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Der Meister des Hausbuches
Von Johannes Dürkop
I. Die Aufgabe
Der Meister des Hausbuches übertrifft an Fruchtbarkeit und vielseitiger Begabung jeden anderen
deutschen Maler des 15. Jahrhunderts bei weitem. 20 Tafelbilder, 90 Stiche und 15 Einzelzeichnungen umfaßt
sein Werk, soweit es erhalten ist, dazu 354 Holzschnitte in 6 verschiedenen Büchern und gegen 300 Feder-
zeichnungen in drei illustrierten Handschriften, ganz abgesehen von den zerstreuten Glasgemälden, die auf
seinen Entwurf zurückgehen. Entsprechend zahlreich, ja fast unübersehbar ist die einschlägige Literatur.
Seitdem 1834 Duchesne die Stiche einem „maitre hollandais de 1480" zuwies und Harzen dieselben 1860 mit
dem Hausbuche unter dem Namen „Zeitblom" zusammenbrachte, hat die Forschung unermüdlich an der Fest-
legung, Abgrenzung und Eingliederung der einzelnen Werke gearbeitet. 1912 konnte Storck die Ergebnisse
dieser Detailforschung in der Einleitung zur Faksimileausgabe des Hausbuches erstmalig zusammenfassen.
Obwohl mit der Zeit eine Fülle von Einzeltatsachen zusammengetragen waren, ergab sich kein befrie-
digendes Gesamtbild. Bis heute herrschen über die Tätigkeit des Hausbuchmeisters die widersprechendsten
Ansichten. Soviel ist sicher, daß nur noch eine Gesamtdarstellung aller erreichbaren Werke zu neuen
Gesichtspunkten und endgültiger Klärung führen kann. Nur für den, der alles zugleich sieht, stützt sich
das Echte gegenseitig, während Irrtümliches von allen Seiten bloßgestellt wird. In der Sichtung, Ordnung
und Deutung des Materials liegen die drei Aufgaben beschlossen, die an jedem Punkte der Untersuchung
gleichzeitig anzugreifen sind, da sie sich gegenseitig den Boden bereiten. Mit Hilfe von zeitlichen Anhalts-
punkten, die trotz der Anonymität des Künstlers zahlreich gegeben sind, läßt sich die Entwicklung des
Meisters lückenlos verfolgen und in jedem ihrer Abschnitte dank der Fülle des erhaltenen Materials vielfach
belegen. Das in seinem Bestände gereinigte und in seiner Entwicklung geklärte Werk wird die Persönlichkeit
des Künstlers schärfer beleuchten und um neue Züge bereichern.
Nicht berücksichtigt wurde die Stellung des Hausbuchmeisters innerhalb der altdeutschen Malerei,
da sie nur in einer Gesamtübersicht dieser Epoche festgelegt werden kann. Lediglich die Herkunft seiner
Kunst und ihre unmittelbare, mehr breite als gehaltvolle Nachfolgerschaft bedurften der Klärung1.
1 Die Literaturangaben sind fast durchweg in die Anmerkungen verwiesen. Ein chronologisches Verzeichnis der
gesamten Hausbuchmeister-Literatur bis 1912 findet sich in der Hausbuchpublikation von Bossert und Storck (Leipzig 1912,
Jahresgabe des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft), wo auch jede Nummer mit einer kurzen Würdigung versehen ist.
Es existiert außerdem eine neuere Gesamtwürdigung der Tätigkeit des Hausbuchmeisters durch Faber du Faur (Diss. Gießen
1921), die, obgleich flott geschrieben, weder im ganzen noch im einzelnen unsere Kenntnisse über das von Storck Erreichte
hinausführt.
Die Schwierigkeit der Hausbuchmeisterfrage hätte es wünschenswert gemacht, hier alle Werke des Künstlers abzu-
bilden, soweit sie für die Entwicklung seiner Persönlichkeit von Bedeutung sind. Das wurde aber durch die Not der Zeit
verhindert. Mit der verfügbaren Zahl von Abbildungen konnte unmöglich die ganze Tätigkeit des Hausbuchmeisters und
seiner Nachfolger illustriert werden. So wurde von den beiden Hauptaufgaben dieser Arbeit, einerseits den Werdegang des
jungen Künstlers zu erschließen und andererseits den gereiften von einem unschöpferischen Nachahmer abzutrennen, nur

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