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Andermann, Kurt [Hrsg.]
Historiographie am Oberrhein im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit — Oberrheinische Studien, Band 7: Sigmaringen: Thorbecke, 1988

DOI Artikel:
Johanek, Peter: Historiographie und Buchdruck im ausgehenden 15. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.52725#0093

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Historiographie und Buchdruck
im ausgehenden 15. Jahrhundert

VON PETER JOHANEK

Die Entwicklung der europäischen Literalität kennt keinen bedeutenderen Einschnitt als
die Erfindung und Etablierung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern in der zweiten Hälf-
te des 15. Jahrhunderts. Die Vervielfältigung und die durch sie begründete und gesteuerte Ver-
fügbarkeit von Schrifttum trat damit in eine völlig neue Phase ein. Sie wurde bereits von den
Zeitgenossen selbst als unerhörte Erneuerung empfunden, wie auch die Wissenschaftler des
20. Jahrhunderts diesen Vorgang als fundamentalen Wandel, ja als Revolution zu bezeichnen
pflegen1. So hat etwa der ’Fasciculus temporum’ des Westfalen und Kölner Kartäusers Werner
Rolevinck die Erfindung des Buchdrucks als wichtiges Ereignis festgehalten und dazu ver-
merkt: „Dies ist die Kunst der Künste, die Wissenschaft der Wissenschaften; dank der Schnel-
ligkeit, mit der sie gehandhabt wird, ist sie ein begehrenswerter Schatz an Weisheit und Wis-
sen, nach dem sich alle Menschen aus natürlichem Trieb sehnen, der gewissermaßen aus tie-
,fem, finsterem Versteck hervorspringt und diese Welt, die im Argen liegt, gleichermaßen be-
reichert und erleuchtet. Die ungeheuere Menge von Büchern, die einst in Athen oder Paris
und an anderen gelehrten Stätten oder in geistlichen Bibliotheken nur ganz wenigen Gelehr-
ten offenstand, breitet sich dank dieser Kunst nun überall aus, in jedem Stamm und Volk, in
jeder Nation und Sprache, so daß wir jenes Wort wahrhaftig erfüllt sehen, das im ersten Kapi-
tel der Sprüche geschrieben steht: ’Die Weisheit predigt draußen und läßt ihre Stimme auf der
Straße erschallen’”2.

1 Vgl. zu den Zeitgenossen die Zeugnisse bei A. Swierk, Johannes Gutenberg als Erfinder in Zeugnis-
sen seiner Zeit, in H. Widmann (Hg.), Der gegenwärtige Stand der Gutenberg-Forschung, Stuttgart 1972,
S. 79-90; weiter: H. Widmann, Der deutsche Buchhandel in Urkunden und Quellen, Hamburg 1965,1,
S. 17-19; H. Widmann, Vom Nutzen und Nachteil der Erfindung des Buchdrucks — aus der Sicht der
Zeitgenossen des Erfinders (Kleiner Druck der Gutenberg-Gesellschaft 92), Mainz 1973; zur Forschung
des 20. Jahrhunderts vgl. nur E. L. Eisenstein, The Printing Press as an Agent of Change. Communica-
tions and Cultural Transformations in Early Modern Europe, 2 Bde., Cambridge 1979, die ihr erstes Ka-
pitel überschreibt: „The unacknowledged revolution”; das Problem umrissen aus der Sicht der Medien-
revolution der Gegenwart hat M. McLuhan, The Gutenberg Galaxy: The Making of Typographical
Man, Toronto 1962 weiter noch: M. T Clanchy, Looking Back from the Invention of Printing, in:
D.P. Resnick (Hg.), Literacy in Historical Perspective, Washington 1983, S. 7-22.
2 So die Übersetzung bei Widmann, Buchhandel (wie Anm. 1) S. 18, nach dem lateinischen Text der
Ausgabe von Johann Prüß in Straßburg 1488, fol. 89v (Hain 6937). Die Ausgabe Hain 6919, Straßburg
ohne Jahr hat folgenden Text: Librorum impressionis scientia subtilissima omnibus seculis inaudita circa, hec
tempora reperitur in maguntia. Hec est ars artium, scientia stienciarum, per cuius celeritatis exercitacionem thesau-
rus destderabilis sapientie et scientie, quem omnes homines per instinctum nature desiderant, quasi de profundis la-
tibularum tenebris prosiliens mundum hunc in maligno positum ditatpariter et illuminat. Virtus etenim infinita li-
 
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