148
W. Roheit
gang zur nassauischen Herrschaft und der Kriegszeit bis etwa 1816, die
nassauische Periode von 1816 bis 1830 und die Periode der ruhigen Weiter-
entwicklung bis 1848 mit der Episode von 1848 und 1849.
I. Schwanheim zur Mainzer Zeit (um 1800).
Am Beginn des vorigen Jahrhunderts liegt das Dörfchen Schwanheim noch
unberührt von der neuen Zeit ziemlich in demselben Zustand wie seit Jahr-
hunderten auf dem fast ganz hochwasserfreien Raum zwischen dem Main und dem
Sumpfwald. Die mainzische Regierung, vertreten durch das Amt in Höchst, hat
sich nicht unnötig in seine Verhältnisse eingemischt und unter dem Krummstab
war ja gut wohnen. Es hat den Wald bis zur Bischofsstrasse, den ihm die
Frankenkönige vor dreizehn Jahrhunderten zugewiesen, durch alle Völkerstürme als
freies Eigentum behauptet und die Bauern sind freie Männer geblieben. Die
Lücken, welche der dreissigjährige Krieg in die Bevölkerung gerissen, sind
lange ausgeheilt. Nach der Rechnung wohnten im Jahre 1800 in dem Dörfchen
88 Ehepaare, 4 Wittiber, 15 Wittweiber, 5 Waisen, also, da wohl nicht alle
Wittweibei eigene Haushaltungen geführt haben werden, rund hundert Familien.
Die Seelenzahl ist nicht angegeben. Wir finden sie zum erstenmal in der
(nassauischen) Rechnung von 1808: 114 Ehepaare, 10 Wittiber, 50 Wittwen,
5 Waisen und eine Judenfamilie von 4 Köpfen, zusammen 688 Seelen. In 1800
mag die Seelenzahl kaum mehr als 500 betragen haben. Ob die Bewohner
des Wiesenhofes, der beiden „Stinkhütten“ hinter dem Goldstein—die ersten Anfänge
der chemischen Industrie im Maintal — mitgerechnet sind, lässt sich aus den
Rechnungen nicht ersehen. Der Goldstein mit Zubehör war damals noch frank-
furtisch. Beisitzer, d. h. Einwohner, die nicht volles Bürgerrecht hatten und für
das Wohnrecht ein Beisitzergeld von 1 fl. 70 kr. zahlten, werden nicht auf-
geführt, obschon solche sicher vorhanden waren. Der Hirte Johannes Kappes
hat allerdings 1800 drei Gulden für einen Feuereimer bezahlt, also das Bürger-
recht erworben.
Es sind 78 Schulkinder vorhanden, wenigstens wurden soviel Gulden
Schulgeld bezahlt, für jedes Kind ein Gulden. Für hundert Familien ist das
verhältnismässig wenig, besonders da die Schwanheimer immer Kinderfreunde
gewesen sind; wahrscheinlich wurde es mit dem Schulzwang nicht allzu genau
genommen.
Nach der Rechnung lebt das Dorf trotz der vorausgegangenen Kriegs-
jahre in bescheidenem Wohlstand. Vor dem Schlimmsten hat es seine Lage
geschützt: von der einen Seite der Sumpfwald, der nur an wenigen Stellen
passierbar ist, von der anderen Seite der Main. Strassen führen nur in grösserer
Entfernung im Süden vorbei durch den grossen Reichswald Dreieich, in dem
sich Truppen nicht ohne Not wagen, und der Main ist nur mit der Höchster
Fähre zu passieren, die wohl bei gutem Wetter und gewöhnlichem Wasserstand
einen Wagen mit Bespannung übersetzen kann, aber für Truppenübergänge
durchaus nicht geeignet ist. Die Verbindung mit Frankfurt vermittelt ein
schlecht gehaltener, aber doch für die ländlichen Fuhrwerke jederzeit passier-
W. Roheit
gang zur nassauischen Herrschaft und der Kriegszeit bis etwa 1816, die
nassauische Periode von 1816 bis 1830 und die Periode der ruhigen Weiter-
entwicklung bis 1848 mit der Episode von 1848 und 1849.
I. Schwanheim zur Mainzer Zeit (um 1800).
Am Beginn des vorigen Jahrhunderts liegt das Dörfchen Schwanheim noch
unberührt von der neuen Zeit ziemlich in demselben Zustand wie seit Jahr-
hunderten auf dem fast ganz hochwasserfreien Raum zwischen dem Main und dem
Sumpfwald. Die mainzische Regierung, vertreten durch das Amt in Höchst, hat
sich nicht unnötig in seine Verhältnisse eingemischt und unter dem Krummstab
war ja gut wohnen. Es hat den Wald bis zur Bischofsstrasse, den ihm die
Frankenkönige vor dreizehn Jahrhunderten zugewiesen, durch alle Völkerstürme als
freies Eigentum behauptet und die Bauern sind freie Männer geblieben. Die
Lücken, welche der dreissigjährige Krieg in die Bevölkerung gerissen, sind
lange ausgeheilt. Nach der Rechnung wohnten im Jahre 1800 in dem Dörfchen
88 Ehepaare, 4 Wittiber, 15 Wittweiber, 5 Waisen, also, da wohl nicht alle
Wittweibei eigene Haushaltungen geführt haben werden, rund hundert Familien.
Die Seelenzahl ist nicht angegeben. Wir finden sie zum erstenmal in der
(nassauischen) Rechnung von 1808: 114 Ehepaare, 10 Wittiber, 50 Wittwen,
5 Waisen und eine Judenfamilie von 4 Köpfen, zusammen 688 Seelen. In 1800
mag die Seelenzahl kaum mehr als 500 betragen haben. Ob die Bewohner
des Wiesenhofes, der beiden „Stinkhütten“ hinter dem Goldstein—die ersten Anfänge
der chemischen Industrie im Maintal — mitgerechnet sind, lässt sich aus den
Rechnungen nicht ersehen. Der Goldstein mit Zubehör war damals noch frank-
furtisch. Beisitzer, d. h. Einwohner, die nicht volles Bürgerrecht hatten und für
das Wohnrecht ein Beisitzergeld von 1 fl. 70 kr. zahlten, werden nicht auf-
geführt, obschon solche sicher vorhanden waren. Der Hirte Johannes Kappes
hat allerdings 1800 drei Gulden für einen Feuereimer bezahlt, also das Bürger-
recht erworben.
Es sind 78 Schulkinder vorhanden, wenigstens wurden soviel Gulden
Schulgeld bezahlt, für jedes Kind ein Gulden. Für hundert Familien ist das
verhältnismässig wenig, besonders da die Schwanheimer immer Kinderfreunde
gewesen sind; wahrscheinlich wurde es mit dem Schulzwang nicht allzu genau
genommen.
Nach der Rechnung lebt das Dorf trotz der vorausgegangenen Kriegs-
jahre in bescheidenem Wohlstand. Vor dem Schlimmsten hat es seine Lage
geschützt: von der einen Seite der Sumpfwald, der nur an wenigen Stellen
passierbar ist, von der anderen Seite der Main. Strassen führen nur in grösserer
Entfernung im Süden vorbei durch den grossen Reichswald Dreieich, in dem
sich Truppen nicht ohne Not wagen, und der Main ist nur mit der Höchster
Fähre zu passieren, die wohl bei gutem Wetter und gewöhnlichem Wasserstand
einen Wagen mit Bespannung übersetzen kann, aber für Truppenübergänge
durchaus nicht geeignet ist. Die Verbindung mit Frankfurt vermittelt ein
schlecht gehaltener, aber doch für die ländlichen Fuhrwerke jederzeit passier-