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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

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Nr. VII
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Wilhelm-Kästner, Kurt: Moderne Raumkunst: zu den Arbeiten von H. H. Lüttgen, Köln
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https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0326

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258


Architekt H. H. Lüttgen, Köln
Aus einem Wohnzimmer

MODERNE RAUMKUNST
ZU DEN ARBEITEN VON H. H. LÜTTGEN, KÖLN

Wir sprechen heute ganz selbstverständlich von „Raum-
kunst“, wenn es sich um die Ausstattung eines
Gebäudes, eines Zimmers mit Möbeln handelt. Wer das
Wort neu geprägt und ihm die heutige Bedeutung gegeben
hat, wissen wir nicht mehr. Wesentlich ist ja allein auch
die Tatsache, daß die Ausmöblierung eines Zimmers heute
nicht mehr ohne Berücksichtigung der besonderen Raum-
verhältnisse vollzogen werden kann. Die sinnlose Un-
kultur pompöser Möbelausstattungsgeschäfte ist heute
abgelöst worden von einer zielbewußten, sachgemäßen
Pflege künstlerischer Wohnkultur. Fühlte sich der Archi-
tekt des 19. Jahrhunderts letzten Endes doch erhaben
über die Kleinarbeit einer Innenausstattung und sah er
nur im großen Monumentalbau sein höchstes Ziel und
seinen größten Ruhm, so ist heute, im Zeitalter der „Sach-
lichkeit“, der Schaffenskreis des Baumeisters — wie es
einstiger guter Tradition entspricht — auch wieder weit
nach unten gespannt und nähert sich in diesem Punkte
dem Handwerker mehr. Es ist ein Glück, daß es so ge-
kommen ist. Denn was nützt alle Theorie von der „Neuen

Sachlichkeit“, wenn sie keine positiven, d. h. handwerk-
lichen Grundlagen hat, und was bedeutet alle moderne
Formengebung von der hohen Warte des Monumental-
baues (heute des Zweckbaues) aus, wenn kein Gefühl
für das handwerkliche Gefüge der Innenarchitektur —
selbst des kleinsten Wohnraumes — vorhanden ist. Es
kommt also letzten Endes jetzt darauf hinaus, daß in der
Bauaufgabe des Architekten nicht mehr das Fassaden-
problem das künstlerische Interesse allein in Anspruch
nimmt, sondern daß sinngemäß der ganze Bau als Raum-
körper durchdacht und durchformt wird, daß Außenbau
und Innengestaltung bis zum Tisch und Stuhl als orga-
nische Einheit sich präsentieren.
Gewiß, einen Nachteil weist diese neue Entwicklung,
wenn sie konsequent und echt ist, bestimmt auf: Die alte
großväterliche Gemütlichkeit der Räume geht verloren.
Doch fragt es sich, ob dies tatsächlich ein Verlust ist. Ich
glaube kaum; denn die verstaubte Behaglichkeit der mit
Möbeln und sonstigen sinnigen Gegenständen geschmück-
ten und vollgepfropften Zimmer kann man gerne missen
 
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