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86

Hercules Prodicius

All diese Bühnenspiele sind für uns insofern nur von mittelbarer Be-
deutung, als sie zu einer bildkünstlerischen Darstellung der eigentlichen
Entscheidungsszene anscheinend keinen Anlaß gegeben haben.1) Ganz an-
ders liegt der Fall bei einer nur handschriftlich überlieferten Humanisten-
dichtung, die keinen Geringeren alsPeterVischerd. J. zur Illustrierung
angeregt hat, und die daher der kunstgeschichtlichen Literatur seit einer
Reihe von Jahren geläufig ist: bei der „Historie des Lebens, Sterbens
vd Wunderwerck des hochberümten Streitters, manlichen Überwinders
Herculis“, die im Jahre 1515 von Pankraz Bernhaupt, gen. Schwenter,
niedergeschrieben wurde, die aber nach dessen eigener Angabe zur Haupt-
sache aus dem lateinischen Urtext eines gewissen „Gregorius Arviano-
tor. Fe. (oder Gregorius Arvianus Torfe?) von Speier“ übersetzt ist.2)
Die ersten Blätter der Handschrift (fol. ir bis 4 v, Zeile 12 v. o.) enthalten
Textbestandteile, die ohne weiteres als geistiges Eigentum des Pankraz
Schwenter angesehen werden können: den umständlichen Titel, ein sechs-
zeiliges, mit Schwenters Wahlspruch ,,M.<ors> orhia aequat“ unter-
zeichnetes Motto, die Dedikation an Peter Vischer, ein zwölfzeiliges Ge-
dicht „Zv dem Leser“ und eine lange „Vorrede von derTugent“, die von
dem Gleichnis der Zwei Wege ihren Ausgang nimmt, um sich sodann auf
Sokrates, Cicero3), Virgil, Horaz, Solinus4), Orpheus, Musaeus, Linus,
Homer, Diogenes und Enea Silvio Piccolomini zu berufen. Zweifelhaft
bleibt dagegen zunächst der Urheber der an diese Vorrede anschließenden,
den Rest von fol. 4 v ausfüllenden „Bildbeschreibung“, die wir als
„Bildbeschreibung I“ bezeichnen wollen, und die in der — ihr ur-
sprünglich auf fol. 4a r gegenüberstehenden — Berliner Zeichnung
Nr. 1082 (Abb. 41) von Peter Vischer illustriert worden ist5): sie steht zwar

1) Über den Titelholzschnitt des Chelidoniusdruckes und seine Beziehung zu Dürers
Holzschnitt B. 127 vgl. unten S. 185.

2) Nürnberg, Stadtbibi., Cod. Amb. 645 fol. Bekannt wurde die Handschrift, die
gegenwärtig nur noch eine unvollendete Vischerzeichnung enthält, durch den über Schwen-
ters Gesamtpersönlichkeit orientierenden Aufsatz von A. Bauch (Mitt. d. Vereins d. Gesch. d.
Stadt Nürnberg, XIII, 1899, S. 27öff.), doch blieb es E. W. Braun Vorbehalten, im Ber-
liner Kupferstichkabinett zwei völlig durchgeführte Vischerzeichnungen zu entdecken, die
sich ursprünglich hinter fol. 4 und 5 des Nürnberger Kodex befanden (Monatsh. f. Kunst-
wiss. VIII, 1915, S. 52ff.; vgl. ferner Friedländer-Bock, Die Zeichnungen der deutschen
Meister im Kupferstichkabinett zu Berlin, 1921, Nr. 1082/1083, S. Meller, P. Vischer
und seine Werkstatt, 1925, S. igif. (mit guten Abbildungen, aber irreführendem Text),
K. Simon in Ital. Studien, Paul Schubring zum 60. Geburtstag dargebracht, 1929, S. 126,
und W. Fränger, a. a. O.

3) „Tulius“, nicht ,,Julius", wie E. W. Braun transkribiert; zum Überfluß werden
die Tuskulanen ausdrücklich erwähnt.

4) Nicht Silvius; auch hier gibt das Zitat der ,,Memorabilia Mundi die richtige
Lesung ohne weiteres an die Hand.

5) Abdruck bei Braun a. a. O., S. 53. Um die Vergleichung mit den Abbildungen zu
erleichtern, sind auch die schon gedruckten ,,Bildbeschreibungen" wiederholt, zumal die
 
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