken, zur
Vertiefung der Individualität des Gartens auszunützen.
Schon bei der Wahl des Bauplatzes auf dem Gelände
wie bei der Planung des Hauses selbst nach Grundriß
und Aufriß sollte er vom Bauherrn und Architekten zu-
gezogen werden. Erst durch seine Mitarbeit werden Haus
und Garten in die richtige, nötige Verbindung gebracht,
werden Terrassen, Blumenparterre und Lauben, Lust-,
Obst- und Gemüsegärten, Höfe und Wirtschaftsgebäude
die richtige Lage und Stellung erhalten. Ist alles weit-
sichtig und zweckmäßig überlegt, das Gelände aufgeteilt,
beginnt der Gartenkünstler mit der Bearbeitung der
einzelnen Gartenteile, wobei genaueste Kenntnis und
Wertung des Pflanzenmaterials, der Boden und Klima-

verhältnisse für Auswahl und Verteilung der Bepflanzung
von ausschlaggebender Bedeutung sind. Dafür mögen die
Bilder der folgenden Seiten sprechen. Ein öder, sonnen-
verbrannter Hang wird zum reizvollen Steingarten mit all
den Moosen und blütenreichen, farbenklingenden Blumen,
die zwischen Felsen und trockenem Gestein gedeihen;
oder zu Terrassen auf Trockenmauern mit Taxushecken,
nach Farben geordneten Staudengärten und allerlei
Steinpflanzen, die wie grüne Adern die Mauern durch-
ziehen oder als farbige Polster auf ihr kleben. Ein lang-
weiliger Kanal wird dort zum irisbestandenen plätschern-
den Bach, da zum stillen, baumbeschatteten Seerosenteich.
Die Wege werden nach Breite und Führung wohl über-
legt; geradlinig geleiten
sie zeremoniell zum Hause
oder ziehen sich anmutig
überWiesen, durch Blumen-
beete und Buschwerk. Alte
Bäume, Gruppen von Flie-
der, Jasmin und Gold-
regen, Holunder-und Berbe-
ritzensträucher und allerlei
Nadelhölzer werden nicht
eng aufeinander gedrängt,
sondern einzeln oder in
Gruppen zur Wirkung ge-
bracht. Und alles muß wie-
derum in Einklang stehen
mit dem Hause, dem Ge-
lände und den besonderen
Zwecken.
Aber ein Gartenfachmann
ist nötig wie bei Neuan-
lagen, so auch bei Umge-
staltungen und Neubepflan-
zungen. Er allein versteht
für jedes Problem die rich-
tige Lösung zu finden und ihr die letzte Form zu geben.
Und wenn er, wie die Firma Kayser & Seibert in Roßdorf
bei Darmstadt und in Heidelberg in reichhaltigem, vor-
züglich illustriertem Katalog für sich nachweist, die nö-
tigen Pflanzen, die Stauden und Farne, Wasser- und
Teichpflanzen, die Felsen- und Ziersträucher, die Blumen-
zwiebeln, Rosen und Ranker, die Obstbäume und Nadel-
hölzer selbst aufzieht, wird er besonders geeignet sein,
aus der Menge das Passendste herauszugreifen und auch
Sicherheiten zu bieten für Güte und Richtigkeit der ge-
troffenen oder angeratenen Auswahl.
Ein Garten hat zumeist dreierlei Bedürfnissen zu dienen,
dem Wohnen im Freien, dem Genuß der Blumen und
Pflanzen, dem Nutzen durch Obst und Gemüse. Nur
durch sachverständige Gliederung und fachmännische
Bepflanzung, durch sorgfältigste Erfüllung bestimmter,
nicht miteinander vermengbarer Voraussetzungen, kann
jeder dieser Zwecke technisch und künstlerisch gleich voll-
kommen erreicht werden. Denn Ordnung und Wirtschaft-
lichkeit bedeuten Schönheit. C. H. Baer


Kayser & Seibert, Heidelberg
Ausschnitt aus einem Steingarten, dessen Anlage gegeben war
durch den Geländeunterschied von ca. 3 m zwischen Garten und
Straße (s. Garten B. Mannheim-Neuostheim, S. 160). Das Bild
zeigt vor allem eine Gruppe alpiner Campanula (C. pusilla)
 
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