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keit zog, und führten die Nacktheit des Mannes in Darstel-
lungen ein, wo das Leben sie nicht kannte. So entsteht die
ideale Nacktheit. Sie bildet in kurzer Zeit einen wichtigen
Bestandteil der künstlerischen Schöpfungen, ohne daß es mög-
lich wäre, ganz scharf anzugeben, wann zuerst die ideale
selbständig neben die reale Nacktheit tritt. Jedenfalls hat
dann aber die Kunst des Mutterlandes an dem einmal ge-
wonnenen Ideal festgehalten, im Gegensatz zum Leben, das
in der Nacktheit des Mannes vorübergehend entgegengesetzten
Strömungen nachgegeben hat.

Anders stand es mit dem Weib. War auch vereinzelt,
wie in Sparta, der Versuch gemacht worden, die gymnastische
Nacktheit der Frauen einzuführen, so war diese Sitte doch
nie allgemein geworden. Der Künstler hatte keine Gelegen-
heit, den nackten weiblichen Körper in Ruhe, außerhalb der
geschlechtlichen Erregung, zu beobachten. Daher kannte er
ihn auch nicht und bildete ihn nicht, von wenigen Ausnahmen
abgesehen. Und selbst wo er es versuchte, leuchtete in der
Formengebung noch lange das Vorbild, der männliche Körper,
hindurch. Erst später bemächtigte sich die griechische Kunst
auch der weiblichen Körperformen und wandte sie gleichfalls
in idealem Sinne an, wenn auch nie so unbeschränkt wie den
männlichen Körper.

Nach den dargelegten Gesichtspunkten soll nun hier die
ältere Kultur Griechenlands betrachtet werden, und vor ihr,
wie es sich überall erforderlich zeigt, die der alten orienta-
lischen Gebiete, von denen Hellas umgeben und beeinflußt
war. Es wird jeweils zu verfolgen sein, welche Entblößung
die Tracht an und für sich mit sich brachte, und welche
Ausnahmen von der gewohnheitsmäßigen Verhüllung auftreten.
 
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