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Dürer

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zu müssen: der „kosmische Konflikt“ zwischen Saturn und Jupiter1)
hat, wenn er überhaupt je zum Austrag' gebracht wurde, mit einem
Sieg des Saturn geendet, —- des Saturn, der der Dämon der Schwer-
mut und der Kontemplation in einem ist.

ASTROLOGISCHE QUELLEN UND BILDTRADITION

Nun vermögen aber diese Beziehungen zu den „Libri de Vita tri-
plici“ den Bedeutungsgehalt des Diirer-Stiches nur erst zum Teil zu
erklären; denn ungedeutet bleibt die ganze Fiille der anderen Dinge
und Lebewesen, von denen die Hauptgestalt umgeben ist, und daß jeg-
liches Einzelstück dieses reichhaltigen Inventars hier seinen besonde-
ren „Sinn“ haben muß, das hat uns Dürer selbst bezeugt: Es gibt ein
zu dem Kupferstich gehöriges Skizzenblatt von seiner Hand, auf dem
es heißt: „Schlüssel bedeutet Gewalt, Beutel bedeutet Reichtum“2), und
wenn selbst dieses harmlose Zubehör der Hausfrauenkleidung3) hier
solche symbolische Bedeutung besitzt, dann gilt das von den weniger
geläufigen Dingen natürlich erst recht.

Die Prädikate „Reichtum“ und „Gewalt“, — leider die einzigen,
die Dürer uns selber verraten hat, — weisen bereits den Weg für die
weitere Deutung: sie führen uns von der philosophisch überbauten und
zugleich medizinisch begründeten Iatromathematik Marsiglio Ficinos zu-
rück in den Vorstellungskreis der Astrologie im engeren Sinn.
Denn wie dem mythischen Kronos-Saturn außer seinen vielen andem
Eigenschaften auch die des Koipavoc und ßaciXeöc, und weiter die des

1) Vgl. Warburg, Heidnisch-antike Weissagung, p. 63. Wir möchten uns
der im übrigen unanfechtbaren Charakteristik Warburgs allerdings insofern nur
mit einem Vorbehalt anschließen, als vvir den „dämonischen Zweikampf“ zwischen
Saturn und Jupiter nicht ohne weiteres als einen für den letzteren „siegreichen“ be-
zeichnen wiirden, und ihm iiberhaupt nicht diejenige zentrale Bedeutung innerhalb
des gesamten Bedeutungsgehalts des Dürerblatts zuzuschreiben vermögen, dieWar-
burg ihm beimißt. Die „mensula Jovis“, der zwar — darin stimmen wir mit
Warburg völlig iiberein — ausschließlich die iatromathematische Bedeutung eines
antisaturninischen Amuletts zukommt, stellt schließlich doch nur ein Gegenmittel
unter dreien dar, und diese Gegenmittel ihrerseits sind innerhalb des Ganzen nur
ein Teilmotiv (und nicht einmal das wichtigste). Was aber die Beziehung des
Kupferstiches zu Maximilian I. angeht, so ist sie trotz Giehlows und Warburgs
scharfsinniger Argumentation nicht erwiesen, und selbst wenn sie tatsächlich vor-
läge, möchte das Dürerische Blatt —- auf die dunkle Seite auch der „melan-
cholia generosa“ mit mindestens der gleichen Eindringlichkeit hinweisend, wie auf
ihre lichte — vielleicht noch eher als ,,Warnungsblatt“, denn gerade als „Trost-
blatt“ zu bezeichnen sein.

2) Dürer-Society XII, 12; vgl. Giehlow, a. a. O. 1904, p. 76.

3) Vgl. etwa bei Dürer selbst die Stiche B 40, 84, 90, die Holzschnitte B 3,
80, 84, 88, 92, vor allem aber die Zeichnung L. 463 mit der Beischrift: „Also
gett man in Hewsern Nörmerck.“
 
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