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Der Meister des Hausbuches

zurück. Nicht nur der prächtig gemusterte Baldachin hebt ihn hervor, auch seine Gebärde ist frei, groß und
schnellentschlossen, wie es einem König geziemt, und aus seinen Zügen spricht trotziges Machtbewußtsein.
Nicht so eingehend sind die Zuschauer charakterisiert, die sich an den Seiten der gewaltigen Tischplatte
drängen. Sie stehen einfach da, ganz gerade und ohne die akrobatenhafte Lebendigkeit der früheren Haus-
buchzeichnungen, nur durch ihre Existenz wirkend. Das ist die letzte Konsequenz jener Richtung, die auf den
Zusammenhang der Körpererscheinung im ganzen ausging. Meisterhaft sind wieder die Gestalten als Massen-
körper zusammengefaßt und abgewogen, wobei der asymmetrisch hingestellte Diener den Ausgleich für die
weniger belastete rechte Hälfte schafft. — Durchgearbeiteter wirkt eine gleichzeitige Federzeichnung mit
der Darstellung eines schreitenden Mannes, ebenfalls im Berliner Kupferstichkabinett
(7,4x12,1cm)18. Von der Hand eines späteren Besitzers ist die Jahreszahl 1560 und der Name „David
Heincellius” daruntergeschrieben. Eine entscheidende Änderung in der Tracht bedeutet die Einführung des
breit abgerundeten Schuhes, des sogenannten Kuhmaules, anstelle der so lange beliebten Spitzschuhe. Wahr-
scheinlich hat der Hausbuchmeister zuerst in den Niederlanden diese Neuerung kennengelernt; denn auf den
Brügger Skizzen trägt ihn fast jede Gestalt, meist in Verbindung mit einer dünngefältelten Gamasche.
Nur ganz wenige Werke des Künstlers machen diesen Schritt zur Renaissancetracht noch mit. Unter anderem
der stattliche Susann enteppich des Berliner Kunstgewerbemuseums, den Schmitz mit guten Gründen
auf den Hausbuchmeister zurückgeführt hat (Berichte aus den Preuß. Kunstsamml. XLI, Sp. 21). Man erkennt
hier die langgestreckten und geschlossenen Figuren der spätesten Zeichnungen wieder, wonach die Vorlage
zu diesem Teppich zwischen 1488 und ca. 1490 angesetzt werden muß.

Gemälde
Auf der Ausstellung „Alte Kunst am Mittelrhein", Darmstadt 1927, war unter anderem ein Saal dem
Hausbuchmeister und seiner Schule gewidmet. Die ganze Längswand dieses Raumes bedeckten 10 Tafeln eines
Marienlebens, die anscheinend eng zusammengehören und die Reste eines Altares darstellten. Nicht nur die
Maße stimmten überein (wieder das Einheitsmaß der Flügel, ca. 76x130 cm); auch die anmutige Buntheit
der Farben, das liebenswürdige Wesen der Figuren und die flüssige Erzählungsweise konnten durch ihre
immerfortige Wiederkehr den flüchtigen Betrachter zu der Annahme verleiten, hier nur ein einziges Werk
von ein und derselben Hand vor sich zu haben. Störend wirkte erst die Entdeckung, daß die Anbetung
der Hirten zweimal vertreten war. Freilich stammte das eine Exemplar aus der Münchener Pinakothek,
und das andere mitsamt der übrigen Folge aus der Stadtgalerie in Mainz, aber das wollte wenig besagen;
denn ursprünglich hing auch das Münchener Bild in Mainz, so daß die Darmstädter Anordnung dem frühesten
für uns rekonstruierbaren Zustande entsprach49. Es ging auch nicht an, eines der beiden Bilder als Einzel-
tafel auszuscheiden, denn keines hatte die besonderen Merkmale einer solchen. Alles deutete auf die Herkunft
von einem Flügelaltar e, das steile Format, die Gedämpftheit der Farben, das Fehlen von Wappen oder
Stiftern und die verschobene Komposition, die ihre Ergänzung in einer Nachbartafel fordert. Man mußte
sich also mit der Tatsache vertraut machen, daß zwei Folgen eines Marienlebens aus dem Hausbuchmeister-
48 Jaro Springer, Eine Zeichnung vom Meister des Hausbuches (von Bode in Venedig aufgefunden). Jahrb. d. preuß.
Kunstsammlg. 1904, Bd. 25, S. 142.
48 Vgl. Hausbuchpublikation S. 50, Anm. XXX+ und den Katalog der Älteren Pinakothek zu München von 1925,
S. 91. Auf dem Münchener Bilde weist der Mantel Mariens zahlreiche Flickstellen auf.

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