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Der Freskenzyklus des Breisacher Münsters
Von Josef Sauer
Im Laufe des letzten Sommers (1931) wurde im Verfolg der seit einigen Jahren zur Ausführung
kommenden Instandsetzungsarbeiten am und im Münster zu Breisach die vor rund 100 Jahren eingebaute neu-
gotische Orgelempore entfernt, um durch eine neue ersetzt zu werden. Bestimmend für diese Maßnahme war
neben anderen Gründen praktischer Art vor allem auch der Wunsch, die im Westteil des Innern zum Teil
schon bisher sichtbaren Wandmalereien vollends freizulegen, konservieren und der Besichtigung völlig und
für die Dauer zugänglich machen zu lassen. Schon vor dem Krieg bestand die Absicht einer vorsichtigen Frei-
legung; zu einer Entfernung oder auch nur Abänderung der Orgelempore, durch die die Malereien der
Rückwand hätten genügend sichtbar werden können, war der damalige Münsterpfarrer und nach seiner Aussage
auch die Gemeinde nicht zu bringen. So blieb der Plan bis zum letzten Jahr unausgeführt. Mein Vorschlag,
die Orgel an eine andere Stelle des Münsters, etwa ins Querschiff zu verlegen, fand leider kein Gehör. Erst
nach Abbruch der alten Empore konnte man sich überzeugen, welch unvergleichlicher Gewinn für die Raum-
wirkung hätte erzielt werden können, wenn dieses mächtig und weit aufstrebende Westjoch dauernd hätte
freigehalten werden können von jedem Einbau, und später, nach völliger Freilegung der Malereien, wird wohl
auch in Breisach das Bedauern aufgestiegen sein, daß man dieses einzigartige Meisterwerk nicht in ungehemm-
ten Akkorden ins Kircheninnere hat einströmen lassen und die einheitliche Geschlossenheit des Eindrucks, wie sie
vom Meister mit weisem Bedacht angestrebt war, ihm nicht voll gewahrt hat. Es muß freilich auch zugegeben
werden, daß niemand von vornherein die künstlerische Höhe und Monumentalität dieses Freskenzyklus und
noch weniger seinen durchgängig guten Erhaltungszustand hat voraussehen können; und es muß weiter
anerkannt werden, daß nachträglich meinem Verlangen, die Malereien insgesamt von allem Vorbau des
Orgelwerkes frei zu halten und letzteres an anderer Stelle unterzubringen, ohne weiteres, wenn auch mit dem
Opfer erheblicher Kosten entsprochen wurde.
Die jetzige Freilegung der Fresken darf nicht als überraschende Neuaufdeckung angesehen werden.
Teilweise waren sie schon bisher sichtbar, wenn auch nur schwach und undeutlich unter stehen gebliebenen
Resten von Tünche und vor allem unter einer erheblichen Staubschicht erkennbar. Manches war aber über-
haupt nicht aufgedeckt oder unter dem Emporenanbau völlig versteckt. Offenbar wurde bei den Restaurations-
arbeiten in den späten 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts, die unter dem Eindruck der Aufsehen erregen-
den Aufdeckung der Reichenau-Oberzeller Bilder standen, eine summarische Freilegung vorgenommen, die
man aber nicht vollständig und systematisch durchführte, weil man anscheinend mit dem Ergebnis nicht viel
anzufangen wußte. Was zutage kam, ist nach Aufzeichnungen vom Jahre 1888 in den Kunstdenkmälern
Badens VI. 1, 56 kurz mitgeteilt, richtiger und mit erheblichen Ergänzungen und unter Beigabe einiger
Abbildungen von Dr. Karl Gutmann im Repertorium für Kunstwissenschaft 43 (1922), 62—80; an letzterer
Stelle wurde auch bereits versucht, den Zyklus dem Martin Schongauer zuzuschreiben. Eine weitere Berück-
sichtigung hat das Werk aber bisher nicht gefunden, erklärlich bei dem Zustand, in dem es dem Beschauer
sich darbot.

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