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Verein Historisches Museum der Pfalz [Editor]; Historischer Verein der Pfalz [Editor]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 15.1898

DOI issue:
Nr. 5 (1. Mai 1898)
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https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/pfaelzisches_museum1898/0071
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67

Auf den nächsten Tag war die öffentliche Verkündigung des Urteils angesetzt.
In der großen Ratsstube versammelter! sich zur bestimmten Stunde die Ratsherren
von Landau mit dein neuen Stadtoberhaupt an der Spitze, alle schwarz angethan.
Dann erschienen in feierlichem Aufzug die Straßburger Gerichtsherren, nämlich
der Intendant de Fehdan selbst mit sieben Lizentiaten, die in lange schwarze Roben
gehüllt waren und Barette auf den mächtigen Allongeperücken trugen. Ihnen
folgten die Gerichtsschreiber, dann die Gerichts- und Ratsdiener, alle ebenfalls im
Amtsgewand. Die Mitglieder des Gerichtshofes und die Ratsherren nahmen an
einer großen hufeisenförmig gestellten Tafel, die mit grünem Tuch behangen war,
ihre Plätze ein, und der Vollstreckungsakt konnte nun beginnen. Nur Standes-
personen hatten als Zuschauer Einlaß auf die Tribüne des Saales erhalten.
Thüren und Fenster des Ratssaales, der zu ebener Erde lag, wurden jedoch offen
gehalten, sodaß die Menge, die sich draußen in der Vorhalle vielhundertköpfig an-
gesammelt hatte, wenigstens etwas von dem Vorgang erhaschen konnte.
Auf einen Wink des Intendanten wurde Schönlaub von Hartschieren in den
Saat gebracht. Der Intendant, der den Vorsitz führte, erhob sich und befahl dem
Greffier, die Anklageschrift vorzulesen. Alle Miffethaten Schönlaubs waren darin
in schwulstigen! Kanzleistil umständlich geschildert und besonders war die Hinterziehun
von Statseinkünften als das Hauptverbrechen hervorgehoben. Fast zwei Stund
währte die Verlesung des umfangreichen Aktenstücks, die Schönlaub fteheuden Fußes
nnznhören hatte. Die Aufzählung seiner niedrigen Thaten inmitten der Ratsherren
und der Bürgerschaft war eine neue Demütigung und eine Pein ohne Gleichen
für den ehedem so stolzen Gebieter der Stadt. Auf die Verlesung der Anklage-
schrift folgte unmittelbar die Verkündigung des Urteils. Als der Gerichtsschreiber
auch dannt zu Ende war, erhob sich der Intendant zum zweitenmal. Er wies
den! Verurteilten mit der Hand die Thüre und sprach in feierlichem Ton:
Hier im Rathaus war eures Amtes - im Namen des Königs befehle ich euch
jetzt, das Haus zu verlassen, wo ihr Mißbrauch getrieben habt mit der Gewalt,
die durch königliche Gnade euch verliehen war!
Die amtliche Handlung hatte damit ihr Ende erreicht. Schönlaub schritt frei
hinaus. Vor der Saalthüre aber uahmen die Hartschiere den Verurteilten wieder
in Empfang, führten ihn die Stiege hinunter und zur Hinterthüre hinaus. Schön-
laub atmete auf,- er war froh, daß inan ihn so den Blick der Menge entzogen
hatte. Er gedachte nun uubeläftigt sein Haus aufsuchen zn können, er glm
frei zu sein und durfte auch wohl annehmen, daß man ihn sogleich von Lau
wegziehen ließe. Sein ansehnlicher Besitz an liegenden Gütern innerhalb der S
bot Gewähr genug für die Ersatzleistungen, zu denen er nach dem Urteil gezwungen
war. Aber auch im Freien, in dem kleinen Seitengäßchen, das an der Rückseite
des Rathauses vorbeizog, ließen die Hartschiere ihren Gefangenen keineswegs los,
sondern führten ihn um das Gebäude herum, an der Wache vorüber zur Haupt-
thüre, und durch diese wieder in die Vorhalle des Gebäudes, damit alle Welt den
verurteilten und abgesetzten Bürgermeister, dem einst so große Macht gegeben war,
mit Muße betrachten könne. Durch diese Schaustellung sollte in wohlberechneter
Weise dem versammelten Volk die hohe Gewalt des französischen Königtums zum
Bewußtsein gebracht werden.
Nach diesem erniedrigenden Nundgang wurde Schönlaub wieder in seinen
Verwahrungsort gebracht, denn noch erhielt er d'e Freiheit nicht. Vor allem war
Abrechnung zu flegen und festzustellen, welche § mie der abgesetzte Bürgermeister
gemäß dem Urteil als Rückersatz zu zahlen hätte. Viele Wochen gingen darüber
hin, aber endlich war die Rechnung fertig. Alles, die Geldstrafe sowohl, wie die
Summe der Entschädigung mußte Schönlnub bar erlegen,- er konnte aber damit
erst zu stand kommen, nachdem er säst alle seine in der Gemarkung von Landau
gelegenen Weingrundstücke, Aecker und Wiesen veräußert hatte. Die fünftausend
 
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