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Spätmittelalterliche Buchmalereien am Oberlauf des Rheins
Grundton deckende gelbe Striche, die es häufig recht struppig erscheinen lassen. Bei gestikulierenden Händen
ist gewöhnlich nur der Zeigefinger ausgestreckt und dann übermäßig lang (Abb. 11 und 12).
Figuren und Architekturen erscheinen in ihrer Gesamtheit meistens flächengebunden. Dazu kontrastieren
viele Gesichtsbildungen, die durch ihre aufgesetzten Lichter plastisch wirken, und deren Ausdruckskraft bei
dem kleinen Format des Initialbildes überraschend ist. Dazu kontrastiert auch die Bildung der Bodenstücke,
die hinten stets dunkler sind als vorn und so durch die Hintergrundswand beschattet erscheinen. Auffällig
sind einige Landschaftsbildungen (vor allem fol. 235", fol. 252"). Sie behandelt schon Brandt19 und er stellt
die Frage: ,,Treten in dieser Zeit noch keine Nachahmungen der außerordentlichen Genrebilder von fran-
zösischen und niederländischen Kalendarien auf?" An der Ausstattung des ,,Boner" wurde deutlich, wie weit
sogar eine solche Nachahmung gehen kann. Sicher ist die Behandlung des Himmels mit seinem, nach dem
Horizont zu immer heller werdenden Blau und den zarten Wolkengebilden auf westliche Anregungen zurück-
zuführen; ebenso auch die Art der Ranken. Mehr läßt sich jedoch wegen der geringen Qualität des Hand-
schriftenschmuckes über solche Einflüsse nicht aussagen.
Wichtig ist aber die farbige Gestaltung. Denn hier findet sich, im Gegensatz zum ,,Boner", wieder das
leuchtende, aber doch sorgsam abgestimmte Kolorit, das die Urbar-Bilder auszeichnet und das auch für die
Kolmarer Handschrift der 24 Alten kennzeichnend ist. Zwar bestimmt es nicht den Bildaufbau, wohl aber
den Bildeindruck. Es beginnt schon mit der großen Schöpfungsinitiale (cod. Aug. XXVII; fol. 6). In dem
Rund, das die Scheidung von Wasser, Himmel und Erde darstellt, stehen auf der Erdkugel vor dem sich
immer mehr aufhellenden Himmel einige Bäumchen in zartem Grün. Das Firmament ist blutig rot, das Wasser
vorn bläulich mit weißen Schaumkronen. Die anderen Schöpfungsbildchen sehen ähnlich aus. — Jedes der
weiteren Initialbilder leuchtet in den verschiedensten Farbenzusammenstellungen. Sorgfältig sind sie auf den
Ton des Hintergrundes abgestimmt, aber nie sind irgendwelche Zwischentöne verwendet. Prächtig wirkt die
Tobiasinitiale (cod. Aug. XXVII; fol. 278"). Vor blauem Grunde wandern Tobias und der Engel auf rotem
Felsboden, der nach hinten zu schwarz wird. Den Kragen des Engels schmückt das gleiche Rot, auch seine
Flügel zeigen cs, aber zusammen mit hellem Gelb und dunklerem Grau; dies findet sich wieder mit Violett
vermischt in seinem Gewand. Tobias ist ganz rot gekleidet, seine Hosen sind weiß, Hut und Kragen tief-
schwarz. Die gleichen Farben finden sich an den beiden Knospen der Ranke (Abb. 11).
Wenn man mit diesen Initialbildern die einiger anderer Spenlin-Handschriften in Karlsruhe vergleicht,
ergibt es sich ohne weiteres, daß diese ihren Schmuck vom gleichen Maler erhalten haben. Es sind die drei
Bände einer Abschrift der Postille des N. v. Lyra (Karlsruhe, cod. Aug. 79, 81, 82), die 1435 datiert
sind, und außerdem zwei Bände mit Schriften des Thomas von Aquino (Karlsruhe, cod. Aug. 87 und 111).
In jedem von ihnen ist nur eine einzige Initiale ausgeführt, am besten ist die große Susannadarstellung (fol. 1
in cod. Aug. 79). Ikonographisch interessant ist der Evangelist Johannes (fol. 1 in cod. Aug. 81), der den
Kopf seines Symbols als Haupt hat. Wenn wir diesen und den seine Sprüche diktierenden König Salomo aus
der lateinischen Bibel (cod. Aug. XXVII, fol. 318) nebeneinander sehen, ist nicht daran zu zweifeln, daß beide
vom gleichen Maler sind.
In die Nähe gehört auch das sogenannte „T r o ß's c h e F rag m ent" (Berliner Staatsbiblio-
thek Ms. germ. 4° 519)5", dessen einziges Bild den Schenken von Limpurge darstellt. Offenbar hat es ein
19 Brandt, 1912, S. 1-16 ff, Abb. 29 und 30. 511 Degering, 1927; Wegener, 1928, S. 22 f.

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