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Schoneauers Frühwerke


Abb. 6 Kreuzigung, Votivbild. Oberweier b. Lahr

Ausschreiben dieses vorbildlichen Stils. Das zeigt ein Vergleich mit den Flügeln des Isenheimer Guersi-Orliac-
Altares (Abb. Girodie, M. Schongauer, 1913, Taf. 17, und Fütterer a. a. O. 1926/27, Nr. 4), der doch die weitere
Entwicklung des Schongauer-Stils, wenn auch in Werkstattausführung, dokumentiert. — Der „Vorläufer" und
nicht Schongauer hätte jene Kunstleistung vollbracht, die wir unter dem Namen Schongauer als die größte ihrer
Zeit in der deutschen Malerei anerkennen und verehren. Denn die „Verkündigung" oder die „Anbetung des
Kindes" haben — vielleicht mit einziger Ausnahme der Sterzinger Tafeln — in der deutschen Malerei dieser
Jahrzehnte nicht ihresgleichen. Und außerdem treten sie völlig aus der Tradition der oberrheinischen Malerei
heraus. Weder mit dem Stil des Meisters des Frankfurter Paradiesgärtleins, noch mit dem der Witzstufe ver-
bindet sie irgendetwas. (Mit der Oberweierer Tafel haben sie ja nur das gemeinsam, was jene ihnen ent-
nommen haben.) Aber auch zu der unmittelbar voraufgehenden und noch gleichzeitigen Stilrichtung des
Meisters E S steht diese neue Kunst nur im Gegensatz, sie verdankt ihr außer technischen oder ikonographischen
Auch mit der Gruppe des Meisters des Frankfurter Paradiesgärtleins bestehen keine stilistischen Beziehungen. Allein in der
plumpen Proportionierung der Figuren und den Stellungsmotiven der beiden Johannesgestalten sind wirklich ältere Vorbilder
benutzt, teilweise aus der Witzgeneration, teilweise noch frühere. Der Meister sank ins Provinzielle zurück, nachdem die (aller-
dings indirekte) Berührung mit Roger ihm dessen völlig neue Grundlage, die alles Bisherige ausschloß, nicht hatte ver-
mitteln können. —
Fütterer hat ferner mit Recht eine „Anbetung des Kindes" im Germanischen Museum (Abb. 7) an den
Stauffenbergaltar angeschlossen (Jahrb. d. preuß. Kunstsammlungen, 1928, Bd. 49, S. 198 Anm.). Wirklich leitet sich das
kraftvolle Bild ikonographisch und formal unmittelbar und ausschließlich von da ab. Nur hat hier die ikonographisch-
motivische Reduktion der Geburtszene, in der beim Stauffenbergaltar ein alt-oberrheinisches Schema neugestaltet war
(s. Fütterer a. a. O. 1928, S. 198), bei der Ausführlichkeit der Erzählung keinen rechten Sinn. Statt der konzentrierten Straff-
heit des Vorbildes ist eben alles — nicht bloß das Format — ins Breite gezogen. Der Schauplatz ist weiter, Joseph ebenso
breit entfaltet wie Maria, ein reizender Engelschor schwebt außer Gottvater in der Luft. Aber nicht alles scheint gleichmäßig
in die neuen Zusammenhänge hineinentwickelt. Die Taube ist überhaupt fehl am Platze. Dig Hürde bricht hinter Maria un-
vermittelt ab. Das Gelände ist uneinheitlich. Die Personen, die Bühnenelemente, die Himmelserscheinungen, das Vieh, alles
erscheint nur zusammengestellt. Es greift nicht alles ineinander wie auf den Flügeln des Stauffenbergaltars, wo selbst die
eigentümlichen, großen Leerflächen gestaltet wirken. — Die flache, scharf konturierende und nur an den Rändern modellierende
Projektion ist hier voller, allgemeiner, gründlicher geworden, aber auch schematischer und derber. Statt des zarten Reliefs

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