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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1907-1908

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Muthesius, H.: Das Problem der neuzeitlichen Organisation des Kunstgewerbes
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https://doi.org/10.11588/diglit.7713#0041
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Das Problem der neuzeitlichen Organisation des Kunstgewerbes.

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trat Schmidt in dauernde Verbindung mit der Weberei des Dr. Emmrich in
Zschopenthal, welche nach künstlerischen Entwürfen Leinenstoffe in bester
Art in Handweberei herstellt. 1905 wurde an bevorzugter Stelle in Dresden
eine Verkaufsstelle mit fünf Schaufenstern eröffnet, außerdem 1906 in Hamburg
ein Export-Musterlager. Die Eröffnung von weiteren Verkaufsstellen in Berlin,
München, Breslau, Kiel, sowie Vertretungen in Düsseldorf, Danzig, Leipzig,
Kassel, Göttingen, Bremen sind in Aussicht genommen. Neuerdings ist eine
Fusion mit den Münchner Werkstätten für Wohnungseinrichtung herbeigeführt
worden, die eine Verkaufsstelle in München unterhalten.

Der Grundgedanke der Organisation der Dresdner Werkstätten war von
Anfang an der, in Gemeinschaft mit Künstlern zu arbeiten. Er wurde vom
ersten Augenblick an in voller Berücksichtigung von deren Interessen durch-
geführt, wobei jedoch die Künstler keineswegs in einer monopolisierenden
Weise an das Unternehmen gefesselt wurden. Die entwurfliche Arbeit leisteten
Künstler, der Produktions- und Handelsbetrieb blieb aber ausschließlich in
den Händen des Unternehmens, dessen kaufmännisch und gewerblich geschulte
Leitung die Gewähr für die gesunde Entwicklung zu übernehmen hatte. Der
Leiter des Unternehmens ging stets von dem Grundsatz aus, daß es die Auf-
gabe der Gegenwart sein müsse, die gewerblichen Erzeugnisse auf dem Boden
der heutigen Produktionsbedingungen auf dieselbe oder eine noch größere
Höhe zu heben, als die alten Handwerkserzeugnisse sie zur Zeit der rein
handwerklichen Produktion einnahmen, und daß die einzige Möglichkeit dafür
im Großbetrieb liege, der allein konkurrenzfähig sei. Er dürfe jedoch nicht
darauf ausgehen, andere Unternehmungen durch Preisverbilligung zu unter-
bieten, sondern müsse seine Aufgabe vielmehr darin sehen, durch Heran-
ziehung der besten intellektuellen Kräfte der Zeit seine Leistungen auf die
höchste Höhe zu heben.

Das Verhältnis der Werkstätten zu den Künstlern ist das der freien Mit-
arbeit der Künstler gegen Gewinnbeteiligung. Die Gewinnbeteiligung ist je
nach dem Gegenstande verschieden. Ein nur einmal gefertigter Gegenstand
erfordert einen höheren Prozentsatz als einer, der häufig verkauft wird. Die
Künstler erhalten bei handgearbeiteten Möbeln sieben Prozent, bei Massen-
möbeln zwei Prozent des Verkaufspreises. Das Original des Entwurfs bleibt
Eigentum des Künstlers, das Ausführungsrecht gehört der Firma. Es ist jedoch
jederzeit beiden Teilen möglich, ein eingegangenes Verhältnis zu lösen oder
zu ändern. Die nach Künstlerentwürfen gefertigten Erzeugnisse werden stets
unter dem Namen der Künstler vertrieben. Dieser einfache Grundsatz der
Beteiligung der Künstler hat sich bisher in allen Fällen bewährt. Jede andere
Form der Verbindung mit Künstlern würde für den Hersteller die Produktion
wesentlich verteuern. Der Ankauf der Entwürfe gegen eine einmalige Ver-
gütung wäre für ihn bedeutend kostspieliger. Er läge aber auch nicht im
Interesse des Künstlers, der zwar eine einmalige höhere Entschädigung erhielte,
dafür aber die fortlaufenden Einkünfte aus dem Massenvertrieb nicht hätte.
Zum Ankauf von Entwürfen gegen eine verhältnismäßig hohe Summe würde
sich der Produzent nur sehr schwer entschließen, er würde mit größerer Vor-
sicht verfahren und daher nur wenige Entwürfe kaufen. Der Künstler würde
also nur einen geringen Teil seiner Arbeit ausgeführt sehen. Für seine Ent-
wicklung ist es aber nötig, möglichst viele Entwürfe ausgeführt zu sehen, denn
 
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