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Moderne Bauformen: Monatshefte für Architektur und Raumkunst — 26.1927

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Josef Hoffmann und seine Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.48543#0463

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373


Architekt Oberbaurat Prof. Dr. h. c. Josef Hoffmann, Wien
Projekt für die Siedlung- N. Ansicht vom Versammlungsplatz (1923)

JOSEF HOFFMANN UND SEINE SCHULE

Als ich vor wenigen Jahren die Ehre hatte, das Bilderheft,
L \ womit die modernen holländischen Architekten den
Wiener Meister zu seinem 50. Geburtstag feiern wollten,
zu redigieren, wurde von maßgebender Seite gewünscht,
daß die Sondernummer tunlichst viele Aufnahmen des
Palais Stoclet in Brüssel enthalten solle. Und so ist es
auch geschehen. Meine Hinweise auf andere, weniger be-
kannte, aber gewiß nicht weniger bedeutende Werke des
Künstlers hatten nur mäßigen Erfolg. Denn sie begeg-
neten der eingewurzelten Meinung: „Uns ist er der
Meister des Stoclet-Hauses“.
So ergeht es Hoffmann auch heute noch. Er wird bei
lebendigem Leib den eigenen Ruhm nicht los. Auch
heute gilt er noch in weitesten Kreisen nicht nur des
entfernteren Auslandes als der Mann des Stoclet-Hauses,
der Ausstellungshallen von Rom und Köln, des seither
niedergebrannten Landsitzes in Winkelsdorf, der Villen
Ast und Skywa im Wiener Cottage. Die Vorstellungen,
die sein Name hervorruft, zielen noch immer auf Fest-
liches. Was er schon damals an einfachen reinen Bau-
werken von allgemeinem Wert geplant und verwirklicht
hat, kann dagegen nicht aufkommen. Noch weniger seine
jüngste, auf solchen Voraussetzungen beruhende Entwick-
lung zur schlichten sozialen Form. Man geht an ihr vor-
über oder man verleugnet sie.
Hier ist sie zu sehen. Und mit ihr die im Geiste des
Lehrers verjüngte Schule.
Voran geht der Entwurf Hoffmanns für die Siedlung
„Neustraßäcker“. Gegenüber dem geschlossenen, flach
gedeckten Eingangsbau mit durchlaufender Pfeilerlaube
zu ebener Erde öffnet sich der Ausblick auf die Garten-
häuser. In der ununterbrochenen Reihe treten je zwei

Häuserpaare durch ihren vorspringenden Balkontrakt und
das doppelseitige Schirmdach hervor. Die Kette bleibt
erhalten, aber Glied folgt auf Glied, der ruhige Zusammen-
schluß wird unterstimmig bewegt, so wie es innerhalb
einer solchen mittelständischen Siedlungsgemeinschaft die
Rücksicht auf das Eigenhaus der Familie verlangt. Der
Eindruck ist leicht und landschaftlich, man denkt an
Pavillons. Die Grundrisse befestigen diesen Eindruck.
Denn wiewohl die überbaute Fläche nur karg zugemessen
ist, schaffen sie in allen Etagen luftige Räumlichkeit.
Im Souterrain: Keller und Waschraum; im Parterre: der
vereinigte Wohn- und Speiseraum, im Winkel geführt und
dadurch auch mit gesonderten Sitzecken versehen, gegen
die Gartenterrasse breit geöffnet, — daneben die Küche,
aus der es in den vorstoßenden Anbau mit Speisekammer
und Kleinstall geht; im ersten Stock: die Schlafräume,
an die nun wieder im rechten Winkel das Bad und der
windgeschützte Balkon schließen ; endlich das flache Dach
mit dem Seitenschirm zum Schutz gegen Sonne und
Regen.
Bis hier hinauf ist es eine lebendig regulierte, nach
außen aufgeschlossene Form, in der Haus und Landschaft
ineinander aufgehen. Wer das besondere Gefühl des
Meisters für die leicht bewegte Wiener Atmosphäre, wer
Anlagen von der Art seiner Heilstätte in Purkersdorf
kennt, dem wird diese Siedlungsform nicht unerwartet
erscheinen.
Aber zugleich beweist sie ihre erstaunliche Fruchtbar-
keit in den Versuchen der Schüler. Und erst das läßt
ihre ganze Bedeutung erkennen. Denn wie verschieden
auch die Lösungen sein mögen, welche die jungen Be-
gabungen für Einzeltypen und Reihenhäuser, für Ein-

MOD. BAUFORMEN 1927. X. 1
 
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