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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 2.1885

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Nr.1 (15. Januar 1885)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29787#0004
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vernichtet worden, auch die Geschichte der alten Stadt ist zer-
rissen und lückenhaft geworden, denn der größte Teil der nach
allen Anzeichen ehemals zahlreich hier vorhandenen Denkmäler
der Vorzeit, insbesondere die meisten schristlichen Aufzeichnungen,
die Bibliotheken des Rats und der Klöster, die alte häusliche
Einrichtung, zahlreiche Kunstwerke in Kirchen und anderen Ge-
bäuden sind zugrunoe gegangen und spurlos verschwunden.
Heute, wo wir uns bemühen, im Paulus-Museum alte Denkmäler
für die frühere Geschichte unserer Stadt zu sammeln, kommt es
uns erst recht znm Bewußtsein, wieviel damals in unserer Stadt
und den benachbarten Orten zugrunde gegangen sein muß.
Es ist ein eigentümliches Verhältnis, daß wir im Paulus-
Museum in der kurzen Zeit von etwas über zwei Jahren zahl-
reiche Denkmäler der alten fränkischen, römischen, ja prähistori-
schen Bevölkernng unserer Wohnstätte haben vereinigen können,
wänrend wir aus der Zeit vor der Zerstörung ans unserer Stadt
selbst, von den Lteindenkmülern abgesehen, außerordentlich wenig
haben auszufinden vermocht.
Da nun durch die vor wenigen Monaten erfolgte Wieder-
herstellung des Zweiten Turms der Licbfranenkirche das letzte
jedem, der unsere Stadt betritt, sofort bemerkbare Zeichen der
großen Zerstörung verschwunden ist, habe ich es für angemessen
gehalten, gerade jetzt dem fortwährenden Nevanchegeschrei der
Franzosen gegenüber wieder einmal in unserem Vereine an die
Gewaltthätigkeiten zu erinnern, die dieses Volk an Deutschland
verübt hat, insbesondere des unsäglichen Elends nochmals zu
gedenken das vor nahezu 200 Jahren französische Zerstörungs-
lust und Barbarei über die damaligen Bewohner der Ufer un-
seres schönen Rheinstroms und unserer Stadt gebracht haben.
Bevor ich jedoch dazu übergehe, will ich Ihnen erst kurz
die Quellen bezeichnen, auf denen unsere Kenntnis von jener
schrecklichen Zerstörung beruht. Es sind nämlich außer den all-
gemeinen Quellen für die Verwüstung der Pfalz, z. B. das
„Theatrum Enropünm", für unsere Stadt, abgesehen von den
erhalten gebliebenen Resten einer Reihe von Gebäuden, auch noch
verschiedene besondere (literarische) vorhanden.
Alsbald nach der Zerstörung haben verschiedene vertriebene
Wormser Bürger im Exil das Bedürfnis gefühlt, der Nachwelt
das Elend, das sie erlebt, zu schildern, sowohl um das schänd-
liche Vorgehen Ludwigs LIV., der sich allerchristlichster König
nennen ließ, aber ärger hauste, als die rohesten Barbaren jemals
gehaust haben, zu brandmarken, als auch nur das Mitleid des
übrigen Deutschlands anznrufen für die so schwer heimgesuchte
Stadt. Da es aber damals gefährlich war, seine Entrüstung
offen auszusprechen, haben die Betreffenden anonym geschrieben.
Die erste noch im Jahre 1689, also im Jahre der Zer-
störung selbst, erschienene Schrift war betitelt: Der Wormser
Freud verkehrt in Leid; das ist eigentliche Vorstellung des
vorigen Wohlstandes und der darauf vor Kurzem erfolgten
jämmerlichen Zerstörung der uralten freien Reichsstadt Worms,
von Lilins in seinem Exilio zusammengetragen. Der Name
Lisius ist ein Pseudonym; der Verfasser war, nach dem Ton
seiner Darstellung zu urteilen, wohl ein Geistlicher oder ein
Lehrer.*) In ähnlicher Weise hat ein Gedicht über den Brand

*) Anmerk. Nachträglich wurde dem Verfasser von Hrn. Kreisassessor
Wagner in Schotten, der ein Exemplar dieser Schrift besitzt, mitgeteilt, daß auf
der Decke desselben von einer Hand des vorigen Jahrhunderts geschrieben
stehe: „^.uctor lrnius Iwri 68t 8cwippelw8«. Sckuppel war Mitglied des
Rats zur Zeit der Zerstörung. Wenn diese Notiz richtig, ist also auch
diese Schrift wie die beiden folgenden von einer Magistratsperson verfaßt-

gedichtet der damalige Volksschullehrer Jakob Rust, von dem es
in einer anderen Schilderung heißt: „Der um Eltern und Kinder
wohlverdiente Herr Jakob Rust, welcher die Jugend zur Gottes-
furcht und anderen Geschicklichkeiten auf aumuthige Weise ohne
Verdruß auzuweisen gewußt". Außerdem haben zwei Magistrats-
personen, die also genaue Kenntnis von allem Vorgefallenen
hatten, den ganzen Verlauf vom Einzng der Franzosen bis zur
Zerstörung der Stadt eingehend geschildert. Die eine von diesen
Darstellungen erschien 1690 in Frankfurt im Druck und führt
den Titel: „Kurze Vorstellung des heiligen römischen Reiches
freien Stadt Worms Anfang, Fortgang und Untergang nebenst
einer umständlichen Erzählung der daselbst durch die Franzosen
verübten Grausamkeiten und mordbrennerischen Abschied. Be-
schrieben durch einen, der alles mit Fleiß selbsten beobachtet hat".
Der Verfasser dieser Darstellung war, wie aus einer Stelle des
Textes hervorgeht, ein Ratsherr von Worms, vielleicht der
Bürgermeister Mekel. Aus dieser im Druck erschienenen Dar-
stellung, von der wir auch noch eine Handschrift im Archiv des
Panlns-Mufcnms besitzen, haben die Späteren meist geschöpft.
Ferner hat ein Mitglied des Magistrats, wahrscheinlich Licentiat
Seidenbänder, eine Abhandlung verfaßt, die zugleich mit Ab-
bildungen der Stadt in ihrem früheren und in ihrem zer-
störten Zustande veröffentlicht werden sollte. Er betitelte die-
selbe: „Wahrhaftige aber traurige Erzählung, wie die im
oberen Deutschland am Rhein gelegene, weit berühmt gewesene
Kaiserliche Reichs-Frei-stadt Worms den 2. Oktober 1688 von
den Franzosen eingenommen, den 31. Mai 1689 geplündert,
beraubt — verheert, gänzlich zerstört und zu einem entsetzlichen
Stein- und Aschenhausen gemacht worden." Der über das schänd-
liche Treiben der Franzosen in den stärksten Ausdrücken sich
anssprechende Versucher dieser Darstellung ließ dieselbe Zunächst
unveröffentlicht liegen; als dann die vorhin genannten Darstell-
ungen im Druck erschienen, glaubte er es auch wagen Zu können,
mit seiner Darstellung hervorzutreten, durch die er verschiedene
Angaben der andern glaubte berichtigen zu können, schrieb eine
kurze Vorrede dazu und machte sie drnckfertig. Ans unbekannten
Gründen blieb die Arbeit aber dann doch ungedrnckt samt den
von dem Maler Peter Human gezeichneten Bildern im städtischen
Archiv liegen: vielleicht wurde dies durch die bedeutenden Kosten
veranlaßt, die die Vervielfältigung der Bilder damals verursacht
hätte. Die für die Kenntnis des früheren Zustandes unserer
Stadt höchst wertvollen Bilder verschwanden in der Revolutions-
zeit, wie es scheint, ans dem Archiv, die Handschrift aber geriet
in diesem Jahrhundert in einzelnen Blättern unter andere Akten
des Archivs, so daß sie auch so gut wie verloren war. Zufällig
hatte nun von dieser Schrift in den 20er Jahren der spätere
Großh. hessische Hofrat Issel eine genaue Abschrift genommen,
die er Ausgang der 60er Jahre Herrn Professor Oncken zur
Verfügung stellte. Hr. Oncken veröffentlichte diese Abschrift,
da bei feinen Nachforschungen im hiesigen Archiv von dem Ori-
ginal nichts mehr vorhanden zu sein schien, 1870 in Mone's
Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. Die Bilder dazu
waren indessen schon anfangs der 30er Jahre von Herrn Bür-
germeister Valckenberg durch Kauf wieder fürs Archiv erworben
worden, worauf sie zum Teil von Hrn. Schön durch Litho-
graphie vervielfältigt und auch schon von Gymnasiallehrer G. Lange
in seiner 1837 erschienenen kurzen Geschichte unserer Stadt be-
schrieben wurden. Gleichwohl hat auffallender Weise Hr. Oncken
die Zusammengehörigkeit dieser Bilder und seiner Handschrist
nicht erkannt, obwohl sie ganz genau mit den einzelnen Angaben
 
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