DIE DARSTELLUNG VON DINANDERIES
AUF NIEDERLÄNDISCHEN BILDERN
Mit zwölf Abbildungen auf drei Tafeln Von RUD. ARTHUR PELTZER
Wer die Bilder der altniederländischen Schule rein auf das Gegenständliche
hin durchsieht, dem wird die Fülle von Metallgegenständen auffallen, die sich
überall dargestellt finden. In den sauberen Stuben, in denen sich etwa die Geburt
oder der Tod Mariens oder die Verkündigung abspielt, glänzt und gleißt allerlei
Hausrat in Wandnischen, auf Fensterbänken, Stollenschränken und Kaminen. Aus
Metall, häufig mit Kristall, Achaten, Edelsteinen und Emaille verziert, prangt der
Thron der Gottesmutter. Im.Innern der Kirchen sieht man die kunstvollen Tauf-
becken, die mannigfachen Beleuchtungsgegenstände, die Weihwassergefäße, den
reichen Altarschmuck. Selbst die Kleidung der Menschen wie das Geschirr der
Pferde ist reich mit Metall verziert. Je mehr sich die Herrschaft der Renaissance-
kunst ausbreitet, um so üppiger und reicher gestaltet sich der Metallschmuck der
Bauten, der oft alle Teile wie wilder Efeu in phantastischer Weise überwuchert.
So bildet das häufige Vorkommen von allerlei Metallgegenständen geradezu ein
charakteristisches Kennzeichen niederländischer Gemälde und wird unter Umständen
bei Zweifeln über die Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Schule in Be-
tracht zu ziehen sein. Denn vergeblich schauen wir uns auf altdeutschen
Bildern nach all diesen Geräten um. Einfaches irdenes Geschirr, Holzteller und
Zinn erscheint dort an Stelle des goldig glänzenden Erzes. Nur die sogenannte
Kölnische Schule macht hier eine Ausnahme, wie sie ja auch hinsichtlich der
malerischen Auffassung und Technik in größter Abhängigkeit von den Niederlanden
steht. Bei den Italienern aber werden wir die Wiedergabe solcher Gegenstände
schon aus dem Grunde nicht suchen, weil diese Betonung des stillebenartigen
Details ihrem künstlerischen Empfinden widersprach.
Fragen wir, wie es kommt, daß gerade bei niederländischen Malern diese beson-
dere Vorliebe für blinkendes Metall entstanden ist, so ergibt sich als wichtigste
Ursache die hohe Blüte der Metallkunst, insbesondere der Gießkunst und der
Treibarbeit im früheren Herzogtum Burgund. Kein Land hatte eine so blühende
Metallindustrie wie die südlichen Niederlande. Das Absatzgebiet derselben dehnte
sich gleich dem der berühmten flandrischen Tuchfabriken fast über ganz Europa
aus. Nach dem Hauptsitz dieser Metallgewerbe, der reichen Stadt Dinant an der
Maas, wurden die Erzeugnisse — ähnlich wie die Kunstwirkereien nach der Stadt
Arras (Arrazzi) oder die Majoliken nach Majorka, die Fayencen nach Faenza —
„Dinanderies" genannt und haben diesen Namen auch beibehalteu, obwohl Dinant
bereits im Jahre 1466 durch den Herzog von Burgund mit Feuer und Schwert fast
dem Erdboden gleichgemacht wurde, und die Batteurs1) oder Kupfermeister, wie
man die Fabrikherren nannte, sich meist nach Brügge, Brüssel, Namur, Tournai,
Antwerpen, Aachen und anderen Plätzen verzogen hatten2). Das Material, welches
diese Werkstätten verarbeiteten, war fast ausschließlich der Messing, denn die Grund-
lage dieser Industrie der Maasstädte bildeten die auch heute noch nicht aufgebrauch-
ten gewaltigen Lager von Galmeierz (Zink), das den Kupfererzen zugesetzt wurde.
(1) Von battre = schlagen, treiben.
(2) Vgl. R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie und der künstlerischen Arbeiten in Messing
(Dinanderies) usw., Aachen 1909. Dort auch die Literatur über Dinanderies.
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AUF NIEDERLÄNDISCHEN BILDERN
Mit zwölf Abbildungen auf drei Tafeln Von RUD. ARTHUR PELTZER
Wer die Bilder der altniederländischen Schule rein auf das Gegenständliche
hin durchsieht, dem wird die Fülle von Metallgegenständen auffallen, die sich
überall dargestellt finden. In den sauberen Stuben, in denen sich etwa die Geburt
oder der Tod Mariens oder die Verkündigung abspielt, glänzt und gleißt allerlei
Hausrat in Wandnischen, auf Fensterbänken, Stollenschränken und Kaminen. Aus
Metall, häufig mit Kristall, Achaten, Edelsteinen und Emaille verziert, prangt der
Thron der Gottesmutter. Im.Innern der Kirchen sieht man die kunstvollen Tauf-
becken, die mannigfachen Beleuchtungsgegenstände, die Weihwassergefäße, den
reichen Altarschmuck. Selbst die Kleidung der Menschen wie das Geschirr der
Pferde ist reich mit Metall verziert. Je mehr sich die Herrschaft der Renaissance-
kunst ausbreitet, um so üppiger und reicher gestaltet sich der Metallschmuck der
Bauten, der oft alle Teile wie wilder Efeu in phantastischer Weise überwuchert.
So bildet das häufige Vorkommen von allerlei Metallgegenständen geradezu ein
charakteristisches Kennzeichen niederländischer Gemälde und wird unter Umständen
bei Zweifeln über die Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Schule in Be-
tracht zu ziehen sein. Denn vergeblich schauen wir uns auf altdeutschen
Bildern nach all diesen Geräten um. Einfaches irdenes Geschirr, Holzteller und
Zinn erscheint dort an Stelle des goldig glänzenden Erzes. Nur die sogenannte
Kölnische Schule macht hier eine Ausnahme, wie sie ja auch hinsichtlich der
malerischen Auffassung und Technik in größter Abhängigkeit von den Niederlanden
steht. Bei den Italienern aber werden wir die Wiedergabe solcher Gegenstände
schon aus dem Grunde nicht suchen, weil diese Betonung des stillebenartigen
Details ihrem künstlerischen Empfinden widersprach.
Fragen wir, wie es kommt, daß gerade bei niederländischen Malern diese beson-
dere Vorliebe für blinkendes Metall entstanden ist, so ergibt sich als wichtigste
Ursache die hohe Blüte der Metallkunst, insbesondere der Gießkunst und der
Treibarbeit im früheren Herzogtum Burgund. Kein Land hatte eine so blühende
Metallindustrie wie die südlichen Niederlande. Das Absatzgebiet derselben dehnte
sich gleich dem der berühmten flandrischen Tuchfabriken fast über ganz Europa
aus. Nach dem Hauptsitz dieser Metallgewerbe, der reichen Stadt Dinant an der
Maas, wurden die Erzeugnisse — ähnlich wie die Kunstwirkereien nach der Stadt
Arras (Arrazzi) oder die Majoliken nach Majorka, die Fayencen nach Faenza —
„Dinanderies" genannt und haben diesen Namen auch beibehalteu, obwohl Dinant
bereits im Jahre 1466 durch den Herzog von Burgund mit Feuer und Schwert fast
dem Erdboden gleichgemacht wurde, und die Batteurs1) oder Kupfermeister, wie
man die Fabrikherren nannte, sich meist nach Brügge, Brüssel, Namur, Tournai,
Antwerpen, Aachen und anderen Plätzen verzogen hatten2). Das Material, welches
diese Werkstätten verarbeiteten, war fast ausschließlich der Messing, denn die Grund-
lage dieser Industrie der Maasstädte bildeten die auch heute noch nicht aufgebrauch-
ten gewaltigen Lager von Galmeierz (Zink), das den Kupfererzen zugesetzt wurde.
(1) Von battre = schlagen, treiben.
(2) Vgl. R. A. Peltzer, Geschichte der Messingindustrie und der künstlerischen Arbeiten in Messing
(Dinanderies) usw., Aachen 1909. Dort auch die Literatur über Dinanderies.
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