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Monatsblätter für christliche Kunst II. Jahrgang, 4. Heft, Januar 1910
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst. Preis für den Jahrgang in kl. Frankozustellung M 3.—

ÜBER DIE ENTWICKLUNG DES
KIRCHENGRUNDRISSES.
Von H. BOGNER-Regensburg.
Hinsichtlich der allerersten Gestalt von Räu-
men für die christlichen gottesdienst-
lichen Versammlungen sind wir vielfach auf Ver-
mutungen und Schlüsse angewiesen. Als sicher
darf allerdings gelten, dass sich die Jünger
Christi nach dessen Kreuzestod in öffentlichen
Lokalen (Halle Salomos, Tempel, vgl. Apostel-
geschichte, Kap. 5, V. 12 u. 21) sowie in den
grossen Sälen der Häuser der wohlhabenderen
Mitglieder, im Oecus, versammelten (vgl.
Apostelgeschichte, Kap. 2, Vers 42). Diese
Oeci, so verschieden sie sonst sein mochten,
waren fern vom Verkehr im Innern des
Hauses gelegen, mehrschiffig und ringsum ge-
schlossen.
Es konnte ferner jedenfalls denChristen nicht
widerstreben, ihre Religionsübungen im Tri-
klinium, dem Speisesaal des antiken Hauses,
abzuhalten, also in einem Raum, der durch die
Stiftung des heil. Abendmahls ausgezeichnet
worden war. Solcherart benützte Räume wur-
den wohl für religiöse Zwecke reserviert und
entsprechend umgewandelt.
Bei der raschen Vergrösserung der christ-
lichen Gemeinden musste man zu den grössten,
zu den Repräsentationsräumen der römischen
Nobilität, den Hausbasiliken und Gerichts-
sälen greifen (Bas. d.Theophilus in Antiochien,
1. Hälfte des 3. Jahrh.).

Die Christen der ersten Jahrhunderte ver-
sammelten sich ausserdem in den Grab-
kammern (Coemeterien). Hauptsächlich durch
Kombination mehrerer Kammern gewann man
im Laufe der Zeit grössere Räume (Kata-
komben v. S. Agnese u. ad septem Columbas).
Es ergaben sich so kapellenartige und mit
Nischen (Arcosolien) versehene Anlagen. —
Auch die Oratorien (Memoriae, Martyriae,
Confessiones), welche vermutlich den Mittel-
punkt der einzelnen Coemeterialstätten über
der Erde bezeichnet haben, scheinen u. a. als
Kulträume gedient zu haben. Sie zeigen
oblongen Grundplan mit halbkreisförmigen Aus-
weitungen an drei Seiten, während die vierte
Seite den Zugang gebildet haben mag. —
Mehrere Nachrichten deuten nun darauf hin,
dass am Anfang und in der Mitte des 2. Jahr-
hunderts eigentliche, repräsentative
Gotteshäuser noch fehlten, dagegen am Ende
desselben solche einfachster Art vorhanden
waren, und zwar rechteckige, einschiffige Säle,
meist mit Apsis. Beispiele davon aus ältester
Zeit sind allerdings nur durch Schriftsteller
bekannt.
Am Anfang des 3. Jahrhunderts nahm die
Erbauung besonderer Kultgebäude in den Pau-
sen der Verfolgungen sehr zu. Als erster
Kirchenbau mit genauer Entstehungszeit, näm-
lich 206, wird S. Theodoro in Ravenna bezeich-
net. — Unter Kaiser Gallienus (259—268)
mehrten sich die Kirchenbauten derart, dass
Rom allein bald mehr als 40, teilweise freilich
 
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