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Verein Historisches Museum der Pfalz [Hrsg.]; Historischer Verein der Pfalz [Hrsg.]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 2.1885

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Nr. 8 (15. August 1885)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29787#0058
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58

„Bei einem Teile der Bürgerschaft seid Ihr nicht sonderlich
beliebt. Es will ihnen bedünkeu, als behandeltet ihr die Kinder
in der Schule Zu hart. So liegt ja eben eiu Fall vor, daß ein
Knabe krank darniederliegt an Schlägen, die er von Euch be-
kommen haben will."
„Hier muß ich mir eine Unterbrechung erlauben, Herr
Oberschultheiß. Der Bube des Handwerkers Bohlen hat aller-
dings Hiebe von mir bekommen, denn er ist ein unbändiger,
frecher Junge, der mir am meisten zu schaffen macht und auch
die andern Zu Trotz und Ungehorsam verleitet. Wenn er krank
darniederliegt, so sind daran keinesfalls die Hiebe schuld, die er
von mir bekommen hat; da muß noch irgend etwas anderes vor-
! gefallen sein."
„Nun, das wird sich wohl finden. Die ganze Angelegen-
heit soll der hochfürstlichen Verwaltung vorgelegt werden."
„Was ferner den Vorwurf betrifft", fuhr der Schulmeister
fort, „daß ich überhaupt Zu hart gegen die Kinder sei, so muß
ich doch darauf Hinweisen, daß ich ungeheuere Schwierigkeiten
zu überwinden habe. Ihr wißt ja, wie es der evangelisch-
lutherische Schulmeister treibt. Er wiegelt die Kinder geradezu
gegen mich auf, so daß sie mir nicht selten den Gehorsam ver-
weigern. Dagegen sind aber doch nur die energischesten Mittel
wirksam. Jedenfalls trage ich an diesen unleidlichen Zuständen
keine Schuld."
„Das ist mir recht wohl bekannt, Herr Röhn," sagte darauf
der Oberschultheiß. „Ich weiß, daß Ihr einen schweren Stand
habt. Daran ist aber weniger der Mann schuld, den Ihr mit
Eurem besonderen Hasse verfolgt, der evangelisch-lutherische
Schulmeister. Dieser wird von den reformierten Bürgern, welche
mit Euch unzufrieden sind, gebeten, ja geradezu bestürmt, ihre
Kinder in seinen Unterricht zu nehmen. Und sie verlangen
dieses, einmal weil Ihr zu streng gegen die Kinder zu sein scheint,
sodann weil in der evangelisch-lutherischen Gemeinde nur 15
Kreuzer für ein Kind pro Quartal genommen werden, während
Ihr Euch 24 Kreuzer bezahlen laßt."
„Dazu bin ich berechtigt, Herr Obcrschultheiß. Es besteht
darüber eine eigene Verordnung der hochfürstlichen Verwaltung
für die reformierte Gemeinde."
„Ich weiß es wohl," sagte der Oberschultheiß. „Doch
diese verbietet Euch jedenfalls nicht, weniger zu nehmen. Zudem
scheiut Ihr im allgemeinen auch bei der Eintreibung des Schul-
geldes zu strenge Zu verfahren. Ihr wißt doch, daß die Bürger
arm sind und sich selbst nur mit Not durchbringen können, so
daß ihnen durch das Bezahlen des Schulgeldes ein großes Opfer
auferlegt wird."
.Das weiß ich allerdings, Herr Oberschultheiß. Doch ich
biu noch ärmer. Meine Besoldung ist, das müßt Ihr doch wohl
Zugebeu, eine sehr karge und steht in keinem Verhältnis zu der
Mühe, welche ich habe. Und wenn nun das Schulgeld auch noch
ausbleibt, dann kann ich mit den Meinen am Hungertuch nagen.
Aus diesem Grunde muß ich mich auch an die Verordnung halten,
nach welcher für jedes Kind 24 Kreuzer zu bezahlen sind."
„Versteht mich recht, Herr Nohn," sagte der Oberschultheiß,
„ich biu durchaus nicht gegen Euch, muß vielmehr voll aner-
kennen, daß Ihr viel Arbeit, aber wenig Lohn habt, und daß
Ihr mehr leistet, als alle früheren. Ich habe Euch auch nicht
kommen lassen, um Euch irgend etwas vorzuhalten, sondern um
zu vermitteln, zu versöhnen. Die Bürgerschaft geht damit um,
ein Gesuch an die hochfürstliche Verwaltung einzureichen, in
welchem Zuerst um Einführung des Ortsguldeus, also von 15

Kreuzern für jedes Kind pro Quartal gebeten, sodann aber ganz
besonders Klage gegen Euch geführt werden soll. Man will
Euch von hier sort haben. Am Ende bringen sie es so weit,
daß Ihr abgesetzt, oder wenigstens an eine Strafstelle versetzt
werdet. Und au der Spitze der Unzufriedenen steht sogar der
reformierte Herr Pfarrer. Dieser ist Euch auch nicht grün.
Wie kommt denn das?"
„Ich habe ihm schon einigemale zu widersprechen gewagt
und Vorschläge, welche er in betreff der Schule gemacht hatte,
die mir aber nicht als gut erschienen waren, als ungeeignet
nachzuweisen versucht. Das scheint ihn gegen mich aufgebracht
zu haben."
„So rate ich Euch denn, Herr Nöhn," sagte der Ober-
schultheiß, „geht zum Herrn Pfarrer und zu den Kirchenvor-
stehern und bittet sie, von dem Gesuche abzusteheu. Es thäte
mir wirklich leid, wenn wir Euch verlieren würden."
„Um Gnade bitten kann ich nicht, Herr Oberschultheiß.
Das wäre Zugleich ein Zugeständnis, daß ich im Unrecht sei,
während ich bisher ganz richtig gehandelt zu haben glaube. Ich
überlasse es der Weisheit der hochsürstlichen Verwaltung, hier
die richtige Entscheidung zu treffen."
„Wie Ihr wollt, Herr Nöhn. Ich glaube meine Pflicht
als Mensch und Beamter Euch gegenüber erfüllt Zu haben. Ich
habe Euch einen wohlmeinenden Rat gegeben, mehr kann ich
nicht thuu."
„Ihr habt mehr gethcin, Herr Oberschultheiß, als Ihr
schuldig wäret, und dafür danke ich Euch auf das ergebenste."
Nach diesen Worten verbeugte er sich vor dem Beamtem welcher
ihm zum Abschiede freundlich die Hand reichte, und machte sich
auf den Heimweg.
Dem freundlichen alten Herrn gegenüber hatte der Schul-
meister die Aufregung, welche die Mitteilungen in seinem Innern
hervorriefen, niedergedrückt. Die Ruhe, welche er äußerlich zur
Schau getragen hatte, war nur eine erzwungene gewesen. Jetzt
unterwegs, wo er ohne Zeugen war, machte sich jene Aufregung
im lebhaften Selbstgespräche Luft. Jetzt kam ihm auch die Ge-
fahr, welche ihn unter Umständen bedrohen konnte, voll zum
Bewußtsein. Er verließ sich zwar auf die Weisheit und Ge-
rechtigkeit der fürstlichen Verwaltung, und er hatte auch Beweise
in Händen, daß jene ihm wohl wollten und von seiner Strenge
und Tüchtigkeit ganz andere Ansichten hatte als die Bürger-
schaft. Aber konnte es nicht dennoch seinen Feinden gelingen,
ihn durch übertriebene Anschuldigungen oben anzuschwärzen und
so aus seiner augenblicklichen Stellung zu verdrängen? Und
was dann? Was sollte er darauf beginnen? Wie konnte er
sich und die Seinen alsdann ernähren? Seine Tochter Lisbeth
erwarb schon etwas durch ihrer Hände Geschicklichkeit. Doch das
reichte nicht aus, um die ganze Familie zu unterhalten; und
dann widerstrebte es ihm auch, sich von dieser allein durch an-
gestrengtes Arbeiten ernähren zu lassen. Dennoch aber konnte
nur von ihr, wenigstens für den Augenblick, Hilfe und Rettung
kommen. Nachbar Kunz, eiu wohlhabender Bauer, welcher allein
mit einer bejahrten Schwester in seinem geräumigen Hause
wohnte, hatte Wohlgefallen au der schönen Lisbeth gefunden und
würde sich glücklich fühlen, wenn ihm jene ihre Hand zum Bund
fürs Leben reichte. Schon verschiedenemale hatte er dieses auf
seine Weise dem Schulmeister angedeutet. Er war allerdings
nicht mehr jung. Doch was schadete dieses? Er würde dafür
jedenfalls ein um so besserer Ehemann werden. Er war auch
nicht hübsch und nicht besonders witzig. Doch das machte auch
 
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