J o li a n n e s D ü r k o p
Glasmaltechnik vertraut gemacht, wie der obere Flügel einer im übrigen verlorenen Vierpaßscheibe beweist
(10 X 13,5 cm; Historisches Museum der Stadt Frankfurt a.M., Abb. bei Schmitz). Er benutzt
dieselbe Technik wie sein Glasmaler: Herrscht hier völlige Übereinstimmung in der Technik, wie der graue,
über die Randlinie reichende Überzug, die Radierung mit der Nadel, der feingerankte Grund und der eisen-
rote Überzug dartun, so ist nach der Feinheit der Stupfmalerei und der geistvollen Radierung in dem wirren,
silbergelb gemalten, grau überzogenen Haar des Jünglings diese Scheibe als eine vom Hausbuchmeister auf
Glas gemalte Arbeit hinzustellen" (Hermann Schmitz, Textbd. S. 111). Das derbe Faltenwerk und der etwas
dümmliche Gesichtsausdruck des Mädchens verbindet die Scheibe mit der Kleodelindenzeichnung, während
der Jüngling eine Wiederholung seines Genossen auf dem unteren Felde der Vierpaßvisierung darstellt. Wieder
ist es ein Pärchen, das sich im Grünen gelagert hat, um Kränze zu flechten. Friedliche Beschaulichkeit liegt
über der Gruppe, die in ihrer Schlichtheit unübertrefflich scheint. Von der Vierpaßvisierung bis zu dem Dres-
dener Paßfelde und der Frankfurter Scheibe ist ein deutlicher, wenn auch nicht sehr großer Fortschritt zu
bemerken, der vielleicht ein Jahr erfüllt. Unbestreitbar bleibt, daß die ganze große Gruppe dieser Kabinett-
scheiben in Thema, Stil und Technik eine unlösbare Einheit bildet.
Gleichzeitig entstehen die ersten Hausbuchzeichnungen, nämlich die Planeten Saturn, Jupiter und
Merkur und von der Venus die Liebeslaube in der linken, unteren Ecke22. Auch hier überschneiden sich zwei
Hügelkulissen derart, daß der Fernblick verwehrt und die Haupthandlung in den Vordergrund gedrängt wird,
wie auch im rechten Felde der Vierpaßvisierung. Verhärtet und porös zugleich wie Kork oder zerfressenes
Holz wirkt Jupiters Mantelbausch, dessen dolchartig scharfe Spitze vollends an die Gewandbildung Kleode-
lindens erinnert. Ebenso charakteristisch für das Stoffgefühl dieser frühesten Zeichnungen des Hausbuches
ist die allgemeine, kritzlige Härte des Striches, die lederne Derbheit der Kleidung, auf dem „Saturn" die
Rauhigkeit des Erdbodens, die Schmierigkeit des ausgeweideten Pferdes und die Stachlichkeit des Baum-
krüppels darüber, der ähnlich schon auf dem oberen Felde der Vierpaßvisierung begegnete, endlich Baum-
kronen wie dürre Reisighaufen auf dem „Jupiter", dem unteren Felde derselben Visierung entsprechend, und
das klappernde Bandelwerk an der Pferdedecke Merkurs. Immer wieder laufen Verbindungslinien zu den
Kabinettscheiben, wie denn die Jungfrau neben Merkur in ihrer hausbackenen Rundlichkeit als eine Zwillings-
schwester Kleodelindens erscheint und Jupiters Kopf dem reitenden Jüngling der Vierpaßvisierung nicht un-
ähnlich sieht. Völlig identisch ist der Narr auf diesem Scheibenriß mit dem Kopfe der feilen Dirne in der
Liebeslaube.
Dargestellt sind die Planeten in entsprechender Kleidung zu Pferde, von je zwei Sternbildern des Tier-
kreises umgeben und illustriert durch das Leben und Treiben ihrer Kinder, der Menschen nämlich, die ihnen
nach Charakter und Beruf wesensverwandt sind. Nichts ist bezeichnender für den Geist dieser Zeichnungen,
als die Auffassung, die der Künstler hier von seinem Berufe hat. Auf dem „Merkur" sieht man einen Maler
an der Staffelei sitzen und eine Heiligentafel vollenden, während sein Liebchen ihm den Arm über die Schulter
legt und angeregt plaudernd zuschaut. Weiter unten hat Meister Bildschnitzer gar einen vollbesetzten Tisch
in der Werkstatt aufgeschlagen, genießt alle Freuden der Tafel mit seiner jungen Frau und läßt auch den
22 Hausbuch p. Ila, 12 a, 15 a u. 16 a. Vgl. zum Gegenständlichen Retberg (Anm. 16). Alle Spezialfragen historischer,
kulturgeschichtlicher und heraldischer Art sind ausführlich in der Hausbuch Publikation von Bossert und Storck
behandelt.
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Glasmaltechnik vertraut gemacht, wie der obere Flügel einer im übrigen verlorenen Vierpaßscheibe beweist
(10 X 13,5 cm; Historisches Museum der Stadt Frankfurt a.M., Abb. bei Schmitz). Er benutzt
dieselbe Technik wie sein Glasmaler: Herrscht hier völlige Übereinstimmung in der Technik, wie der graue,
über die Randlinie reichende Überzug, die Radierung mit der Nadel, der feingerankte Grund und der eisen-
rote Überzug dartun, so ist nach der Feinheit der Stupfmalerei und der geistvollen Radierung in dem wirren,
silbergelb gemalten, grau überzogenen Haar des Jünglings diese Scheibe als eine vom Hausbuchmeister auf
Glas gemalte Arbeit hinzustellen" (Hermann Schmitz, Textbd. S. 111). Das derbe Faltenwerk und der etwas
dümmliche Gesichtsausdruck des Mädchens verbindet die Scheibe mit der Kleodelindenzeichnung, während
der Jüngling eine Wiederholung seines Genossen auf dem unteren Felde der Vierpaßvisierung darstellt. Wieder
ist es ein Pärchen, das sich im Grünen gelagert hat, um Kränze zu flechten. Friedliche Beschaulichkeit liegt
über der Gruppe, die in ihrer Schlichtheit unübertrefflich scheint. Von der Vierpaßvisierung bis zu dem Dres-
dener Paßfelde und der Frankfurter Scheibe ist ein deutlicher, wenn auch nicht sehr großer Fortschritt zu
bemerken, der vielleicht ein Jahr erfüllt. Unbestreitbar bleibt, daß die ganze große Gruppe dieser Kabinett-
scheiben in Thema, Stil und Technik eine unlösbare Einheit bildet.
Gleichzeitig entstehen die ersten Hausbuchzeichnungen, nämlich die Planeten Saturn, Jupiter und
Merkur und von der Venus die Liebeslaube in der linken, unteren Ecke22. Auch hier überschneiden sich zwei
Hügelkulissen derart, daß der Fernblick verwehrt und die Haupthandlung in den Vordergrund gedrängt wird,
wie auch im rechten Felde der Vierpaßvisierung. Verhärtet und porös zugleich wie Kork oder zerfressenes
Holz wirkt Jupiters Mantelbausch, dessen dolchartig scharfe Spitze vollends an die Gewandbildung Kleode-
lindens erinnert. Ebenso charakteristisch für das Stoffgefühl dieser frühesten Zeichnungen des Hausbuches
ist die allgemeine, kritzlige Härte des Striches, die lederne Derbheit der Kleidung, auf dem „Saturn" die
Rauhigkeit des Erdbodens, die Schmierigkeit des ausgeweideten Pferdes und die Stachlichkeit des Baum-
krüppels darüber, der ähnlich schon auf dem oberen Felde der Vierpaßvisierung begegnete, endlich Baum-
kronen wie dürre Reisighaufen auf dem „Jupiter", dem unteren Felde derselben Visierung entsprechend, und
das klappernde Bandelwerk an der Pferdedecke Merkurs. Immer wieder laufen Verbindungslinien zu den
Kabinettscheiben, wie denn die Jungfrau neben Merkur in ihrer hausbackenen Rundlichkeit als eine Zwillings-
schwester Kleodelindens erscheint und Jupiters Kopf dem reitenden Jüngling der Vierpaßvisierung nicht un-
ähnlich sieht. Völlig identisch ist der Narr auf diesem Scheibenriß mit dem Kopfe der feilen Dirne in der
Liebeslaube.
Dargestellt sind die Planeten in entsprechender Kleidung zu Pferde, von je zwei Sternbildern des Tier-
kreises umgeben und illustriert durch das Leben und Treiben ihrer Kinder, der Menschen nämlich, die ihnen
nach Charakter und Beruf wesensverwandt sind. Nichts ist bezeichnender für den Geist dieser Zeichnungen,
als die Auffassung, die der Künstler hier von seinem Berufe hat. Auf dem „Merkur" sieht man einen Maler
an der Staffelei sitzen und eine Heiligentafel vollenden, während sein Liebchen ihm den Arm über die Schulter
legt und angeregt plaudernd zuschaut. Weiter unten hat Meister Bildschnitzer gar einen vollbesetzten Tisch
in der Werkstatt aufgeschlagen, genießt alle Freuden der Tafel mit seiner jungen Frau und läßt auch den
22 Hausbuch p. Ila, 12 a, 15 a u. 16 a. Vgl. zum Gegenständlichen Retberg (Anm. 16). Alle Spezialfragen historischer,
kulturgeschichtlicher und heraldischer Art sind ausführlich in der Hausbuch Publikation von Bossert und Storck
behandelt.
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