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Einleitung

Zwischen den beiden Weltkriegen ruhte in Deutsch-
land die Geländearbeit am Limes, von Ausnahmen
abgesehen, fast völlig. Es galt vor allem, das bis da-
hin Gewonnene zu bearbeiten und zu publizieren.
Auf den Forschungen der Reichslimeskommission
können wir nunmehr weiterbauen, und die neuesten
Untersuchungen im Gelände, die erst allmählich nach
1945 wieder in Gang kamen, bestätigen, daß die Er-
forschung des obergermanischen und rätischen Limes
noch keineswegs abgeschlossen ist, wie man hin und
wieder geglaubt hat, und wir mit Hilfe von neuzeit-
lichen Grabungsmethoden Quellen erschließen kön-
nen, die den literarischen und epigraphischen an Aus-
sagekraft nicht nachstehen. Es schmälert den Wert
des Limeswerkes in keiner Weise, wenn wir es dabei
im Einzelfall mehrfach korrigieren müssen. Wir sind
vielmehr verpflichtet, stets die alten Befunde in die
Diskussion mit einzubeziehen, weil sich nur so zei-
gen läßt, in welche Richtung künftige planmäßige
Forschung zu zielen hat1.
Im vorliegenden Aufsatz soll nun über die Aus-
grabungen berichtet werden, die das Saalburgmuseum
in Zusammenarbeit mit den zuständigen Landesäm-
tern für Bodendenkmalpflege und fast stets mit finan-
zieller Unterstützung der Deutschen Forschungsge-
meinschaft im Laufe der letzten zehn Jahre ausge-
führt hat. Untersuchungen, die andere Kollegen lei-
teten, werde ich von Fall zu Fall mitbehandeln, aller-
dings ohne ausführlich über sie zu referieren. Wir
selbst haben uns bemüht, zwar den Erfordernissen
der Bodendenkmalpflege Rechnung zu tragen, in er-
ster Linie aber planmäßige und auf bestimmte histo-
rische Probleme begrenzte Grabungen anzusetzen.
Meist ergab sich dabei das eine aus dem anderen, und
beide Aufgaben ließen sich nicht voneinander tren-
nen. Auch die baugeschichtlichen Fragen sind mit den
rein historischen unlösbar verzahnt, ohne daß daraus
die Gefahr zu resultieren braucht, aus der Bautätig-
keit voreilig auf »historische Konturen« zu schlie-
ßen2. Wir werden vielmehr nur auf dem Wege über
ein gründliches Studium der Baugeschichte der ein-
zelnen Anlagen zu neuen oder ergänzenden oder be-
stätigenden historischen Kenntnissen vordringen kön-
nen. Überhaupt kann ein wirklicher Fortschritt in
der Limesforschung künftig nur erreicht werden, wenn
es uns gelingt, mit Hilfe von guten Ausgrabungen
neues Quellenmaterial bereitzustellen3. Welche Mög-

lichkeiten uns derartige Untersuchungen an die Hand
geben, versuche ich im folgenden zu zeigen. Ich werde
also nicht die anderenorts bereits veröffentlichten
Grabungsberichte ausführlich wiederholen, sondern
gleichsam den historischen Faden verfolgen, der die
nur scheinbar zusammenhanglosen Grabungen mit-
einander verbindet. Für den an Einzelfragen interes-
sierten Leser besteht daher nach wie vor die Notwen-
digkeit, fallweise die publizierten Originalberichte
prüfend zu Rate zu ziehen4. Schließlich werde ich
mich kurz zur Methode der Datierung durch Kera-
mik zu äußern haben (S. 122 ff.).

1 Kurzer Überblick über die Forschungsgeschichte bei W.
Schleiermacher, Limesführer. Der römische Limes in Deutsch-
land (1959) 11 f.; eingehender in den Streckenbänden des ORL.,
wo E. Fabricius und seine Mitarbeiter jeweils in einem beson-
deren Abschnitt die »Geschichte der Untersuchung« behandeln.
2 H. Nesselhauf, Jahrb. RGZM. 7, 1960, 168 f. Ick bin dem
Verfasser außerordentlich dankbar, daß er mich schon in die
Druckfahnen dieses Aufsatzes Einsicht nehmen ließ.
3 Vgl. dazu die Bemerkungen von W. Schleiermacher, Gno-
mon 32, 1960, 579 Zeile 8 ff. Das dort besprochene, von I. A.
Richmond herausgegebene Buch »Roman and Native in North
Britain« (1958) ist ein Musterbeispiel dafür, in wie großem
Maße die nach historischen Gesichtspunkten betriebene Durch-
forschung des Bodens und das Studium seiner meist schriftlosen
Urkunden zum Verstehen der Geschichte einer römischen Pro-
vinz dort beitragen können, wo literarische und epigraphische
Quellen schweigen oder in ihrer Interpretation nicht eindeu-
tig sind.
4 Da wir die Lager und Kastelle am Rhein nicht in unser
Thema mit einbeziehen, gehen wir z. B. nicht auf die Grabun-
gen im Mainzer Legionslager ein, die wesentliche neue Ergeb-
nisse hatten (D. Baatz, Limesforschungen 4 [1962]), oder die
von J.-J. Hatt in Straßburg. Es sei auch nur ganz kurz
angezeigt, daß von H. Klumbach nach dem Krieg mit
Sicherheit ein Erdlager in Mainz-Weisenau festgestellt werden
konnte (Germania 29, 1951, 165 f. und Mainzer Zeitschr. 48/49,
1953/54, 71) und es in Koblenz gelang, durch das Auffinden
eines Grabens Hinweise für die Lage des Kastells zu erhalten
(Ph. Filtzinger in Bonner Jahrb. 160, 1960, 168 ff.). Unberück-
sichtigt müssen ferner die Befunde von Heidelberg-Neuenheim
bleiben, wo B. Heukemes nach dem Krieg gleich mehrere La-
ger entdeckt hat (Bad. Fundber. 20, 1956, 229), und die jüng-
sten Untersuchungen von Baatz in Ladenburg (Germania 39,
1961, 87 ff.; zu älteren Beobachtungen von B. Heukemes: Bad.
Fundber. 20, 1956, 231) sowie die 1949 vorgenommenen Gra-
bungen in Emerkingen (Ph. Filtzinger, Bonner Jahrb. 157, 1957,
191 ff.). Auch die Untersuchungen, die A. Eckerle während der
letzten Jahre in der Siedlung Mühlöschle, Gemarkung Hüfin-
gen, durchführte, gehören nicht in den Rahmen unseres Auf-
satzes (über frühere Funde: Bad. Fundber. 20, 1956, 103 ff.).
Schließlich findet ein großer Teil der Beobachtungen hier keine
Erwähnung, die W. Schleiermacher, Saalburg-Jahrb. 13, 1954,
71 f. u. Neue Ausgrabungen in Deutschland (1958) 303 ff. zu-
sammengestellt hat.

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