Der Sonntagsbote.
Mm „Mälze? Vsläsßlaii".
Ä7. Ssnntag, de» 21 November 1897.
' Das Kerz.
Dein Herz soll wie ein Acker sein,
Der gern der Wolken Labe trinkt
Und froh, durch-värmt vom Sonnenschein,
Im Schmucke gold'ner Saaten winkt.
Dein Herz sei nicht wie dürrer Sand
Und nicht wie ödes, steinig Feld,
Das nur erhitzt der Sonne Brand,
Das keinen Thau noch Regen hält.
Dein Herz sei einer Blume gleich,
Die sich bei Nacht und Dunkel schließt
Und sich entsaltet hold und reich,
Wenn sie das Worgenlicht begrüßt
Das Herz sei nicht der Paris*) Bild,
Dier scheu des Dickichts Schatten sucht
Und dort, wo feuchter Brodem quillt,
Mit Gift durchtrankt die schwarze Furcht.
Dein Herz sei wie der lichte Hag,
Nicht wie ein Moor das brütend schweigt;
Es sei wie sonniger Maientag
Und nicht wie Herbstnacht kalt und seucht.
Dem Bächlein gleich' es, das die Welt
Der Blumen sreudenhell begrüßt,
Dem Strome nicht, der sturmgeschwellt
Zerstörend durch die Fluren schießt.
In der Versuchung halt' es Stand,
Ein Eichbaum, den kein Sturm besiegt;
Doch liegt aus ihm der Allmacht Hand,
Dann gleich's der Weide, die sich biegt.
Dem Herz sei groß, an Liebe reich,
Wie Gottes Welt, die um dich strahlt'
Doch klein vor dir, dem Tröpfchen gleich,
In dem sich klar die Schöpfung malt.
*) quuäritoliu, vierblätterige Einbeere.
kn.
Gin belohntes Hpftr.
neuvermähltes Ehepaar, und — wer wollte daran
- ein glückliches dazu! Sie verlassen an einer
t^^ickahnsMiM' umvch Wien den Zug und fckpeitm
eigentlich Hand in Hand durch dm schmucklosen
Wartesaal; draußen angekommen schlägt die junge Frau nach
kurzem Besinnen den Fußweg nach links ein.
„Wohin führst du mich eig-ntlich, meine Liebe?" frug
der junge Gatte lächelnd.
„Komm nur, komm, dort hinter jenem Buchenwäldchen
ist es."
„Weißt du d un auch den Weg wirklich genau?" fuhr
er fort, als wäre w iß was daran gelegen, daß sie ja den
nächsten Weg fänden.
Es war aber nicht so arg. Das Ziel der viertelstün-
digen Wanderung war ein hübsches, unter grünen Obstbäumen
hervorlugendes Bauernhaus, Lessen junge Besitzerin seiner
Zeit durch viele Jahre im Elternhause der jungen Frau im
Dienst gewesen und sich erst im vergangenen Herbste hierher
verheirathet hatte. '
Die nunmehrige junge Frau war ihre Brautführerin
gewesen, und lachend hatte sie ihr versprochen, wenn sie sich
einmal verheirathen würde, sie mit ihrem Galten zu besuchen,
gleich nach der Hochzeit. Freilich halte die kleine Uebermüthige
damals noch gar nicht so recht an's Hslrathen gedacht, aber
dann war auch für sie der entscheidende Tag gekommen und
hatte ihr den Doctor Richard Frank entgegsngesührt. Die
Partie war eine gute, die äußeren Verhältnisse beiderseits
entsprechend, Vater und Mutter gaben ihren Segen, und so
hatte es sich so überraschend schnell gemacht; und in der
Wonne und dem Uebermutye der ersten Flitterwochen erinnerte
sich die junge Frau auch ihres, dem ehemaligen Hausmäd-
chen Brigitte gegebenen Versprechens und — er mußte mit,
der junge Doctor, er mochte wollen oder nicht.
Doch, wie schon bemerkt, er sträubte sich auch gar nicht,
es war ihm Alles recht, was sein junges Ehegemahl mit ihm
verfügte, und als sie nun nahe ihrem Ziele waren und sie
mit verklärten Blicken an seiner hohen Gestalt hinaufsah und
daraufhin meinte: „Ach, wird die Brigitte aber Augen
machen, daß ich nun wirklich so bald nach ihr geheirathet
habe," da lächelte er. —
Seither sind drei Jahre vergangen. Man würde es den
Beiden sonst nicht anmerken, denn ihre Augen sprechen noch
immer die gleiche innige Sprache der Liebe, und die Honig-
wochen haben sich offenbar bei ihnen auf Jahre ausgesponnen ;
aber ein kleines, zweijähriges blondes Mädchen mit den
blau n Augen des Vaters und dem schelmischen Lächeln der
Mutter v.rräth es uns.
Zur Briglite hinaus waren sie seither auch einige Male
gekommen, ja im verflossenen Herbste hatte d.e junge Frau
eine volle Woche draußen zugebracht, um sich frisches Obst
sinzusisden, wovon im Garten der Brigitte die herrlichsten
Sorten in schwerer Menge prangten.
Auch Klein-Jettchm hatte es draußen außerordentlich
gefallen, und Brigitten's fast gleich alter Bube und sie hatte
sich gar.wacker herumgetummelt und waren bald gute Freunde
geworden.
Mm „Mälze? Vsläsßlaii".
Ä7. Ssnntag, de» 21 November 1897.
' Das Kerz.
Dein Herz soll wie ein Acker sein,
Der gern der Wolken Labe trinkt
Und froh, durch-värmt vom Sonnenschein,
Im Schmucke gold'ner Saaten winkt.
Dein Herz sei nicht wie dürrer Sand
Und nicht wie ödes, steinig Feld,
Das nur erhitzt der Sonne Brand,
Das keinen Thau noch Regen hält.
Dein Herz sei einer Blume gleich,
Die sich bei Nacht und Dunkel schließt
Und sich entsaltet hold und reich,
Wenn sie das Worgenlicht begrüßt
Das Herz sei nicht der Paris*) Bild,
Dier scheu des Dickichts Schatten sucht
Und dort, wo feuchter Brodem quillt,
Mit Gift durchtrankt die schwarze Furcht.
Dein Herz sei wie der lichte Hag,
Nicht wie ein Moor das brütend schweigt;
Es sei wie sonniger Maientag
Und nicht wie Herbstnacht kalt und seucht.
Dem Bächlein gleich' es, das die Welt
Der Blumen sreudenhell begrüßt,
Dem Strome nicht, der sturmgeschwellt
Zerstörend durch die Fluren schießt.
In der Versuchung halt' es Stand,
Ein Eichbaum, den kein Sturm besiegt;
Doch liegt aus ihm der Allmacht Hand,
Dann gleich's der Weide, die sich biegt.
Dem Herz sei groß, an Liebe reich,
Wie Gottes Welt, die um dich strahlt'
Doch klein vor dir, dem Tröpfchen gleich,
In dem sich klar die Schöpfung malt.
*) quuäritoliu, vierblätterige Einbeere.
kn.
Gin belohntes Hpftr.
neuvermähltes Ehepaar, und — wer wollte daran
- ein glückliches dazu! Sie verlassen an einer
t^^ickahnsMiM' umvch Wien den Zug und fckpeitm
eigentlich Hand in Hand durch dm schmucklosen
Wartesaal; draußen angekommen schlägt die junge Frau nach
kurzem Besinnen den Fußweg nach links ein.
„Wohin führst du mich eig-ntlich, meine Liebe?" frug
der junge Gatte lächelnd.
„Komm nur, komm, dort hinter jenem Buchenwäldchen
ist es."
„Weißt du d un auch den Weg wirklich genau?" fuhr
er fort, als wäre w iß was daran gelegen, daß sie ja den
nächsten Weg fänden.
Es war aber nicht so arg. Das Ziel der viertelstün-
digen Wanderung war ein hübsches, unter grünen Obstbäumen
hervorlugendes Bauernhaus, Lessen junge Besitzerin seiner
Zeit durch viele Jahre im Elternhause der jungen Frau im
Dienst gewesen und sich erst im vergangenen Herbste hierher
verheirathet hatte. '
Die nunmehrige junge Frau war ihre Brautführerin
gewesen, und lachend hatte sie ihr versprochen, wenn sie sich
einmal verheirathen würde, sie mit ihrem Galten zu besuchen,
gleich nach der Hochzeit. Freilich halte die kleine Uebermüthige
damals noch gar nicht so recht an's Hslrathen gedacht, aber
dann war auch für sie der entscheidende Tag gekommen und
hatte ihr den Doctor Richard Frank entgegsngesührt. Die
Partie war eine gute, die äußeren Verhältnisse beiderseits
entsprechend, Vater und Mutter gaben ihren Segen, und so
hatte es sich so überraschend schnell gemacht; und in der
Wonne und dem Uebermutye der ersten Flitterwochen erinnerte
sich die junge Frau auch ihres, dem ehemaligen Hausmäd-
chen Brigitte gegebenen Versprechens und — er mußte mit,
der junge Doctor, er mochte wollen oder nicht.
Doch, wie schon bemerkt, er sträubte sich auch gar nicht,
es war ihm Alles recht, was sein junges Ehegemahl mit ihm
verfügte, und als sie nun nahe ihrem Ziele waren und sie
mit verklärten Blicken an seiner hohen Gestalt hinaufsah und
daraufhin meinte: „Ach, wird die Brigitte aber Augen
machen, daß ich nun wirklich so bald nach ihr geheirathet
habe," da lächelte er. —
Seither sind drei Jahre vergangen. Man würde es den
Beiden sonst nicht anmerken, denn ihre Augen sprechen noch
immer die gleiche innige Sprache der Liebe, und die Honig-
wochen haben sich offenbar bei ihnen auf Jahre ausgesponnen ;
aber ein kleines, zweijähriges blondes Mädchen mit den
blau n Augen des Vaters und dem schelmischen Lächeln der
Mutter v.rräth es uns.
Zur Briglite hinaus waren sie seither auch einige Male
gekommen, ja im verflossenen Herbste hatte d.e junge Frau
eine volle Woche draußen zugebracht, um sich frisches Obst
sinzusisden, wovon im Garten der Brigitte die herrlichsten
Sorten in schwerer Menge prangten.
Auch Klein-Jettchm hatte es draußen außerordentlich
gefallen, und Brigitten's fast gleich alter Bube und sie hatte
sich gar.wacker herumgetummelt und waren bald gute Freunde
geworden.