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Der Limes in Hessen

VON AUGUSTUS BIS ZU DEN FLAVIERN

Wir haben guten Grund anzunehmen, daß alle
militärischen Unternehmungen Roms gegen die Wet-
terau5 von Mainz ausgingen. Dort lagen fast wäh-
rend des gesamten 1. Jahrhunderts n. Chr. zwei Le-
gionen, später aber nur noch eine, nämlich die XXII
Primigenia. Die ältesten römischen Spuren im Wet-
teraugebiet waren bis zum Sommer 1960 nahe der
späteren Elisabethenstraße aus Frankfurt-Höchst be-
kannt, wo man im Hofe des Kronberger Hauses6
Spitzgräben aufgedeckt hat, die zu einem, möglicher-
weise aber auch zu zwei aufeinander folgenden La-
gern gehören7. Einige der dort geborgenen Fund-
stücke können schon in die Zeit um Christi Geburt
zurückreichen8. So nur ist es erklärlich, daß man
lange Zeit in Höchst oder seiner nächsten Umgebung
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erwartete, das Drusus nach Cassius Dio 54, 33 im
Jahre 11 v. Chr. angelegt haben soll9. H. Delbrück
dachte eher an Friedberg10. Vom Standpunkt der
Bodenforschung kann man nur sagen, daß beide An-
sichten nicht ausreichend zu begründen sind, da so
alte Funde einstweilen weder aus Höchst noch aus
Friedberg vorliegen* 11. Es ist möglich, aber nicht zu
beweisen, daß das genannte Lager am Rhein mit
dem identisch ist, über dessen Resten dann später
Germanicus nach Tacitus Ann. 1, 56 im Jahre 15 n.
Chr. in monte Tauno eine Befestigung errichtete.
Diese Angabe wurde früher schon auf Friedberg
bezogen12 und wird besonders neuerdings von H.
Roth mit dem Friedberger Burgberg in Verbindung
gebracht, nachdem es ihm 1936 gelungen ist, dort
Gruben aufzudecken, die nach ihren Funden in die
Spätzeit des Augustus und die frühen Regierungs-
jahre des Tiberius gehören13. Daß diese Gruben in so
früher Zeit und in dieser Gegend nur im Zusammen-
hang mit einem befestigten Lager entstanden sind,
dürfte keinem Zweifel unterliegen. Roth denkt an
ein solches aus den Jahren vor 9 n. Chr. und an ein
zweites aus der Zeit des Germanicus, oder besser ge-
sagt: an d a s Lager des Germanicus, das dieser super
vestigia paterni praesidii erbauen ließ. Diese Annah-

me beruht darauf, daß Roth den mons Taunus mit
dem die Landschaft beherrschenden Friedberger Burg-
berg gleichsetzt, wofür er gute Gründe anführt14. Es
wäre allerdings dringend zu wünschen, daß jeder
Aufschluß im Bereich der Burg beobachtet würde und
nach Möglichkeit noch einmal Grabungen stattfän-
den. Denn nur wenn sich Funde aus dem Jahrzehnt
vor Christi Geburt einstellten, könnte die Gleichset-
zung von der Bodenforschung her erhärtet werden.
Eine so frühe Militärstation, bei der das verhält-
nismäßig zahlreiche Fundmaterial eine Verbindung
mit den Drususzügen der Jahre 10 und 9 v. Chr.
nahelegt, wurde nun in jüngster Zeit in Rödgen
bei Bad Nauheim festgestellt. Dort entdeckten Dr.
med. H. Martin und Dr. H.-G. Simon im Sommer
1960 zwei Spitzgräben, die beim Bau einer neuen
Schule vom Bagger angeschnitten worden waren. Um
ihren weiteren Verlauf zu verfolgen, führte ich in der
Zeit vom 13. März bis 8. Juli 1961 eine Ausgrabung
durch. Dabei gelang es, den gesamten Umfang eines
kleinen polygonalen Lagers aufzudecken. Es liegt auf

5 Über »Neue Erkenntnisse am röm. Limes in der Wetterau«
habe ich in vereinfachter Form schon in den Wetterauer Ge-
schichtsbl. 9, 1960, 1 ff. berichtet.
6 Diese Bezeichnung ist nach Angabe der Ortskundigen bes-
ser als »ehern. Rathaus«.
7 E. Ritterling, Mitt. d. Ver. f. Nass. Altkde. 1901/02, 45 ff.,
1904/05, 44 ff.; E. Schmidt, ORL. B II 3 Nr. 28 (1912).
8 Eine so frühe Datierung ist besonders bei der Vogelkopf-
lampe (ORL. B II 3 Nr. 28 Taf. 1, 4) und bei dem Teller (ebd.
Taf. 1, 2) möglich.
9 Vgl. F. Koepp, Die Römer in Deutschland 2(1912) 20.
10 H. Delbrück, Geschichte der Kriegskunst 2 (1902) 112 f.
Zweifel an der Genauigkeit der topographischen Angabe äußer-
te G. Wolff, Zeitschr. d. Ver. f. hess. Gesch. u. Landeskde. 50,
1917, 71.
11 Wie heute die moderne Forschung die Frage der »Drusus-
kastelle« beurteilt, zeigen H. v. Petrikovits, Das römische
Rheinland (1960) 33 ff.; W. Schleiermacher, Analecta Archae-
ologica, Fremersdorf-Festschr. (1960) 231 ff.; H. Nesselhauf,
Jahrb. RGZM. 7, 1960, 151 ff.
12 Vgl. dazu u. a. G. Wolff, Nassauische Ann. 32, 1901,
6 ff. u. H. Delbrück a. a. O.
13 R. Mager und H. Roth, 29. Ber. RGK. 1939 (1941) 6 ff.
14 H. Roth, Friedberger Geschichtsbl. 14, 1939—42, 49 ff.

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