Walter H u g e 1 s h o f e r
besonders in die straßburgische Malerei des späteren 15. Jahrhunderts bestünde. Vieles, das Meiste, und offen-
bar gerade das Ausschlaggebende und Richtungweisende der Produktion jener Generation, aus der Baldung
erwuchs, von der er gelernt haben könnte, aus der er (nach der herrschenden Annahme) stilgeschichtlich
abzuleiten wäre, scheint unwiderbringbar verloren zu sein. Doch ist immerhin nicht alles zu beklagen, und
das Wenige kann genügen, uns eine Meinung zu bilden. Soviel ist gewiß: Baldungs erste Arbeiten schon sehen
anders aus. In ihnen lebt von Anfang an der Geist einer neuen Zeit, der beschwingte, kühne Zug der Jugend,
die um 1500 zu Worte kam.
Aber bevor man die Reste der unmittelbar vorbaldungischen Straßburger Malerei auf die möglichen
Stilzusammenhänge mit der früheren Ausdrucksweise Baldungs, wie wir sie zu kennen glauben, befragt, muß
erst die Frage seiner eigentlichen Lehrzeit und damit auch das Problem seiner Herkunft einer Lösung näher-
geführt werden. Man nimmt heute fast allgemein als Geburtsort Weyersheim am Turm bei Straßburg, als
Geburtsjahr 14761 an und folgert daraus, daß er seine eigentliche Lehrzeit in Straßburg absolviert habe. Die
Dokumente, auf die sich diese Angaben gründen, entziehen sich einer Nachprüfung, da Archiv und Bibliothek
in Straßburg beim Brande von 1870 verloren gegangen sind. Sie gehen auf Sebald Büheler, den Freund und
Erben Baldungs, zurück2. Das erste heute gesicherte Datum für Baldungs Aufenthalt im Elsaß ist die Erwer-
bung des Straßburger Bürgerrechts im Frühling 1509. Auf stilkritischem Wege hat man glaubhaft einen
Nürnberger Aufenthalt von etwa 1505—1508 erschlossen. Die Erwerbung des Bürgerrechts hat man als eine
Wiedererwerbung nach dem längeren Aufenthalt in der Fremde zu erklären versucht. Nun aber geht cs mit
Baldung ähnlich wie mit „Grünewald" : die wenigen gesicherten Aussagen bleiben bei den bisherigen An-
nahmen unerklärt. Baldung nennt sich auf dem Freiburger Hochaltar, seinem Hauptwerk, ausdrücklich
Gamundianus, Bürger von Gmünd, so wie sich Dürer öfters als Nürnberger bezeichnet hat. Gamundianum,
das ist das heutige Schwäbisch Gmünd im württembergischen Jagstkreis, liegt etwa halbwegs zwischen Straß-
burg und Nürnberg, etwas näher dem letzteren. Nägele und schon lange vor ihm Bruno Klaus haben eine
ganze Reihe von Trägern des Namens Baldung in oder aus Gmünd urkundlich nachgewiesen, einen mutmaß-
lichen Stammbaum aufgestellt und nachdrücklich für die gmündische Herkunft Baldungs plädiert. Andere
Gründe kommen hinzu, um die Glaubwürdigkeit der Dokumente über die elsässische Herkunft Baldungs zu
erschüttern. Parker hat aus einleuchtenden stilkritischen Erwägungen heraus das angebliche Geburtsjahr 1476
als zu früh abgelehnt und dafür etwa 1480 oder ein noch späteres Jahr angenommen. Das sichtlich frühe
Gemälde im Louvre zeigt mit der Darstellung des Sebalduswunders mit dem zusammenbrechenden Pferd3
auf dem 1508 aus der Dürerwerkstatt hervorgegangenen Altar des Sebald Schreyer in der Hauptpfarrkirche
in Gmünd so nahe stilistische Beziehungen, daß Heinrich Schmidt diese oft umgetaufte Tafel nicht ohne Grund
als Arbeit Baldungs ansprechen konnte. Womit ein weiterer beachtenswerter Hinweis auf die Beziehungen
Baldungs zu Gmünd gegeben wäre. Weiter: Straßburg war ein so bedeutendes Kunstzentrum, daß es von
vornherein etwas auffällig anmuten muß, wenn ein einheimischer Künstler nach Abschluß seiner eigentlichen
Lehrzeit, in einem Alter, da andere schon eine eigene Werkstatt aufmachten, zur weiteren Ausbildung ins
ferne Nürnberg zu dem wenig älteren Dürer zog. Andererseits ist es nicht verwunderlich, sondern nur nahe-
1 Max J. Friedländer nimmt in seinem Artikel für das Thieme-Beckersche Künstlerlexikon 1480 als Geburtsjahr an.
2 Zur Zerstörung der Straßburger Archive vgl. Hans Rott in Oberrheinische Kunst 1928, p. 64, Anmerkung I.
3 Abbildung im Ergänzungsband der Kunst- und dütertumsdenkmale in Württemberg (Gmünd), in Karl Röttinger,
Dürers Doppelgänger, Taf. LXXIV. und in der Z. f. b. K. 1930/31, p. 11.
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besonders in die straßburgische Malerei des späteren 15. Jahrhunderts bestünde. Vieles, das Meiste, und offen-
bar gerade das Ausschlaggebende und Richtungweisende der Produktion jener Generation, aus der Baldung
erwuchs, von der er gelernt haben könnte, aus der er (nach der herrschenden Annahme) stilgeschichtlich
abzuleiten wäre, scheint unwiderbringbar verloren zu sein. Doch ist immerhin nicht alles zu beklagen, und
das Wenige kann genügen, uns eine Meinung zu bilden. Soviel ist gewiß: Baldungs erste Arbeiten schon sehen
anders aus. In ihnen lebt von Anfang an der Geist einer neuen Zeit, der beschwingte, kühne Zug der Jugend,
die um 1500 zu Worte kam.
Aber bevor man die Reste der unmittelbar vorbaldungischen Straßburger Malerei auf die möglichen
Stilzusammenhänge mit der früheren Ausdrucksweise Baldungs, wie wir sie zu kennen glauben, befragt, muß
erst die Frage seiner eigentlichen Lehrzeit und damit auch das Problem seiner Herkunft einer Lösung näher-
geführt werden. Man nimmt heute fast allgemein als Geburtsort Weyersheim am Turm bei Straßburg, als
Geburtsjahr 14761 an und folgert daraus, daß er seine eigentliche Lehrzeit in Straßburg absolviert habe. Die
Dokumente, auf die sich diese Angaben gründen, entziehen sich einer Nachprüfung, da Archiv und Bibliothek
in Straßburg beim Brande von 1870 verloren gegangen sind. Sie gehen auf Sebald Büheler, den Freund und
Erben Baldungs, zurück2. Das erste heute gesicherte Datum für Baldungs Aufenthalt im Elsaß ist die Erwer-
bung des Straßburger Bürgerrechts im Frühling 1509. Auf stilkritischem Wege hat man glaubhaft einen
Nürnberger Aufenthalt von etwa 1505—1508 erschlossen. Die Erwerbung des Bürgerrechts hat man als eine
Wiedererwerbung nach dem längeren Aufenthalt in der Fremde zu erklären versucht. Nun aber geht cs mit
Baldung ähnlich wie mit „Grünewald" : die wenigen gesicherten Aussagen bleiben bei den bisherigen An-
nahmen unerklärt. Baldung nennt sich auf dem Freiburger Hochaltar, seinem Hauptwerk, ausdrücklich
Gamundianus, Bürger von Gmünd, so wie sich Dürer öfters als Nürnberger bezeichnet hat. Gamundianum,
das ist das heutige Schwäbisch Gmünd im württembergischen Jagstkreis, liegt etwa halbwegs zwischen Straß-
burg und Nürnberg, etwas näher dem letzteren. Nägele und schon lange vor ihm Bruno Klaus haben eine
ganze Reihe von Trägern des Namens Baldung in oder aus Gmünd urkundlich nachgewiesen, einen mutmaß-
lichen Stammbaum aufgestellt und nachdrücklich für die gmündische Herkunft Baldungs plädiert. Andere
Gründe kommen hinzu, um die Glaubwürdigkeit der Dokumente über die elsässische Herkunft Baldungs zu
erschüttern. Parker hat aus einleuchtenden stilkritischen Erwägungen heraus das angebliche Geburtsjahr 1476
als zu früh abgelehnt und dafür etwa 1480 oder ein noch späteres Jahr angenommen. Das sichtlich frühe
Gemälde im Louvre zeigt mit der Darstellung des Sebalduswunders mit dem zusammenbrechenden Pferd3
auf dem 1508 aus der Dürerwerkstatt hervorgegangenen Altar des Sebald Schreyer in der Hauptpfarrkirche
in Gmünd so nahe stilistische Beziehungen, daß Heinrich Schmidt diese oft umgetaufte Tafel nicht ohne Grund
als Arbeit Baldungs ansprechen konnte. Womit ein weiterer beachtenswerter Hinweis auf die Beziehungen
Baldungs zu Gmünd gegeben wäre. Weiter: Straßburg war ein so bedeutendes Kunstzentrum, daß es von
vornherein etwas auffällig anmuten muß, wenn ein einheimischer Künstler nach Abschluß seiner eigentlichen
Lehrzeit, in einem Alter, da andere schon eine eigene Werkstatt aufmachten, zur weiteren Ausbildung ins
ferne Nürnberg zu dem wenig älteren Dürer zog. Andererseits ist es nicht verwunderlich, sondern nur nahe-
1 Max J. Friedländer nimmt in seinem Artikel für das Thieme-Beckersche Künstlerlexikon 1480 als Geburtsjahr an.
2 Zur Zerstörung der Straßburger Archive vgl. Hans Rott in Oberrheinische Kunst 1928, p. 64, Anmerkung I.
3 Abbildung im Ergänzungsband der Kunst- und dütertumsdenkmale in Württemberg (Gmünd), in Karl Röttinger,
Dürers Doppelgänger, Taf. LXXIV. und in der Z. f. b. K. 1930/31, p. 11.
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