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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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ist vielmehr eine schematische Replik früherer, ähnlicher Darstellungen Peruginos,
wie der Himmelfahrt Mariä von 1500 in der Accademia zu Florenz und der Himmel-
fahrt Christi in Lyon (ehemals in S. Pietro zu Perugia) und im Dom zu Sansepolcro.
Das Hauptwerk der Peruginer Periode Raffaels ist das Sposalizio, das, wie aus
Urkunden hervorgeht, die Magherini-Graziani im Bollettino della Regia Deputazione
di Storia Patria per l'Umbria publiziert hat, von Filippo degli Albezzini für den Altar
S. Giuseppe in S. Francesco zu Castello gestiftet wurde 9. Man hat stets ange-
nommen, daß Raffael als Vorbild das Sposalizio benutzte, das Perugino für den Dom
zu Perugia gemalt hat, indem er die Gruppe der Männer und der Frauen vertauschte.
Neuerdings jedoch ist, wie bekannt, von Berenson die These aufgestellt worden, jenes
Altarbild sei ein Werk Spagnas und umgekehrt mit Benutzung von Raffaels Bild ent-
standen2). Über das Sposalizio für den Dom zu Perugia besitzen wir jetzt aber Doku-
mente, welche erweisen, daß zuerst Pinturicchio, und dann Perugino den Auftrag er-
hielt, es auszuführen, weiter wissen wir, daß es gegen Ende des Jahres 1503 noch
nicht vollendet war. Es wird die Leser dieser Zeitschrift interessieren, über die
zwecks Klärung dieser Frage von Adamo Rossi in den Peruginer Archiven begon-
nenen und von dem Unterzeichneten zu Ende geführten Forschungen, die dem-
nächst veröffentlicht werden sollen, einiges zu erfahren.
Die früheste, bisher unbekannte und von Adamo Rossi entdeckte archivalische Notiz
über das Sposalizio Peruginos ist der Beschluß des Peruginer Magistrats vom 31.Mai 1486,
also etwa 13 Jahre, bevor Perugino den Auftrag erhielt, der Brüderschaft von S. Giu-
seppe für den Bau ihrer Kapelle im Dom und für das zu malende Altarbild eine
Beihilfe von 200 Fiorini zu gewähren. Am 16. September 1489 erteilte die Brüder-
schaft den Auftrag dem Bernardino Pinturicchio. Dieser versprach, die Arbeit im
nächsten April zu beginnen und sich dem Schiedsrichterspruch zweier Sachver-
ständiger zu unterwerfen, zu denen, falls eine Verständigung über den zu zahlenden
Lohn nicht zustande käme, noch ein dritter durch den Bischof von Perugia ge-
wählt werden sollte. Als erste Zahlung bei Beginn der Arbeit wurden 20 Fiorini
und 20 Soldi festgesetzt. Schon am 26. September erteilte Pinturicchio jedoch dem
Maler Bartolomeo Caporali Vollmacht, seine Interessen der Brüderschaft S. Giuseppe
gegenüber zu vertreten, wahrscheinlich, weil er beabsichtigte, nach Rom zurückzu-
kehren. Er hat dann jahrelang fern von Perugia gelebt, und seine lange Abwesen-
heit mag die Brüderschaft veranlaßt haben, den Auftrag schließlich an Perugino
weiterzugeben. Am 22. Februar 1495 erhält die Brüderschaft auf ihr Ersuchen
vom Peruginer Magistrat eine neue Beihilfe von 15 Fiorini, „pro una tabula facienda
in Capella Sancti Josephi in Ecclesia Sancti Laurentii", und am 28. Februar ge-
langte der Magistratsbeschluß zur Ausführung. Trotz dieser Unterstützung seitens
der Stadt zögerte die Brüderschaft noch vier Jahre mit der Erteilung des Auftrages.
Erst am 11. April 1499 wurde in einer Versammlung der Vorsteher der Confrater-
nitä darüber beraten, ob der Auftrag an Perugino oder an einen anderen Künstler
zu vergeben sei. Nachdem der Prior die Frage zur Diskussion gestellt hatte, ergab
sich, daß drei Mitglieder einen Aufschub wünschten, bis genügende Mittel vorhanden
seien. Bei der Abstimmung jedoch erklärten alle 14 Teilnehmer an der Versamm-
lung: „quod tabula debeat locari magistro Pietro ad pingendum". Ob die Brüder-
schaft sofort nach der Beratung, oder erst später sich Perugino verpflichtete, bleibt

(1) Loc. cit.

(2) Gazette des Beaux-Arts, IIIe periode, t. XV, April 1896, p. 273 U. ff. und The study and criticism
of Italian Art, Bd. II, London 1902.

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