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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins — 1907-1908

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Scherer, Christian: Schwäbische Elfenbeinschnitzer und ihre Werke
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https://doi.org/10.11588/diglit.7713#0131
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Mitteilungen des Württembergischen Kunstgewerbevereins.

siert erscheinen, was meines Wissens anderswo bisher noch nicht nach-
gewiesen ist.

Freilich arbeitete man zunächst fast ausschließlich in Bein, d. h. in Knochen,
um erst später wie es scheint zu Ende des 16. Jahrhunderts zum
Elfenbein überzugehen. Altärchen, Kapellchen, Kruzifixe, Nähkästchen usw.
wurden mit großer Feinheit dort angefertigt, ferner aber auch, wahrscheinlich
durch Nürnberg und ähnliche Arbeiten des dortigen Meisters Leop. Pronner
angeregt, allerlei sogenannte mikrotechnische Kunstwerkchen oder, richtiger
gesagt, Kunststückchen, die die Geduld und Geschicklichkeit ihrer Urheber
auf die härteste Probe stellten, dafür aber auch die staunende Bewunderung
von Mit- und Nachwelt ernteten. Eine Preisliste aus den achtziger Jahren
des 18. Jahrhunderts* führt 150 verschiedene Gegenstände auf; zugleich er-
fahren wir, daß damals 36 Meister dort tätig waren, darunter als die berühm-
testen die Drechsler Michael Knoll, sowie dessen Vater Wilh. Beuoni Knoll
(f 1764), der Schöpfer eines, die Leidensgeschichte Jesu darstellenden großen
Elfenbeinwerkes, das nach längeren Wanderungen zu hohem Preise nach Eng-
land verkauft sein soll.

Von Geislingen scheint sich die Elfenbeinschnitzerei und -Drechslerei im
Laufe der Zeit auch nach anderen Städten Schwabens verpflanzt zu haben.
So zunächst nach Stuttgart, wo uns im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts
ein Kunstdrechsler in Elfenbein begegnet, nämlich Georg Burrer. Die Litera-
tur zwar kennt ihn nicht; doch findet sich an einem, im Wiener Hofmuseum
aufbewahrten zwölfpassichten Pokal, dessen Deckel von einem durchbrochenen
Polygon mit Stachelkuppel bekrönt wird, unter dem Fuße die Bezeichnung:
,,Georg Burrer, Beindreer zu Stutgard 1616". Der Künstler war also ein
Zeitgenosse der Nürnberger Meister Peter und Lorenz Zick, der beiden Haupt-
vertreter für diese Gattung von Arbeiten, in deren Art er, wie uns dieser Pokal
zeigt, mit großer Geschicklichkeit arbeitete. Auch ein zweites Werk seiner
Hand, das sich ebenfalls in Wien befindet und von ihm zusammen mit dem
Uhrmacher Georg Ernst 1626 angefertigt wurde, nämlich eine Galeere, die
mittels eines Uhrwerks auf Rädern fortbewegt werden konnte, bekundet eine
gewisse Beeinflussung durch ähnliche Arbeiten Lorenz Zicks. Burrer scheint
daher, ohne auf besondere Eigenart Anspruch zu machen, zu jener großen
Schar von Künstlern gehört zu haben, die als Nachahmer jener berühmten
Nürnberger Familie überall mit größerem oder geringerem Erfolge tätig waren.

Ein weiterer Sitz war ferner in Ulm, wo nach Sandrarts** Angabe David
Heschler in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Kunst der Elfenbein-
schnitzerei ausübte.

Geboren als Sohn des Memminger Bildhauers Siegmund Heschler und von
diesem in die Kunst eingeführt, war er später in Ulm nicht nur als Bild-
hauer, sondern, wie es scheint, auch als Maler tätig; doch steht über seine
doppelte künstlerische Tätigkeit nur wenig Sicheres fest. Als Bildhauer soll
er kleine Figuren in Holz und Elfenbein sauber und fein gearbeitet haben,
.,um deswillen er von den Kunstliebenden annoch geliebet und geehret wird".
Da jedoch bis jetzt noch kein sicheres Werk von ihm bekannt geworden ist,

* Mitgeteilt von F. Nicolai, Beschreibung einer Reise durch Deutschland im Jahre 1781. Band 9,
Seite 100 ff.

** Teutsche Akademie I, p. 353.
 
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