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Panofsky, Erwin; Saxl, Fritz
Dürers "Melencolia I": eine quellen- und typengeschichtliche Untersuchung — Teubner, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.31125#0173
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152

VII. Anhang

die er in einer seiner Kunstschriften einführt, der Diirerischen Melen-
colia nachgebildet hat — eine Beobachtung, die um so begründeter ist,
als Doni selbst nachi seiner eigenen Angabe den Dürerstich besaß1);
er schildert seine „Skulptur“, als Vertreterin eines rauhen, harten, er-
miidenden und strengen Schaffens, mit folgenden Worten: ;,Nell
aspetto la fecero grave, nel mirar severa, et d’habito intero vestita
puro e honorato, equale cosi alla testa corne a tutto il corpo. II qualle
habito mostrava non meno d’esser da temere, che da esser honorato. Et
cosi ferma e stabile, solitaria e pensosa, si stava a sedere con le sue
masseritie e artifitiosi stromenti intorno; si corne a tal arte si con-
viene.“2) Die scharfsinnige Vermutung Schlossers läßt sich nun auch
dadurch bestätigen, dqß wir in einem anderen Werk des gleichen Doni
ein bildkünstlerisches Gegenstück zu jener literarischen Reminiszenz
belegen können: in seinen „Marmi“3) finden wir eine Holzschnitt-
illustration (Abb. 66), die, wenngleich durchaus im Sinne italienischer
,,grazia“ umgestaltet, und — bis auf die Beibehaltung der Meeresland-
schaft — auf alles ikonographische Zubehör des Dürerstichs ver-
zichtend, doch ihre Abkunft von diesem nicht zu verleugnen vermag.
Der Holzschnitt stellt aber nicht mehr eine Personifikation der melan-
cholischen Geistesart als solcher dar, (Sondern das durchaus konkrete
Subjekt einer melancholischen Gemiitsbewegung, „una feminetta tutta
malinconosü so'la abandonata, mesta et afflitta,“ der folgdnde rührsame
Verse in den Mund gelegt werden:

,,Che pena si puö dire
Piü grande che morire ?

Maggior e la mia pena
E passa ogn’ aspra sorte
Che mai punto raffrena
Ma cresce ogn’ hor piü forte.

Io viuo, et ogni di prouo Ia morte,

Dunque e maggior martire

Chi viue in doglia et mai non puö morire.“ 4)

1) Materialien z. Quellenk. d. Kunstgesch., 1914ffIV, p. 26.

2) „Disegno“ del Doni, Venedig, 1549, p. 8/9.

3) Venedig, 1552, II, p. 87.

4) Ob auch die Darstellung der „Malinconia" in der schon genannten
Iconologia des Cesare Ripa (Venedig, 1645, P- 385) einen Einfluß des Dürer-
stichs voraussetzt, wagen wir nicht zu entscheiden. Die „Malinconia“ (bezeichnend,
daß sie einen selbständigen Gegenstand der Allegorese bildet, vvährend der
„Malenconico“ — vgl. oben p. 140 — nur als Vertreter einer „Complexion“ fun-
giert) sitzt auf einem Felsblock und hat das Haupt in beide Flände gestützt. An
den Typus der sonst üblichen Melancholiedarstellung erinnern eher die „Accidia“
(in der römischen Ausgabe von 1603, p. 3, in der venezianischen von 1645, P- 9)
und die „Meditazione“ (venez. Ausg., p. 390): man sieht, wie eng der Komplex
Acedia-Meditatio-Melancholia auch ikonographisch zusammenhängt. Der Text der
italienischen Ausgaben nimmt auf den Dürerischen Kupferstich nicht Bezug, wohi
 
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