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Zur Datierung mit Keramik

Im Anschluß an die Fragen nach der Datierung des
Neckarlimes und der vorderen Linie scheint es mir
ratsam zu sein, kurz ein paar Worte zur Datierung
mit Hilfe von Keramik zu sagen, zumal ich dabei
meine Zeitansätze nur auf keramische Funde gestützt
habe. Eine ausführliche methodische Abhandlung
wird man aber hier nicht erwarten dürfen. Sie ginge
weit über den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes
hinaus und ist auch gar nicht erforderlich, da es
darüber eine nicht unbeträchtliche Literatur gibt. So
werde ich lediglich einige typische Beispiele heraus-
greifen und das Grundsätzliche dazu nur an Hand
der Terra sigillata erörtern:
Daß man Münzen und Keramik zur Datierung
verwenden muß, sollte eigentlich ebenso selbstver-
ständlich sein wie die Erkenntnis, daß beide niemals
ein so genaues Datum für die Fertigstellung eines
Bauwerks liefern können wie eine aufs Jahr bestimm-
bare Bauinschrift. Doch sind wir in Deutschland mit
solchen nicht so gesegnet wie beispielsweise England,
wo u. a. mehrere Inschriften in Kastellen und Tür-
men der Hadriansmauer zeigen, daß diese Militär-
bauten zur gleichen Zeit unter der Statthalterschaft
des Aulus Platorius Nepos (122—126) entstanden
sind. Wenn wir also nicht bei einem non liquet Halt
machen wollen, dann bleibt uns in der Regel gar
nichts anderes übrig, als Münzen und Keramik zur
Zeitbestimmung heranzuziehen, oft sogar die Kera-
mik allein, wenn sich keine Münzen fanden oder sie
dort angetroffen wurden, wo sie ihrer Lage nach
nichts für die Baugeschichte ausgeben.
Im Prinzip ist man sich über den chronologischen
Aussagewert beider Fundgattungen durchaus im kla-
ren: Die Prägezeit der Münzen läßt sich zwar in den
meisten Fällen aufs Jahr genau datieren, doch haben
sie oft eine recht lange Umlaufsdauer. Hier erwarten
wir von der planmäßigen Aufnahme der Fundmün-
zen über größere Gebiete hinweg das Ergebnis, für
einzelne Miinzsorten und -typen Umlaufshöhepunkt
und Umlaufsdauer zu ermitteln, wodurch sich die
Möglichkeit einer viel präziseren Datierung ergeben

wird282. Die Keramik ist dagegen aus sich heraus nicht
datierbar, der Zeitpunkt ihrer Anfertigung und Be-
nutzung muß auf indirektem Wege durch ein ver-
gleichendes Verfahren erschlossen werden. Auch hier
gibt es wie bei den Münzen »kurz- und langlebige«
Formen. Ihre »Umlaufsdauer« ist häufig im Einzel-
fall noch nicht recht klar. Sie zu ermitteln, ist eine
notwendige Aufgabe der Zukunft. Vom Ziel, das wir
uns dabei stecken müssen, sind wir in Deutschland
noch weit entfernt. Das gilt vor allem für die nicht
durch Bildstempel oder Töpfernamen gekennzeich-
nete Ware283. Besonders hier ist eine Verbesserung
unserer chronologischen Grundlagen nur mit Hilfe
von neuen, sorgfältig beobachteten Ausgrabungen
möglich. Gute Ansätze sind bereits vorhanden284.
Der Nachteil der unbezeichneten Töpferware ist
der, daß es neben »Allerweltsformen«, die sich etwa
zur gleichen Zeit in weiten Gebieten des Imperiums
finden, viele lokale Töpfereien gibt — in Obergerma-
nien, wie es scheint, vor allem in der ersten Hälfte
des 2. Jahrhunderts —, die nach unserer heutigen Vor-
stellung meist nur unzureichend bearbeitet sind und
daher keine chronologische »Verzahnung« mit lite-
rarisch oder epigraphisch datierbaren Plätzen zulas-
sen. Ganz anders ist das bei der Fabrikware der
Terra sigillata. Wohl heben sich auch hier gewisse
bevorzugte Lieferungsgebiete einzelner Manufaktu-
ren ab, doch sind sie jeweils so weiträumig, daß sich
hinreichende zeitliche Fixpunkte finden lassen. Es

282 H.-J. Kellner, Bayer. Vorgeschichtsbl. 25, 1960, 331.
Vgl. auch Jahrb. f. Numismatik und Geldgesch. 7, 1956, 35 ff.
283 Man vergleiche dagegen die Arbeit von P. J. Gillam,
Types of Roman Coarse Pottery Vessels in Northern Britain.
Arch. Aeliana 4. Ser. 35, 1957, 180 ff.
284 Um nur einige zu nennen: U. Fischer, Cambodunumfor-
schungen 1953—11. Materialhefte z. Bayer. Vorgesch. 10 (1957);
H. Schoppa, Veröffentl. d. Landesamtes f. kulturgesch. Boden-
altertümer Wiesbaden 2 (1961); B. Heukemes, Heidelberger
Keramik der Römerzeit (ungedr. Diss. Heidelberg [1960]). In
naher Zukunft ist die Vorlage des riesigen Materials aus den
Neußer Grabungen zu erwarten, die H. v. Petrikovits durch-
führen läßt, und die der neu in Heddernheim gefundenen
Töpferware durch Ch. und U. Fischer.

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