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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 2.1885

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Nr. 7 (15. Juli 1885)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29787#0056
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daß hier am Dionysmstage von alters her auch Gericht ge-
halten wurde und daß der Gerichtsbezirk u. A. die Ort-
schaften Einöllen, Jmzmiushausen, (Jmmetshansen) Mehlhausen
(auch Meckenhausen genannt), Roßbach und Stahlhansen um-
faßte. (Ob Mehlhausen identisch ist mit Allweiler oder
§ Zweikirchen, welche ehemals in dieser Gegend lagen, ist mir
unbekannt. Diese letzteren Orte wurden im ZOjäbrigen Kriege
zerstört). Gerichtsherr war der jeweilige Inhaber des
Schlosses und der Stadt Meisenheim, der ursprüngliche Beisitzer
im Gericht, der Schultheiß, hatte seinen Wohnsitz zu Einöllen.
Zwölf ans den einzelnen Dörfern des Gerichtsbezirkes ge-
wählte Schöffen, „gemeine Mannen", sprachen das Urteil. Die-
selben weisen dem Gerichtsherrn Biacht und Recht zu: „zu
strafen mit genadt und rngenadt: Dieb, Diebin, Mörder, Räuber,
Dotschleger rmd alle öffentlichen Laster, wie die geschehen mögen
hie in diesem Bezirck rnd gericht rnd namen haben rber hals
rnd Halsbein." Des Weiteren bestimmt das Weistum: „Zum
Vierten weisen wir mit recht, das rnserm gn. hn., so jeglicher
Zeit zu Meissenheim regiert, macht hat, zu strafen: freuet rnd
bräche rnd alle vndngent, die öffentliche erscheinen, oder ron
vns vff dem Jartag geruwet rnd angeben werden
hoch oder nieder, also doch rnderschiedlich, daz der gemeinen dies
rügen rnd rollbrengen, ron jeglichem freuet fünf schilling hl.
zu drem gemeinen nutz zu brauchen geliefert werden, sie sollen
geben rnd rfrichten den gemeinen hie, die schuldig feint rnd
gerügt werden jeglicher Zeit."
Diese Bestimmungen des Weistumes führen zur Annahme,
daß schon in christlich-fränkischer Zeit auf dem Diouysiusberge
bei Roßbach die Malstätte eines jener alten Cent- oder Land-
gerichte sich befand, welche unter dem Vorsitze des über den
Gau gesetzten Grafen oder dessen Stellvertreters (mi88U8) jährlich
in der Regel drei Mal znsammentraten. Im Gegensatz zu deu
Dorfmarkgerichten, deren Sitzungen in kürzeren Perioden unter
dem Schultheißen stattfanden, und zu dereu Competenz geringere
Reate, wie grober Unfug, Feldfrevel u. a., gehörten, urteilten
die Landgerichte über schwere Vergehen und Verbrechen, wie
Mord, Raub, Nachtbrand, Notzucht, ab, was auch bezüglich des
hier fraglichen Gerichts zutrifft. Daß aber Vic „gemeinen
Mannen" zu Roßbach im sechzehnten Jahrhundert auch über
Bagatellsachen, Frevel und Brüche und alle öffentlich auftretenden
„Untugenden" erkannten, mag als eine dem praktischen Be-
dürfnis nach gemeinsamer Erledigung der in dem Sprengel des
Gerichts verübten verschiedenen Strafthaten entsprungene Aus-
nahme zu erklären sein. Der Umstand aber, daß die Dionysius-
Anhöhe, wie erörtert, als Gerichtsstätte für einen größeren
Bezirk der Gegend diente, scheint für die Wahl des Heiligen,
dem die Kapelle bei ihrer Gründung zu weihen war, ent-
scheidend gewesen zu sein. Denn bedenkt man, daß der heil.
Dionysius von Paris im Mittelalter für identisch galt mit Dio
nysius von Athen, genannt Areopagita, so wird der Zusammen-
hang soforr klar: die Kapelle wurde dem Schutzpatrone
des Gerichtes geweiht: Es dürfte daher die Ansicht an
Wahrscheinlichkeit gewinnen, daß auf dem „Dionysiberg" schon
vor der Einführung des Christentumes politische und Gerichts-
versammlungen gleichzeitig mit heidnischen Opferfesten gehalten
wurden. Letztere hat die christliche Kirche getilgt, beziehungs-

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weise umgestaltet, die G e r i ch t s st ä t t e aber blieb un-
berührt*) und erlag erst der Verfassung späterer Zeit.
Gleichwol hat sich die Erinnerung an das Volksgericht
und an die Feste und Märkte auf diesem Platze bei den heutigen
Bewohnern des unteren Lauterthales verloren und auf der alt-
ehrwürdigen, einst so mannigfaltig belebten Stätte liegt jetzt —
der stille, einsame Friedhof der Gemeinde Roßbach, umschlossen
von einem mit Hecken bewachsenenen Erdwalle, dem Ueberreste
der Ringmauer der Dionysiuskapelle.
Zweibrücken, 1. Mai 1885.
G. k. Groß.

Ariefka st e n.

Herrn ivr. M.; Herrn ve. I. Sch.; besten Dank, soll nächstens Ver-
wendung finden.

Altertet.

Durch das viele Schreiben hat die Welt das Handeln verlernt, und
durch die Leichtigkeit, mit welcher jeder Narr gegenwärtig seiue Ideen be-
kannt machen kann, werden die meisten Kopse verwirrt.

Der Himmel wolle die Nachwelt davor bewahren, daß ihr dereinst
irgend ein historisches Genie unsere Zeitungsartikel als Geschichte anftischt.
Denn alle verständigen Leute, welche dieses Chaos von Verdrehungen,
Lügen, Widersprüchen, Thorheiten, Erbärmlichkeit, Feigheit und Dummheit
vor sich sähen, müßten wirklich unser jetziges Geschlecht als zum Tollhaus
reis erklären. Wenn Zeitungsschreiber und Handwerksreeeusenten den wirk-
lichen Wert eines Buches festsetzen könnten (so spricht sich ein Dichter des
vorigen Jahrhunderts ans), dann wäre, wenigstens im Fache der Politik,
die Dummheit schon längstens heilig gesprochen. D. R.

Viele unserer jüngeren Roman-Schrifsteller müssen im Himmelszeichen
des Krebses geboren sein, da sie in einem so auffallenden Rückwärtsschreiten
begriffen find. Sie erfinden die Vergangenheit, weil sie nichts Neues erfinden
können, und möchten uns gerne in das Zeitalter der heidnischen römischen
Kaiser zurückzanbcrn- Die Köpfe sind alt geworden und das Erinnerungs-
vermögen ist ihr einziges Kapital geblieben. In die Zukunft sehen sie so
wenig, wie der Blinde in die Ferne. Mit wahrer Sehnsucht wünschen
manche die Barbarei und Dummheit des sogenannten Mittelalters zurück ;
aber die herrlichen Lichtpunkte des großen Altertums blenden ihr blödes
Auge. Die Ströme wollen nach ihren Quellen zurückstießen, und die Ver-
gangenheit soll auch sogar noch in unsere Zukunft aufgehen. D. R.
Nie wider deine Ueberzeugung, nie wider besseres Wissen und Ge-
wissen handeln, dies soll der Grundsatz aller Grundsätze sein, nach dem du
an allen Orten und in allen Verhältnissen leben sollst, so lange du lebst.
Wieland.

*) Die peinl. Halsgerichtsordnung Kaiser Carls des Fünften (1532)
hat die alten Gerichtsstätten nicht beseitigt, sondern bestimmt vielmehr aus-
drücklich in Art. llXXXII: „An dem Gerichtstag, so die gewöhnliche Tag-
zeit erscheint, mag man das peinliche Gericht mit der gewöhnlichen
Glocken belenten, und sollen sich Richter und Urtheiler an die
Gerichts statt fügen, da man das Gericht nach guter Hewoynheit
pflegt zu besitzen."

Heransgegeben und verlegt vom Verein pfälzischer Schriftsteller.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Hüll, Neustadt a. d. H.

Druck und Expedition: Aktiendrnckcrei Neustadt a. d. H.
 
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