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liegt daher auf der Hand, daß wir uns primär auf
die Datierung durch Terra sigillata stützen werden,
wozu vielfach noch als zeitliche Anhaltspunkte die
Ziegelstempel treten285 286 287.
Der Weg, auf dem wir zur Datierung einzelner
Terra-sigillata-Formen kommen, ist oft erörtert wor-
den und findet eine klare Formulierung in dem »Lehr-
buch« von F. Oswald und T. D. Pryce288: »The
method, by means of which a chronological estimate
of Sigillata evidence is arrived at, is based in its es-
sentials on the determination of >site-values<. Thus
the exclusive or predominant occurrence of certain
types on properly excavated sites, such as Haltern,
Hofheim, Newstead and Niederbieber, which can be
dated by external historical evidence, affords a va-
luable aid to the determination of the period and
distribution of these particular forms of Sigillata.«
Die »dated sites« bilden auch die Grundlage für die
Zeitbestimmung der mittelgallischen (meist Lezoux-)
Sigillaten in der neuen Arbeit von J. A. Stanfield und
G. Simpson28', die unter der Anleitung von E. Birley
vollendet wurde. Dabei sind die Verfasser von der
völlig richtigen Konzeption ausgegangen, daß man
die Erzeugnisse einer Töpferei in den seltensten aller
Fälle am Produktionsort selbst zeitlich zu gliedern
vermag — zumal, wenn die Grabungen oder zufälli-
gen Funde schon Jahrzehnte zurückliegen —, sondern
nur an Hand der mit anderen Mitteln festlegbaren
Zeitabfolge der belieferten Plätze. So werden auch
hier die Sigillaten der nach den Bauinschriften zwi-
schen 122 und 126 errichteten Fortifikationen an der
Hadriansmauer denen vom Antoninuswall in Schott-
land gegenübergestellt, der 139—140 unter Lollius
Urbicus begonnen wurde. Diese Fixpunkte dulden
keinen Zweifel. Wenn man jedoch für die folgenden
Jahrzehnte auch Keramik aus Zerstörungsschichten
an der Hadriansmauer oder aus Corbridge heran-
zieht, so ist natürlich keine gleichgroße Sicherheit in
der Datierung zu erreichen, da ja späte »Schichten«
stets auch ältere Funde enthalten können. Doch sind
das Spezialfragen, die hier nicht zur Debatte stehen.
Die an der Hadriansmauer und am Antoninuswall
bestehenden zeitlichen Fixpunkte ergeben sich sowohl
aus der schriftlichen Überlieferung als auch aus den
epigraphischen und numismatischen Zeugnissen. Zur
erstgenannten Kategorie gehört die Verschüttung
Pompejis iim August 79. Denn dort fand sich eine
ziemliche Menge von offensichtlich zum Verkauf be-
stimmter südgallischer Sigillata, die vor der Kata-
strophe dorthin geliefert worden sein muß288. An
diesem Beispiel läßt sich am klarsten und einfachsten
die Methode aufzeigen, mit der die Keramikfor-
schung bei ihren Datierungen vorzugehen hat: Der

Zug des Pinarius Clemens um 73—74, der epigra-
phisch belegt ist, findet in Rottweil seinen Nieder-
schlag in Sigillaten der gleichen Art wie in Pom-
peji289. Mit der durch Julius Agricola 80—81 erfolg-
ten ersten Besetzung Schottlands kommen — deutlich
erkennbar — meist schon etwas jüngere Produkte in
den Boden, die im wesentlichen denen aus den Erd-
kastellen und Schanzen am obergermanischen Limes
bald nach dem Chattenkrieg (83—85) entsprechen,
dessen Zeitansatz ebenfalls wieder in der Hauptsache
literarisch bezeugt ist. Diese Übereinstimmungen sind
mehr, als man gemeinhin der Aussagefähigkeit der
Keramik zutraut. Auch T. D. Pryce und E. Birley
haben schon darauf hingewiesen und gerade dabei
klargemacht, daß man bei der Terra sigillata mit
keinen »Verzögerungsfaktoren« rechnen darf290:
»There can be no question of Scotland having re-
ceived typologically earlier or later material than
was being sent at the same time to sites nearer to
La Graufesenque: the same or similar types occur,
during identical periods, on sites near the heart of
the Empire and on its outskirts alike.«
Der Gedanke an solche Verzögerungen mag für
die vorrömische Zeit eine gewisse Berechtigung ha-
ben, in einer vergleichsweise modernen Welt wie der
römischen, in der unter anderem Umschlagplätze im
südlichen Indien angelegt wurden und der Handel
des Weltreichs bis in den fernen Orient reichte, hat
er keinen Raum291.
Außer literarischen und epigraphischen Daten sind
schließlich noch Termini durch Münzreihen gegeben,
und wir werden stets für neue Anhaltspunkte dank-
bar sein, wie sie uns K. Kraft im Falle von Vindo-
nissa, Oberhausen und Haltern292 293 oder P. R. Franke
beim Erdkastell der Saalburg gegeben haben29 ’. Man

285 Vgl. u. a. G. Wolff, Germania 13, 1929, 113 ff.; E. Rit-
terling, RE. XII 1806 ff. u. CIL. XIII, 6 S. VII f.
286 F. Oswald und T. D. Pryce, An Introduction to the
Study of Terra Sigillata (1920) 2.
287 J. A. Stanfield und G. Simpson, Central Gaulish Potters
(1958) XLIIff.
288 Vgl. Anm. 221 und für die Datierung der gesamten
Töpferei von La Graufesenque die wichtige Arbeit von A. Oxe,
Bonner Jahrb. 140/141, 1936, 325 ff.
280 R. Knorr, Württembg. Vergangenheit (1932). Vgl. Anm.
227.
290 Journal of Rom. Stud. 25, 1935, 61 und 68 f.
201 U. Kahrstedt, Kulturgesch. d. röm. Kaiserzeit (1944)
224 ff.; R. E. M. Wheeler, Rome beyond the Imperial Fron-
tiers (1955) 115 ff.
292 Jahrb. f. Numismatik und Geldgesch. 2, 1950/51, 21 ff.;
7, 1956, 55 ff.; Bonner Jahrb. 155/156, 1955/56, 95 ff. Dazu
jetzt G. Ulbert, Die röm. Keramik aus dem Legionslager
Augsburg-Oberhausen. Materialhefte z. Bayer. Vorgesch. 14
(1960).
293 Siehe oben S. 80 f.

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