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Der Pionier — Band 4.1911/​1912

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1. Heft, Oktober 1911
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https://doi.org/10.11588/diglit.56250#0005
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Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandiuerk
IV. Jahrgang, t.Heft, Oktober 1911
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst München. — Preis des Jahrgangs inkl. Frankozustellung M3.—

DAS BILDMOTIV; DIE SKIZZE;
DIE STUDIE
Von den ersten Anfängen eines Kunst-
werkes bis zu dessen Vollendung ist
ein Weg, dessen Weite, Schwierigkeiten und
Aufregungen der Kunstfremdling und selbst
der ehrliche Kunstfreund nicht ahnt. Es würde
kaum gelingen, dem Fernstehenden eine Vor-
stellung von den Seelenkämpfen zu geben,
welche der wahre Künstler — allerdings nur
dieser — mit jeder seiner Schöpfungen durch-
kostet. Und doch wäre ein solcher Einblick
in das Werden der Kunstwerke für das Nach-
empfinden derselben höchst wertvoll. Aber
selbst eine mehr äusserliche Erkenntnis der
Arbeitsweise des Künstlers besitzt für die Aus-
bildung eines gesunden Urteils erhebliche Vor-
teile. Im 6. Heft des vorigen Jahrgangs haben
wir, von Abbildungen unterstützt, auf Seite
41—44 unter dem Titel „Besuch einer Bild-
hauerschule“ Aufklärungen über die Entsteh-
ung plastischer Werke geboten. Manches
dort Gesagte werden wir im Laufe der Zeit
noch weiter veranschaulichen. In ähnlicher
Weise wollen wir den Lesern die Türe zur
Werkstätte des Malers, namentlich des kirch-
lichen Malers, öffnen. Für diesmal seien im
Anschluss an die Abbildungen dieser Nummer
einige grundlegende Winke gegeben. Um nicht
zu weit ausgreifen zu müssen, beschränken
wir uns auf die religiöse Malerei.

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Bei der Profankunst muss der Künstler in
den allermeisten Fällen das Thema zu seinem
Werke selbst wählen, weil er selten in die
Lage kommt, auf Bestellung zu schaffen.
Das hat zur Folge, dass auf diesem Gebiet
namentlich heutzutage meist ein zufällig ent-
decktes oder absichtlich gesuchtes malerisches
Motiv erst zur Wahl der Darstellung führt.
Der für kirchliche Zwecke arbeitende Künstler
sieht sich stets vor ein bestimmtes Thema ge-
stellt, sei es durch freie Wahl, sei es infolge
eines Auftrags. Er schreitet daher nicht vom
sinnlich wahrgenommenen Motiv zum Thema,
sondern von diesem zur künstlerischen Ueber-
tragung in eine malerische Form.
Behandelt der Künstler ein religiöses Thema
ohne Auftrag, so hat er für die künstlerische
Einkleidung desselben freie Wahl: hinsicht-
lich der in die Darstellung aufzunehmenden
Figuren, hinsichtlich der Ausmasse und des
Formates, hinsichtlich der Licht- und Farben-
probleme und der Technik, ja sogar bezüg-
lich der geistigen Durcharbeitung des Stoffes.
Je näher er aber der Ausführung des Themas,
zum Beispiel einer heiligen Familie rückt, desto
stärker muss er sich diese Freiheit beschneiden,
indem er aus den zahllosen Möglichkeiten eine
sachgemässe Auswahl trifft. Er muss sich klar
machen, welchen Zweck sein Werk erfüllen,
für welchen Platz es bestimmt werden soll.
Damit löst sich eine Reihe anderer Fragen
und ist für die künstlerische Haltung manch
 
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