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Nebenfiguren im Sinne von nebensächlich behandelten
Figuren gibt es auf unseren Altärwerken nicht. Selbst winzige
Wesen, wie die nackten Menschlein, die Seelen der Verdammten,
oder das kleinste Teufelchen bei der Höllendarstellung 'Schwerin)
sind noch mit aller Feinheit durchgearbeitet1. Aber alle diese
und ähnliche Einzelheiten wirken nirgends kleinlich, drängen
sich nirgends störend hervor. Man möchte in ihrer weisen
Unterordnung unter die Gesamtwirkung, die stets im Auge be-
halten ist, einen weiteren Beweis für die einheitliche Entsteh-
ung der Arbeit sehen.
Ob die aufgewandte Mühe auch wirklich voll zur Geltung
komme, danach fragt der Meister nicht. Den Engelköpfen hat
er überall dieselbe peinlich sorgsame Ausführung zu teil werden
lassen, auch wenn sie — wie der abschließende Engelchor in
Schwerin — so angebracht sind, daß der Beschauer bequem
nur auf ihre Lockenscheitel blicken kann und sich schon be-
sondere Mühe geben muß, etwas von der Anmut ihrer Züge
zu erspähen. Aber er geht noch weiter. Aus reiner Lust am
Gestalten hat er selbst da noch Figuren angebracht, wo sie
völlig versteckt gewissermaßen einer zufälligen Entdeckung Vor-
behalten bleiben. Die zwei Männer, die man durch das Fenster-
gitter des Ratzeburger Tores erblickt, können, außer daß sie
ein Virtuosenstücklein der Steinhauerarbeit darstellen, an dem
der Künstler gewiß an sich seine Freude gehabt hat, noch dazu
dienen, die Jesus nachdrängende Menschenmenge zu veran-
schaulichen. Aber auch in der Dunkelheit des Schweriner
Tores lauern zwei vollständig ausgehauene Kriegsleute, die,
nun wirklich ganz unsichtbar, sachlich keinerlei Bedeutung
haben können. Einen andern, dem Kreuzträger voll zugewandt,
verbirgt das Buschwerk. Ebenso «entdeckt* will werden, daß
1 17 Millimeter mißt der Kopf der einen kleinen «Seele». Die Re-
kordleistung unter diesen Miniaturgesichtern stellt das kleinste Teufelchen
(8 Millimeter) dar.

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