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Monatsblätter für christliche Kunst II. Jahrgang, 3. Heft, Dezember 1909
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst. Preis für den Jahrgang inkl. Frankozustellung M 3.—

„GRUNDSÄTZE, ZIELE UND WEGE
■ DER KUNSTERZIEHUNG“
behandelt in den „Pädagogischen Zeitfragen“,
einer Sammlung von Abhandlungen auf dem
Gebiete der Erziehung, in Heft 18 (III. Band)
Hauptlehrer Eduard Gutensohn. Wir
empfehlen die Abhandlung und möchten im
folgenden auf die dort entwickelten Leitsätze
hinweisen.
Unser modernes Kulturleben bringt einen
beständigen Kampf gegen die gesunde Natur
des Volkes mit sich. Der Triumph des
Materialismus über alles Ideale, die Hast des
heutigen, alles nivellierenden Verkehrs- und
Erwerbslebens lässt die Liebe zur Religion
und Heimat, den Sinn für heimatliche Natur
und Kunst nicht gedeihen. Das Volk sieht
auf die besitzenden und scheinbar gebildeten
Kreise und nimmt unter Aufgabe seiner besten
idealen Güter ihre Afterkultur und die Surro-
gate der Kunst, die sie ihm bietet, als echt
an. Mit den Verirrungen des volkstümlichen
Geschmacks geht leider die Abnahme des
gesunden Natursinnes Hand in Hand. Auch
daran trägt die Verunstaltung der heimatlichen
Landschaft durch unsere moderne Kultur die
Hauptschuld. Auf der einen Seite sieht das
Volk die Naturschönheiten um nur materieller
Vorteile willen vernichtet, während sich auf
der anderen eine widerliche, reinem Spekulations-
geist dienende Anpreisung landschaftlicher
Reize breit macht. Bei dieser Sucht, zu er-

werben, muss selbstverständlich die unrentable
Gemüts- und Herzensbildung vernachlässigt
werden. Eine Änderung dieser Kulturkrank-
heiten ist natürlich nicht von einem Tage
auf den anderen zu erwarten, aber eine
Besserung anzustreben und zu retten,
was noch zu retten ist, erscheint als Pflicht.
Man hat in den Schulen begonnen, die Folgen
der geistigen Anstrengungen durch natur-
gemässe Massnahmen wettzumachen, um die
körperliche Volkskraft zu erhalten; es muss
auch Mittel und Wege geben, den unheil-
vollen Einflüssen, die auf das ideale und
geistige Empfinden des Volkes schädigend
einwirken, erfolgreich entgegenzutreten. Ein
Mittel hierzu ist eine richtig geleitete Kunst-
erziehung. Leider ist mit diesem Worte
schon so viel Unfug getrieben worden, so
dass auch Gutgesinnte es nicht ohne Miss-
trauen betrachten. Man ist in den Kreisen
einer freien Weltanschauung weit übers Ziel
hinausgegangen und wollte dem Volk durch
die Kunsterziehung die Religion entbehrlich
machen, die Kunst selbst sollte ihm diese
ersetzen. Wir erkennen an, dass die Kunst
zu einer Trösterin in so manchen Wider-
wärtigkeiten des Lebens werden kann, aber
höchster Lebenszweck kann sie für den Christen
nie werden. Dazu ist unser Daseinszweck
eben doch zu hoch, denn er ist Gott selbst.
Wenn die Kunst diesem Daseinszweck dient,
so ist es keine Entwürdigung für sie,
sondern ein Vorzug. Von diesen Grund-
 
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