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Nacht rage zu Baldung-
Von Walter H u g e 1 s h o f e r
Die großen Besitzverschiebungen der Nachkriegsjahre, in denen wir noch mitten drinstehen, haben
Werke deutscher Kunst in erstaunlichem, kaum zu erwartenden Umfang ans Licht gefördert und damit der
Forschung einen starken Impuls gegeben, ja sie eigentlich auf einen neuen Boden gestellt. Eine ganze Reihe
z. T. hervorragender Künstler sind überraschend in unseren Gesichtskreis getreten, das Werk anderer,
bekannter, hat sich oft beträchtlich gemehrt. Unsere Anschauung von Umfang und Gestalt der deutschen
Kunst hat sich vertieft und erweitert. Aber die Zeit der Entdeckungen und Funde scheint zu Ende zu gehen.
Die verborgenen Quellen beginnen zu versiegen und der Zeitpunkt scheint nahe zu sein, wo wir annähernd
den ganzen erhaltenen Bestand an Kunstwerken zu überblicken vermögen. Damit erst wird die Möglichkeit
einer wirklich gerechten und zureichenden Geschichte der deutschen Kunst und ihrer einzelnen Meister
gegeben und erhebt sich die Forderung nach Verarbeitung, Sichtung und Ordnung des zu Tage geför-
derten Materials.
Es ist die Absicht, im Folgenden zusammenzutragen, was uns seit den letzten Arbeiten an Gemälden
von Hans Baldung Grien bekannt wurde, sei es, daß sie bisher noch völlig unbeachtet blieben, sei es auch
nur, daß sie hier erstmals abgebildet werden können. Es wurden ferner auch einige Werke herangezogen, die,
an abgelegenen oder nicht zu erwartenden Stellen veröffentlicht, der spezielleren Forschung zu entgehen
drohen. Ein Organ wie dieses, das sich sinnvoll und nachahmenswert regional beschränkt, darf wohl den
engeren Kreis der Interessenten auf jene Arbeiten nachdrücklich aufmerksam machen, die in seinen besonderen
Aufgabenkreis fallen.
Baldung war ein fruchtbarer, leicht und schnell schaffender Künstler, dem der Erfolg die Wege
ebnete. Es ist erstaunlich, wieviel sich von ihm erhalten hat. Besonders, wenn man bedenkt, was alles gerade
im Elsaß in den Reformations- und Revolutionswirren verloren ging. Vielleicht darf man in dieser Aus-
zeichnung ein Kunsturteil der Nachwelt erblicken, die diese Arbeiten besonders zu schätzen wußte, auch wenn
der Name ihres Urhebers im Lauf der Jahrhunderte verblaßte und ganz verloren ging. Es ist merkwürdig,
wie oft es auf dem Gebiet der Kunstgeschichte nach dem biblischen Spruche zugeht „Wer hat, dem wird
gegeben". Während es eine Reihe bedeutender Künstler gibt, deren kleines erhaltenes oeuvre von dem er-
giebigen Zuwachs der letzten zwölf Jahre wenig profitierte, wurde von anderen mit bereits stattlichem Werk-
katalog immer wieder Neues zu unserer Kenntnis gebracht. Baldungs Auffassung und Vortrag sind eigenartig
und bestimmt, so daß er sich klar von seinen Zeitgenossen abhebt. Man darf darum annehmen, dem kritischeren
Abschnitt der Kunstgeschichte, dem wir nun entgegengehen dürften, würde es nur selten gelingen, bisher aner-
kannte Werke des Meisters abzuspalten und als Leistungen anderer hinzustellen.
Am größten noch ist die Unsicherheit über seine Anfänge. Hier zuerst werden noch neue Resultate
zu erwarten sein. Nur langsam entfernen wir uns von den irreführenden Ansichten, welche die entscheidenden
Jahre um 1500 umlagern. Vielleicht sähen wir lange schon klarer, wenn mehr Einblick in die elsässische und

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