der Dämonen und der Menschen. Da nun alle Seelen der Naturordnung
gemäß auf die erste Seele zurückzuführen sind, so müssen die Amores
aller Seelen zu dem Amor der Urseele in einem gewissen Abhängigkeits-
verhältnis stehen. Aus diesem Grund bezeichnen wir diese Amores ein-
fach als Dämonen |.. .| Diese beiden Amores wirken beständig in uns und
sind jene beiden Dämonen, welche nach Platon unsere Seele stets gegen-
wärtig sind und von denen der eine uns aufwärts, der andere uns abwärts
zieht. Der eine wird Kalodaimon, d. h. guter Geist, der andere Kakodai-
mon, d. h. böser Geist genannt.14'’
Bei Isidor - und damit für die gesamte mittelalterliche Leserschaft - wurde
daraus die Definition Cupidos als daemon fornicationisd^ Schließlich
unterscheidet Dante in seiner Dichtung nicht mehr zwischen Liebe als einer
Emotion und psychischen Verfaßtheit (amore), der einzelnen (personifizier-
ten) Gefühlsregung (spiritel d'amore) und dem Liebesgott Amor selbst, die
gesuchte Gleichsetzung von spiritello und Amor scheint perfekt:
Io mi senti’ svcgliar dentro a Io core
un spirito amoroso ehe dormia:
c poi vidi venir da lungi Amore.147
Der Hinweis auf diese drei Autoren muß an dieser Stelle genügen, die
prinzipielle Ähnlichkeit des Liebesgottes und seiner Begleiter mit den spiri-
telli dürfte deutlich geworden sein. Im Kontext von Liebesgärten findet
Amor als Brunnen- oder Säulenfigur eine naheliegende Erklärung als Herr
über die hier versammelten Liebenden, über Sexualität und Fruchtbarkeit.
I4'1 Marsilio Ficino, Über die Liebe oder Platons Gastmahl, hg. Paul R. Blum, Hamburg
I9<84, VI, viii, S. 216-218, zu Platon, Symposion, 185C, vgl. 202d. - Erst gegen Ende des
15. Jhs. in weiteren Kreisen bekannt wurde die Genealogie der Eroten bei Philostrat, Ima-
gines, I, 6 und Claudian, De nuptiis Honorii, 10, 72f.; vgl. die Darstellung der »Nymphen-
kinder« von Garofalo ca. 1520, dazu Erkinger Schwarzenberg, »Die Lünetten der »stanza del
tesoro« im Palast des Ludovico il Moro zu Ferrara«, in: Arte Antica e Moderna, 26 (1964),
13 1 -150 und 27 (1964), 297-307.
146 Isidor, Etymologiae, VIII, 9, 80.
14 Dante, Vita Nuoaa, XXIV, etwa: »Ich fühle in meinem Herzen eine bislang schla-
fende Liebesregung erwachen, und dann sehe ich aus der Ferne Amor daherkommen.« -
Vgl. Dantes Erläuterung zu einer Canzone, in der ein Spiritel d'Amore als Sprecher auftritt
(Coni’ivo, II, 15, 10): »Uno spiritel d'amore, s’intende uno pensiero ehe nasce del mio Stu-
dio. Onde e da sapere ehe per amore, in questa allegoria, sempre s’intende esso Studio, Io
quäle e applicazione de l’animo innamorato de la cosa a quella cosa.« An anderer Stelle wird
die Gleichsetzung noch weiter getrieben, erscheinen die Liebesgötter geradezu als eine Art
Engel: Über dem Haupt der Geliebten schwebt ein »angiolel d'amore rnnile«, so daß sie als
»coronata d'Amore« erscheint (Dante, Rime, LVI, 17ff.). - Vgl. Cavalcanti, Rime,
XXVIII, 72f., wo alle spiritelli von Amor ausgehen, und die Beschreibung einer armeggeria
von 1464: »molti ispiriregli d’amore chon archi in mano« (nach Lucia Ricciardi, »Col
senno, col tesoro e colla lancia«. Riti e giochi cauallerescbi nella Firenze del Magnifico
Lorenzo, Florenz 1992, 162).
4. Genius loci und verwandte Bedeutungen des Putto 163
gemäß auf die erste Seele zurückzuführen sind, so müssen die Amores
aller Seelen zu dem Amor der Urseele in einem gewissen Abhängigkeits-
verhältnis stehen. Aus diesem Grund bezeichnen wir diese Amores ein-
fach als Dämonen |.. .| Diese beiden Amores wirken beständig in uns und
sind jene beiden Dämonen, welche nach Platon unsere Seele stets gegen-
wärtig sind und von denen der eine uns aufwärts, der andere uns abwärts
zieht. Der eine wird Kalodaimon, d. h. guter Geist, der andere Kakodai-
mon, d. h. böser Geist genannt.14'’
Bei Isidor - und damit für die gesamte mittelalterliche Leserschaft - wurde
daraus die Definition Cupidos als daemon fornicationisd^ Schließlich
unterscheidet Dante in seiner Dichtung nicht mehr zwischen Liebe als einer
Emotion und psychischen Verfaßtheit (amore), der einzelnen (personifizier-
ten) Gefühlsregung (spiritel d'amore) und dem Liebesgott Amor selbst, die
gesuchte Gleichsetzung von spiritello und Amor scheint perfekt:
Io mi senti’ svcgliar dentro a Io core
un spirito amoroso ehe dormia:
c poi vidi venir da lungi Amore.147
Der Hinweis auf diese drei Autoren muß an dieser Stelle genügen, die
prinzipielle Ähnlichkeit des Liebesgottes und seiner Begleiter mit den spiri-
telli dürfte deutlich geworden sein. Im Kontext von Liebesgärten findet
Amor als Brunnen- oder Säulenfigur eine naheliegende Erklärung als Herr
über die hier versammelten Liebenden, über Sexualität und Fruchtbarkeit.
I4'1 Marsilio Ficino, Über die Liebe oder Platons Gastmahl, hg. Paul R. Blum, Hamburg
I9<84, VI, viii, S. 216-218, zu Platon, Symposion, 185C, vgl. 202d. - Erst gegen Ende des
15. Jhs. in weiteren Kreisen bekannt wurde die Genealogie der Eroten bei Philostrat, Ima-
gines, I, 6 und Claudian, De nuptiis Honorii, 10, 72f.; vgl. die Darstellung der »Nymphen-
kinder« von Garofalo ca. 1520, dazu Erkinger Schwarzenberg, »Die Lünetten der »stanza del
tesoro« im Palast des Ludovico il Moro zu Ferrara«, in: Arte Antica e Moderna, 26 (1964),
13 1 -150 und 27 (1964), 297-307.
146 Isidor, Etymologiae, VIII, 9, 80.
14 Dante, Vita Nuoaa, XXIV, etwa: »Ich fühle in meinem Herzen eine bislang schla-
fende Liebesregung erwachen, und dann sehe ich aus der Ferne Amor daherkommen.« -
Vgl. Dantes Erläuterung zu einer Canzone, in der ein Spiritel d'Amore als Sprecher auftritt
(Coni’ivo, II, 15, 10): »Uno spiritel d'amore, s’intende uno pensiero ehe nasce del mio Stu-
dio. Onde e da sapere ehe per amore, in questa allegoria, sempre s’intende esso Studio, Io
quäle e applicazione de l’animo innamorato de la cosa a quella cosa.« An anderer Stelle wird
die Gleichsetzung noch weiter getrieben, erscheinen die Liebesgötter geradezu als eine Art
Engel: Über dem Haupt der Geliebten schwebt ein »angiolel d'amore rnnile«, so daß sie als
»coronata d'Amore« erscheint (Dante, Rime, LVI, 17ff.). - Vgl. Cavalcanti, Rime,
XXVIII, 72f., wo alle spiritelli von Amor ausgehen, und die Beschreibung einer armeggeria
von 1464: »molti ispiriregli d’amore chon archi in mano« (nach Lucia Ricciardi, »Col
senno, col tesoro e colla lancia«. Riti e giochi cauallerescbi nella Firenze del Magnifico
Lorenzo, Florenz 1992, 162).
4. Genius loci und verwandte Bedeutungen des Putto 163