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werden.
Für den Osten der Provinz zeigt die bisher pu-
blizierte Karte der Verbreitung der Fundmünzen,
daß es nordöstlich einer Linie vom Kastell über-
stimm bis zur Salzachmündung (vgl. Abb. 21) mit
einer Ausnahme keine vorflavischen Prägungen
gibt310. Dem entsprechen völlig die Befunde in den
Kastellen an der Donau, die zwischen Oberstimm311
und Linz erst in flavischer Zeit beginnen312. Welche
dieser Garnisonen dabei in vespasianischer Zeit und
welche erst unter Domitian errichtet wurden, wird
man erst dann gut überblicken, wenn besonders alle
Sigillaten veröffentlicht sind und man sie miteinan-
der vergleichen kann. Erforderlich ist vor allem die
Bearbeitung des Materials von Regensburg-Kumpf-
mühl. Das von Straubing wurde jüngst in der noch
ungedruckten Dissertation von N. Walke behandelt.
Für Steinkirchen wäre nicht nur die Vorlage der bis-
her gefundenen und zum Teil zerstreuten Sigillaten
notwendig, sondern auch eine Untersuchung des noch
verbliebenen Kastellrestes. Die für den Beginn des
Kastells in Künzing entscheidende südgallische Sigil-
lata habe ich publiziert, soweit sie für mich erreichbar
war313. Trotz der außerordentlich spärlichen Funde
in Passau ist die Möglichkeit nicht ganz von der
Hand zu weisen, daß dem im Gelände noch nicht
aufgefundenen Kastell der 9. Bataverkohorte, das
wahrscheinlich kurz vor 150 errichtet wurde, schon
ein kleines älteres Lager vorausging314.
Auf dem Gebiet der Provinz Noricum ist das Ka-
stell Boiodurum in Passau-Innstadt nach Ausweis
der bislang bekannten Terra sigillata noch nicht in
vespasianischer Zeit erbaut worden. Nicht ganz klar
scheint der Beginn der Kastelle in Schlögen315 und
Eferding316 zu sein, wobei allerdings nach den seit-
herigen Angaben nur für Eferding mit einer vorfla-
vischen Besetzung zu rechnen wäre. Man würde je-
denfalls unseren oberösterreichischen Kollegen L.
Eckhart und P. Karnitsch großen Dank schulden,
wenn es ihnen gelänge, im Laufe der nächsten Zeit
alles von diesen beiden Orten bekannte frühe Sigil-
latamaterial zusammenzutragen und vorzulegen.
Erst in Lentia-Linz hat Karnitsch ein Erdkastell
festgestellt, das er in tiberisch-claudische Zeit datie-
ren kann317, und auf dem Ziegelfeld in Enns deckte
er ein weiteres Erdkastell aus claudischer Zeit auf318.
Da weiter stromabwärts die Donau ebenso wie der
Rhein in der Provinz 'Niedergermanien schon viel
eher von stationären Truppen besetzt wurde, näm-
lich unter Tiberius310, hatte ich daä Fehlen einer frü-
hen Kastellreihe zwischen Oberstimm und Linz sei-
nerzeit damit zu erklären versucht, daß hier längs

des Stromes der Bayerische Wald und der Böhmer-
wald einen undurchdringlichen Riegel bildeten, der
selbst im Mittelalter nur mit Hilfe von schmalen
Saumpfaden geöffnet wurde320. Die schwerpunktmä-
ßige Lage der älteren Kastelle in Linz und Enns so-
wie die der späteren Legionslager in Albing und
Lauriacum-Lorch wäre so zu verstehen, daß diese
Garnisonen zugleich den ins Böhmische führenden
Freistädter oder Linzer Steig zu sperren hatten321.
Ergänzend wäre nach G. Ulbert im Westteil der Pro-
vinz Rätien der Schwerpunkt zwischen Iller und
Lech damit zu erklären, daß die Sicherung des Alpen-
vorlandes von Südwesten her geschah322. Erst in fla-
vischer Zeit überschritt man in diesem Provinzteil
die Donau — auch wenn vielleicht einige Brücken-
köpfe schon früher gebildet worden waren — und
schloß die Lücke zwischen Oberstimm und Linz durch
neu angelegte Kastelle. Es zeigt sich also an der Do-
nau unter Domitian ein ganz anderes Prinzip als im
Wetteraubogen, nämlich ein rein lineares, das dort
erst rund 30 Jahre später voll ausgebildet wird.
Man wird dabei für die Jahre vorher nicht außer
acht lassen dürfen, daß doch vielleicht hie und da im
Hinterland einzelne, wenn auch nur vorübergehend
benutzte Stützpunkte vorhanden waren. Sichere Hin-
weise darauf gibt es, soweit ich sehe, noch nicht. Wohl
aber können wir mit größerer Sicherheit heute schon
die Vermutung wagen, daß die Römer nicht alle Mi-
litärstationen auf der fraglichen Strecke genau zur
selben Zeit erbauten. So wurden seit 1956 südlich des

310 Vgl. Anm. 300.
3U G. Ulbert, Germania 35, 1957, 318 ff. Zu den Funden
vom Frauenberg bei Weltenburg vgl. ebd.
312 H. Schönberger, Saalburg-Jahrb. 15, 1956, 75 ff. Dort
auch die Literaturhinweise zu den im folgenden genannten
Kastellen.
313 Bayer. Vorgeschichtsbl. 24, 1959, 136 ff.
314 Damit hat schon P. Reinecke, Germania 14, 1930, 200
Anm. 4 gerechnet. Vgl. jetzt A. Radnöti, Germania 39, 1961,
93 ff. mit Anm. 50 und 131. W. Schleiermacher hat in: Neue
Ausgrabungen in Deutschland (1958) 312 darauf hingewiesen,
daß die Doppelbesetzung der Innmündung von Rätien und
von Noricum her nach Not. dign. occ. 34, 44 und 35, 24 auch
noch in der spätrömischen Zeit bestand.
315 Letzter Bericht über die neueren Grabungen von L. Eck-
hart in Pro Austria Romana 10, 1960, 26.
316 Auch L. Eckhart unterstützt auf Grund seiner neuen
Untersuchungen meine im Saalburg-Jahrb. 15, 1956, 76 ge-
äußerte Vermutung, daß E. Nowotny seinerzeit das Lagerareal
zu groß annahm: Pro Austria Romana 10, 1960, 28.
317 Vorberichte: Pro Austria Romana 4, 1954, 38 f.; 8, 1958,
10 E; 9, 1959, 16 f. und 25 f.; 11, 1961, 1 f.
318 P. Karnitsch, Forschungen in Lauriacum 2 (1954) 107 ff.
319 Vgl; Anm. 265.
' 320 .Vgl. Anm. 312.
321 In diesem Sinne auch R. Noll, RLiö. 21, 1958, bes. 110
mit weiterer Literatur.
322 Vgl. Anm. 302.

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