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Herren annahm, wie auch allmählich deren Sprache gegen ihre deutsche Muttersprache
eintauschte und in oft wunderlichem Gemisch im Munde zu sühren begann. Franzö-
sischen Einwanderern verlieh Schönlaub das Bürgerrecht um ein Zehntel der sonstigen
Gebühr und erzielte damit beträchtlichen Zuzug aus dem Königreich. Landau
näherte sich dabei immer mehr dem Bild einer französischen Stadt und dies war
es, was so recht den Wünschen der Regierung in Versailles entsprach.
Trotz des strengen Regiments, das der mächtige, französisch gesinnte Bürger-
meister führte, gab es noch immer eine Anzahl mutiger Männer in Landau, die ihr
Deutschtum offen zur Schau trugen. Zu diesen gehörte vor allen der Goldschmied
Philipp Traumann, einer der jüngsten Bürger der Stadt. Er hatte längere Zeit
in Straßburg bei einem redlichen deutschen Meister gearbeitet und dort das Franzosen-
tum, wie es sich in den deutschen Städten des Elsaß breit machte, von Grund seines
Herzens hassen gelernt. Traumann konnte sich darum nicht enthalten, da und dort,
namentlich aber in den Landauer Zunftstuben, laut gegen die Uebergriffe des ab-
trünnigen Bürgermeisters herzuziehen und ihn seinen Mitbürgern als einen Ver-
räter an der Vaterstadt hinzustellen.
Dem Bürgermeister blieb dieses aufwieglerische Benehmen Traumanns gegen
sein Regiment nicht verborgen. Er beschloß, den Goldschmied unschädlich zu machen.
Es gab dazu kein entschiedeneres Mittel, als die Entfernung des Störenfriedes aus
der Stadt, und in der That bot sich dem Bürgermeister alsbald eine Handhabe dar,
diesen Plan zu verwirklichen. Es war ihm bekannt geworden, daß der Goldschmied
eine schwere Schuldenlast aus sich laden mußte, um Haus und Werkstätte seines
verblichenen Vaters übernehmen und seinen drei verheirateten Schwestern ihr Erbe
ausfolgen zu können. Wenn es gelang, dem Manne die Gläubiger aus den Hals
zu Hetzen oder — noch besser — in deren Rechte cinzutreten, so war Traumann aus
Gnade oder Ungnade in des Bürgermeisters Hand gegeben Unbarmherzig sollte er
von Haus und Hof vertrieben werden und vielleicht konnte man dann den erwerbs-
los gewordenen Menschen trotz seines Bürgerrechts ganz und gar aus der Stadt
verweisen.
Diesen Gedankengang hatte der Bürgermeister in seinem Lehnsessel soeben mit
der halblaut hervorgestoßenen Drohung zum Abschluß gebracht.
II.
Eines Tages war der Goldschmied Philipp Traumann wie gewöhnlich fleißig
bei der Arbeit in seiner Werkstätte. Ein kräftiger Schraubstuhl bildete seinen Sitz,
der mehr unter, als vor dem Tisch angebracht wir, und zwar so, daß sich der Körper
des Arbeitenden in einer halbkreisförmigen Einbuchtung befand, die den Rand der
dicken Tischplatte unterbrach. Unter diesem Ausschnitt des Tisches sah man ein
Fell, das lose ausgespannt, bis an den Leib des Goldschmieds heranreichte und be-
stimmt war, die Körnchen und Stäubchen Edelmetalls auszufangen, die unvermeidlich
bei der Arbeit vom Werktisch hinabglitten. Die Einrichtung der kleinen Goldschmiede
war einfach, aber gediegen; man merkte ihr so recht die Herkunft aus guter
alter Zeit an: In der Mitte des Raumes ein Ambos, daneben eine Blechwalze,
ferner eine Ziehbank zum Unfertigen von Silberdraht, an der Wand eine Esse mit
Vlasbalg und ein Windofen, der zum Schmelzen des Edelmetalls diente. Ans dem
mächtigen, halbkreisförmigen Werktisch, der an einen Pfeiler zwischen zwei Fenster
angerückt war, stand das Gestell mit der wassergcsüüten Glaskugel, die in den
Abendstunden das Licht der Lampe zu verstärken batte. Werkzeuge aller Art, zierlich
geformte Hämmer, Zangen, Feilen, ein Lötrohr, verschiedene Stanzformcn, auch eine
Tischbürste zum Zusammenkehren des Gold- und Silberstaubs, — alle diese Gegen-
stände waren regellos auf dem Tisch ausgebreitet. Ein Häufchen silberner Schuh-
schnallen lag vor dem Goldschmied, der eben beschäftigt war, eine nach der andern
mit Feile und Polierstahl zu bearbeiten, denn die silbernen Schnallen waren noch
Herren annahm, wie auch allmählich deren Sprache gegen ihre deutsche Muttersprache
eintauschte und in oft wunderlichem Gemisch im Munde zu sühren begann. Franzö-
sischen Einwanderern verlieh Schönlaub das Bürgerrecht um ein Zehntel der sonstigen
Gebühr und erzielte damit beträchtlichen Zuzug aus dem Königreich. Landau
näherte sich dabei immer mehr dem Bild einer französischen Stadt und dies war
es, was so recht den Wünschen der Regierung in Versailles entsprach.
Trotz des strengen Regiments, das der mächtige, französisch gesinnte Bürger-
meister führte, gab es noch immer eine Anzahl mutiger Männer in Landau, die ihr
Deutschtum offen zur Schau trugen. Zu diesen gehörte vor allen der Goldschmied
Philipp Traumann, einer der jüngsten Bürger der Stadt. Er hatte längere Zeit
in Straßburg bei einem redlichen deutschen Meister gearbeitet und dort das Franzosen-
tum, wie es sich in den deutschen Städten des Elsaß breit machte, von Grund seines
Herzens hassen gelernt. Traumann konnte sich darum nicht enthalten, da und dort,
namentlich aber in den Landauer Zunftstuben, laut gegen die Uebergriffe des ab-
trünnigen Bürgermeisters herzuziehen und ihn seinen Mitbürgern als einen Ver-
räter an der Vaterstadt hinzustellen.
Dem Bürgermeister blieb dieses aufwieglerische Benehmen Traumanns gegen
sein Regiment nicht verborgen. Er beschloß, den Goldschmied unschädlich zu machen.
Es gab dazu kein entschiedeneres Mittel, als die Entfernung des Störenfriedes aus
der Stadt, und in der That bot sich dem Bürgermeister alsbald eine Handhabe dar,
diesen Plan zu verwirklichen. Es war ihm bekannt geworden, daß der Goldschmied
eine schwere Schuldenlast aus sich laden mußte, um Haus und Werkstätte seines
verblichenen Vaters übernehmen und seinen drei verheirateten Schwestern ihr Erbe
ausfolgen zu können. Wenn es gelang, dem Manne die Gläubiger aus den Hals
zu Hetzen oder — noch besser — in deren Rechte cinzutreten, so war Traumann aus
Gnade oder Ungnade in des Bürgermeisters Hand gegeben Unbarmherzig sollte er
von Haus und Hof vertrieben werden und vielleicht konnte man dann den erwerbs-
los gewordenen Menschen trotz seines Bürgerrechts ganz und gar aus der Stadt
verweisen.
Diesen Gedankengang hatte der Bürgermeister in seinem Lehnsessel soeben mit
der halblaut hervorgestoßenen Drohung zum Abschluß gebracht.
II.
Eines Tages war der Goldschmied Philipp Traumann wie gewöhnlich fleißig
bei der Arbeit in seiner Werkstätte. Ein kräftiger Schraubstuhl bildete seinen Sitz,
der mehr unter, als vor dem Tisch angebracht wir, und zwar so, daß sich der Körper
des Arbeitenden in einer halbkreisförmigen Einbuchtung befand, die den Rand der
dicken Tischplatte unterbrach. Unter diesem Ausschnitt des Tisches sah man ein
Fell, das lose ausgespannt, bis an den Leib des Goldschmieds heranreichte und be-
stimmt war, die Körnchen und Stäubchen Edelmetalls auszufangen, die unvermeidlich
bei der Arbeit vom Werktisch hinabglitten. Die Einrichtung der kleinen Goldschmiede
war einfach, aber gediegen; man merkte ihr so recht die Herkunft aus guter
alter Zeit an: In der Mitte des Raumes ein Ambos, daneben eine Blechwalze,
ferner eine Ziehbank zum Unfertigen von Silberdraht, an der Wand eine Esse mit
Vlasbalg und ein Windofen, der zum Schmelzen des Edelmetalls diente. Ans dem
mächtigen, halbkreisförmigen Werktisch, der an einen Pfeiler zwischen zwei Fenster
angerückt war, stand das Gestell mit der wassergcsüüten Glaskugel, die in den
Abendstunden das Licht der Lampe zu verstärken batte. Werkzeuge aller Art, zierlich
geformte Hämmer, Zangen, Feilen, ein Lötrohr, verschiedene Stanzformcn, auch eine
Tischbürste zum Zusammenkehren des Gold- und Silberstaubs, — alle diese Gegen-
stände waren regellos auf dem Tisch ausgebreitet. Ein Häufchen silberner Schuh-
schnallen lag vor dem Goldschmied, der eben beschäftigt war, eine nach der andern
mit Feile und Polierstahl zu bearbeiten, denn die silbernen Schnallen waren noch