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Exkurs I
Das Zinnenornament

Bei demMosaik inR. 44 der Villa vonFließem1) begegnete uns als Rahmenmotiv das Zinnen- Taf. 19, 3
ornament. Dieses hatte damals bereits eine lange Geschichte. Seine Ursprünge liegen, wie man
wohl mit Recht allgemein annimmt, in der Webtechnik. Als ältesten literarischen Beleg
haben v. Lorentz2) und Jacobsthal3) vermutungsweise ein sybaritisches Gewand aus dem
6. (?) Jahrhundert v. Chr. angeführt. Freilich läßt sich ihre Interpretation der Stelle dvooösv
Pev Soüctoij, köctmöev 8e nspcratg als eingewebte Städtebilder mit Wiedergabe von zinnen-
bewehrten Mauern4) nicht zur Gewißheit erheben. Jedenfalls muß fraglich bleiben, ob wir
hierin eine Vorstufe zu den im Hellenismus erhaltenen Beispielen zu sehen haben, zumal
archäologische Belege völlig fehlen. Mit mehr Wahrscheinlichkeit kann der in den Inventaren
des Heiligtums der Artemis Brauronia auf der Akropolis aus der Mitte des 4. Jahrhunderts
v. Chr. wiederholt erscheinende xit“Gotc°$ irupyooTÖs5) als älteste Erwähnung des Zin-
nenornaments angesprochen werden. Freilich haben die von Studniczka6) und v. Lorentz7)
angeführten vorhellenistischen Belege für ein solches Gewand besonders auf Vasenbildern
nichts damit zu tun. Erst mit der hellenistischen Zeit betreten wir sicheren Boden, da uns
jetzt vollwertige archäologische Zeugnisse zur Verfügung stehen. Ohne Zweifel gehören die
TTupyojTÖ bei den Balkenüberzügen am Prunkzelt Ptolemaios’ II. in diese Reihe8). Stilistisch
ist mit Wahrscheinlichkeit auch ein Holzsarkophag aus Magdola im Fayum9) dem 3. Jahr-
hundert zuzuweisen, auf dessen Deckel sich dieses Ornament findet. In die gleiche Zeit ge-
hören vielleicht auch Fragmente von Wandverkleidungen aus bemaltem Stuck10), die ver-
schiedentlich in Alexandria gefunden worden sind. Sie zeigen das Motiv rot auf weißem
Grunde. Von sicher datierbaren Beispielen stammt das Hephaistionmosaik von Pergamon11)
noch aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts. Das Mosaik des Tempels von Lykosura12)
ist etwas jünger, wenn die Skulpturen13) des Tempels gleichzeitig sind, die für eine Datierung
4) s. o. S. 16. In Deutschland sonst nur in Griesingen (s. o. S. 101) nachgewiesen.
2) RM. 52, 1937, 205. 207 f.
3) JHS. 58, 1938, 209 ff.
4) Vgl. die ähnlichen Darstellungen auf einer der beiden Rechteckvorlagen eines pompejanischen Medusenmosaiks,
Spinazzola, Art. dec. Taf. 176.
5) IG. 2/32 Pars 2, 1 (1927) Nr. 1514 Zeile 45f.
6) Das Symposion Ptolemaios’ II. (1914) 53.
7) a. a. 0. 207: Berliner Stehende Göttin. Th. Wiegand, Text zu AD. 4, 2 (1929) Taf. 11 ff., spricht richtiger von einem
breiten Mäander. Darum handelt es sich auch bei Studniczkas Zitaten. Dieses in der Mosaikkunst häufige Motiv wird
hier als U-Haken-Leiste bezeichnet.
8) Studniczka, a. a. O. 52 f.
9) M. Rostowzew, Antike dekorative Malerei in Südrußland (russ.), 1914, 62 Taf. 48, 2 — C. Watzinger, Griech. Holz-
sarkophage (1905) 33f. — C. C. Edgar, Graeco-egypt. Coffins, Masks and Portraits (1905) lOf. Nr. 33. 123, Textabb.
10) A. Adriani, Annuaire duMuseegr.-rom. 1935-39 (1940) 53 Nr. 3 Abb. 22—a. a. 0.1933-35(1936) 96.157 f. Abb. 81 links.
u) Th. Wiegand, Altertümer von Pergamon V 1, 63. 66 Taf. 16 — beste Abb. bei v. Wersin - Müller-Grah, Das
elementare Ornament und seine Gesetzlichkeit, Abb. 92.
12) Praktika 1896, 109 ff. Taf. lf. — Leonardos, Eph. arch. 1899, 45 ff. Taf. 3.
13) Zuletzt W. H. Schuchhardt, Die Kunst der Griechen (1940) 424ff. Abb. 392f. — A. Adriani, Testimonianze ... di
scult. alessandr. (1948) 12. 40 Anm. 38.

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