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Rückblick.

Die gesamte ägyptische und orientalische Kunst strebte
in der Darstellung des Menschen danach, ein möglichst treues
Bild der AVirklichkeit zu geben; ihre Darstellungen erlauben
uns daher einen sicheren Eückschluß auf die Tracht des
Lebens. Bei der Betrachtung dieser ist es uns teils durch
die Vielseitigkeit der erhaltenen Denkmäler, teils durch die
Verfassung der großen orientalischen Reiche möglich, eine
Scheidung nach Ständen vorzunehmen, wie sie im späteren,
demokratischen Griechenland kaum mehr durchzuführen ist.

Für die oberen Klassen der Ägypter und Vorder-
asiaten, und zwar für beide Geschlechter, ist ein deutlich
ausgeprägtes Schamgefühl charakteristisch, das sich in erster
Linie auf die Geschlechtsteile bezieht, mit der Einschränkung,
daß bei den Frauen des älteren Ägypten die Sitte noch nicht
-die Verhüllung des Busens fordert. Die Vornehmen beider
Geschlechter kennen Nacktheit und Entblößung nur als Zeichen
der Demütigung vor dem Höherstehenden: im Kultus vor den
Göttern und Toten; im Kriege als Gefangene oder Gefallene
vor dem Sieger. Die Frau auch noch, sehr selten der Mann,
in erotischen Situationen, was auch auf die Göttin der Liebe
übertragen wird. — Das Schamgefühl der unteren Stände ist
weniger ausgesprochen. Harte, körperliche Arbeit veranlaßt

Müller. 12
 
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