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Der Kupferstich „Melencolia I“ und Ficino

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Kryptogramme der Pianeten bekannt waren. Das hier verwendete
„Planetensiegel“ ist, wie sich fast von selbst versteht, dasjenige des
Jupiter, das diesen „temperator“ des Saturn zu Hilfe ruft: „wenn ein
Unglücklicher ihn trägt“, so heißt es von diesem Talisman, „so wird er
glücklich werden, er wendet das Schlechte zum Guten“1), oder, bei
Paracelsus: „Dieses Zeichen macht seinen Träger in allen Handlung'en
gliicklich und vertreibt alle Sorgen und Furcht.“2)

Wie aber alle diese Gegenmittel bei Ficino schließlich doch zu-
rücktreten g'egenüber der selbstlosen und bedingungslosen Ergebung
in den Willen des Saturn, die gleichsam die ultima und optima
ratio des geistig schöpferischen Menschen ist, so ist auch Dürers „Me-
lencolia“ — und gerade das hebt dieses Blatt vielleicht am meisten
über alle früheren und späteren Erzeugnisse heraus3) — ein Wesen,
an dem sich, aller natürlichen und magischen Palliative ung-eachtet,
sein traurig-erhabenes Schicksal erfüllt; „quatenus se ipsam non solum
ab his, quae sentimus, verum etiam ab eis, quae imaginamur commu-
niter moribusque arg-umentamur humanis, sevocat et affectu, intentione,
vita ad separata se revocat, Saturno quodammodo se exponit“ —, sie
hat sich ein für allemal darein gefügt, die Freuden geistig-schöpfe-
rischer Arbeit mit der dumpfen Trauer einer „d9u|uia icxupa“ bezahlen

Problem des „magischen Quadrates“ in Deutschland populär gemacht hatten —
dasselbe gelegentlich nur noch als Symbol der Algebra verwandeln, ist vollends kein
Beweis gegen ihre urspriingliche Zauberbedeutung; aufzuklären bleibt nur noch, zu
welcher Zeit die magischen Quadrate erfunden und mit welcher Begründung sie
mit den Planeten zusammengebracht wurden. Ein — scheinbar älteres — Analogon
der magischen Zahlenquadrate bilden die magischen Buchstabenquadrate, vor
allem die mit der bekannten ,,Sator-Arepo“-Formel, die schon auf einem koptischen
Papyrus nachgewiesen werden konnte; vgl. Franz Dornseiff, Das Alphabet in
Mystik und Magie, Stoicheia VII, 1922, p. 50.

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1) Warburg, Heidnisch-antike Weissagung, l.c.

2) Aureoli Philippi Theophrasti Paracelsi Opera omnia, Genf 1658, II,
p. 715 ff.: „Sigillum hoc qui gestetur, gratiam, amorem et favorem apud uni-
versos conciliet . . . gestoremque suum in omnibus negotiis felicem facit, et abigit
curas omnes metumque.“ Gerade das stete Bedriicktsein durch Sorgen und die
uniiberwindbare Furchtsamkeit (vgl. etwa Constantinus Africanus „timor de re
non timenda“ und Ficino „quod circa mala nimis formidolosus sum) ist ja eine
der bezeichnendsten Eigentümlichkeiten der melancholischen Veranlagung.

3) Vgl. den VII. Anhang, in dem eine Reihe späterer an Dürers Stich
sich anlehnencler Darstellungen zusammengestellt sind.
 
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