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jede weitere Auflage zu den Druckfehlern, die von Anfang an nicht mangelten, immer
wieder neue, wodurch die Eigentümlichkeiten des Dialekts mehr und mehr Not litten.
Die wenigen, aber höchst originellen hochdeutschen Gedichte Nadlers, die feinen
Namen zur Zeit des Aufstandes von 1849 in ganz Deutschland berühmt gemacht
haben, sind von dem neuere Herausgeber, dem früheren badischen Amtsrichter Eichrod,
oder vom Verleger Moriz Schauenburg in Lahr — im Gegensatz zu den Ausgaben
des ursprünglichen Verlags von Christian Winter in Frankfurt — ungerechtfertigter
Weife weggelassen worden. Zu bedauern wäre es, Wenn damit das Heckerslied und
das Lied vom weltberühmten Struwwelputsch (es handelt vom badischen Revolutionär
Struwe) der Vergessenheit übergeben wären, vielmehr sollten sie mit den alten
Abbildungen, wie sie auf Einzelbogen erschienen, einer neuen Auflage der Nadlerschen
Gedichte einverleibt werden; überdies müßten auch die Zeitereignisse, die den Anlaß
zur.Entstehung der Gedichte und der Bilder gaben, kurz geschildert werden Nadlers
Spottlied auf deu großen Hecker z. B. war die Erwiderung auf das revolutionäre
Heckerslied, das nach der Melodie „Schleswig-Holstein stammverwandt" gesungen
wurde; es begann:
„Hecker hoch, Dein Name schalle an dem ganzen deutschen Rhein" re.
Ein größeres hochdeutsches Gedicht von Nadler, „Der Glockengießer im Vier-
haus" fehlt bisher in allen Ausgaten, ebenfo sein letztes köstliches Gedicht vom
Hinkeldeyzug, das ich nach dem Hörensagen ausgeschrieben und nun in dem kinztich
fürs Jahr 1898 erschienenen Heidelberger Kalender von Hörning veröffentlicht habe
Das Gedicht spottet über den badischen Oberst von Hinkeldey, von dem Nadler
schon im Heckerlied singt: „Und der tapfre Hinkeldey, saß zu Pferde auch dabel."
Der Oberst, der sich durch das Gefecht von Kanderu im Schwarzwald (20. April 1848)
schon berüchtigt gemacht hatte, sollte nämlich Mitte Mai 1849 dem nach Frankfurt
geflüchteten Großherzog Leopold mit zwei Schwadronen Dragoner und zwei Batterien
Nachfolgen; als er aber die damals gerade errichtete Eisenbahnbrücke bei Ladenburg
durch die Aufständischen verbarrikadiert fand und ihm das falsche Gerücht zu Ohren
gekommen war, das ganze rechte Neckarufer sei von Freischärlern besetzt, zog er sich
ohne Kampf über Wiesloch bis Fürfeld bei Heilbronn zurück, verfolgt von der
Heidelberger Bürgerwetzr. Auch diese empfängt ihr Teil in dem Gedicht, denn zwei
Tage vorher hatte sie nach nächtlicher Ällarmierung, zweihundert Mann stark, versucht,
mit Benützung der Eisenbahn das feindliche Lager bei Friedrichsseld zu überrumpeln,
war aber aus Scheu vor den dort aufgepfkanzten Geschützen und eingedenk des weisen
Spruches, daß der Tapferkeit besserer Teil die Vorsicht sei, unverrichteter Dinge
wieder heimwärts ab: ednmpft. Die brave Bürgerwehrmanns-Frau, die dem Nadlerschen
Gedicht zufolge durch Einstecken einer Spell (Stecknadel) in ihr Gesangbuch und durch
Deutung des so aufgeschlagenen Liedes Unheil weissagte, hatte sich also wegen des
Schicksals ihres uniformierten Ehehcrrn, des Bärenwirtes Thomas, unnötige Sorgen
gewacht. Die Umkehr der Heidelberger Bürger aus kühn unternommenem Kriegszug
erinnert an ein Wort des Polen Mieroslawskp, der in jener Zeit als Anführer der
Hanauer Turner bei Hirschhorn die anrückenden Hessen aufhalten sollte, aber angesichts
der wankelmütigen Haltung seiner Turner ausrief: Voilä ckes tonrneuis <zui so
tournent!
So hat denn die Pfalz und insbesondere ihre alte Hauptstadt Heidelberg mit
Nadler einen jovialen Sänger ihres leichtlebigen Volkscharakters verloren, einen
Vertreter der Dialektdichtung, mit dem sich nur wenige in Deutschland messen dürfen.
Das ganze Vaterland muß in ihm den geistvollen Satiriker einer wichtigen, der
Vergangenheit angehörigen Volksbewegung erkennen, einer Bewegung, von der freilich
das Wort gilt: Umeos intim mnios poeeutnr et sxtim, aus der aber doch zum großen
S) Nachträglich sehe ich, daß A. Mays schon 1886 das Gedicht in seiner Schrift: „Heidelberg,
gefeiert von Dichtern und Denkern", S. 131 rnitgeteilt hat, allerdings in etwas anderer Weise
w'e ich: so steht auch der letzte Vers bei Mays zuerst.
jede weitere Auflage zu den Druckfehlern, die von Anfang an nicht mangelten, immer
wieder neue, wodurch die Eigentümlichkeiten des Dialekts mehr und mehr Not litten.
Die wenigen, aber höchst originellen hochdeutschen Gedichte Nadlers, die feinen
Namen zur Zeit des Aufstandes von 1849 in ganz Deutschland berühmt gemacht
haben, sind von dem neuere Herausgeber, dem früheren badischen Amtsrichter Eichrod,
oder vom Verleger Moriz Schauenburg in Lahr — im Gegensatz zu den Ausgaben
des ursprünglichen Verlags von Christian Winter in Frankfurt — ungerechtfertigter
Weife weggelassen worden. Zu bedauern wäre es, Wenn damit das Heckerslied und
das Lied vom weltberühmten Struwwelputsch (es handelt vom badischen Revolutionär
Struwe) der Vergessenheit übergeben wären, vielmehr sollten sie mit den alten
Abbildungen, wie sie auf Einzelbogen erschienen, einer neuen Auflage der Nadlerschen
Gedichte einverleibt werden; überdies müßten auch die Zeitereignisse, die den Anlaß
zur.Entstehung der Gedichte und der Bilder gaben, kurz geschildert werden Nadlers
Spottlied auf deu großen Hecker z. B. war die Erwiderung auf das revolutionäre
Heckerslied, das nach der Melodie „Schleswig-Holstein stammverwandt" gesungen
wurde; es begann:
„Hecker hoch, Dein Name schalle an dem ganzen deutschen Rhein" re.
Ein größeres hochdeutsches Gedicht von Nadler, „Der Glockengießer im Vier-
haus" fehlt bisher in allen Ausgaten, ebenfo sein letztes köstliches Gedicht vom
Hinkeldeyzug, das ich nach dem Hörensagen ausgeschrieben und nun in dem kinztich
fürs Jahr 1898 erschienenen Heidelberger Kalender von Hörning veröffentlicht habe
Das Gedicht spottet über den badischen Oberst von Hinkeldey, von dem Nadler
schon im Heckerlied singt: „Und der tapfre Hinkeldey, saß zu Pferde auch dabel."
Der Oberst, der sich durch das Gefecht von Kanderu im Schwarzwald (20. April 1848)
schon berüchtigt gemacht hatte, sollte nämlich Mitte Mai 1849 dem nach Frankfurt
geflüchteten Großherzog Leopold mit zwei Schwadronen Dragoner und zwei Batterien
Nachfolgen; als er aber die damals gerade errichtete Eisenbahnbrücke bei Ladenburg
durch die Aufständischen verbarrikadiert fand und ihm das falsche Gerücht zu Ohren
gekommen war, das ganze rechte Neckarufer sei von Freischärlern besetzt, zog er sich
ohne Kampf über Wiesloch bis Fürfeld bei Heilbronn zurück, verfolgt von der
Heidelberger Bürgerwetzr. Auch diese empfängt ihr Teil in dem Gedicht, denn zwei
Tage vorher hatte sie nach nächtlicher Ällarmierung, zweihundert Mann stark, versucht,
mit Benützung der Eisenbahn das feindliche Lager bei Friedrichsseld zu überrumpeln,
war aber aus Scheu vor den dort aufgepfkanzten Geschützen und eingedenk des weisen
Spruches, daß der Tapferkeit besserer Teil die Vorsicht sei, unverrichteter Dinge
wieder heimwärts ab: ednmpft. Die brave Bürgerwehrmanns-Frau, die dem Nadlerschen
Gedicht zufolge durch Einstecken einer Spell (Stecknadel) in ihr Gesangbuch und durch
Deutung des so aufgeschlagenen Liedes Unheil weissagte, hatte sich also wegen des
Schicksals ihres uniformierten Ehehcrrn, des Bärenwirtes Thomas, unnötige Sorgen
gewacht. Die Umkehr der Heidelberger Bürger aus kühn unternommenem Kriegszug
erinnert an ein Wort des Polen Mieroslawskp, der in jener Zeit als Anführer der
Hanauer Turner bei Hirschhorn die anrückenden Hessen aufhalten sollte, aber angesichts
der wankelmütigen Haltung seiner Turner ausrief: Voilä ckes tonrneuis <zui so
tournent!
So hat denn die Pfalz und insbesondere ihre alte Hauptstadt Heidelberg mit
Nadler einen jovialen Sänger ihres leichtlebigen Volkscharakters verloren, einen
Vertreter der Dialektdichtung, mit dem sich nur wenige in Deutschland messen dürfen.
Das ganze Vaterland muß in ihm den geistvollen Satiriker einer wichtigen, der
Vergangenheit angehörigen Volksbewegung erkennen, einer Bewegung, von der freilich
das Wort gilt: Umeos intim mnios poeeutnr et sxtim, aus der aber doch zum großen
S) Nachträglich sehe ich, daß A. Mays schon 1886 das Gedicht in seiner Schrift: „Heidelberg,
gefeiert von Dichtern und Denkern", S. 131 rnitgeteilt hat, allerdings in etwas anderer Weise
w'e ich: so steht auch der letzte Vers bei Mays zuerst.