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Der Pionier — Band 4.1911/​1912

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10. Heft, Juli 1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.56250#0077
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Monafsbläfter für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandwerk
IV. Jahrgang, 10. Heft Juli 1912
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des Jahrgangs inkl. Frankozustellung M3.—

VON ALTEN SCHLESISCHEN
DORFKIRCHEN
Von Fritz M i e 1 e r t - Sprottaü
Mit Aufnahmen vom Verfasser
(Fortsetzung.)
Von den hier, man kann sagen glücklicher-
weise noch im Dornröschenschlaf be-
fangenen Landkirchen Schlesiens als Beispiel an-
geführten, sei diejenige von Mollwitz im
Kreise B r i e g als erste genannt. Eine alte, trutzig
mit Strebepfeilern besetzte Mauer umschliesst
dort einen stimmungsvollen, von Efeu und
allerlei blütenreichem Gesträuch übersponnenen
Friedhof und inmitten dessen einen für dörf-
liche Verhältnisse gross zu nennenden Kirchen-
bau (30 m Länge), dessen Backsteinwände sechs
Jahrhunderte gedunkelt und dessen Sandstein-
zieraten, wie zum Beispiel das figurenreiche auf-
wandsvolle Portal die Stürme der Zeit arg mit-
genommen, was jedoch dem Bau eben des-
wegen ein um so malerischeres Gepräge
verleiht.
Doch, so romantisch sich hier das Äussere
auch gibt, überraschender noch wirkt das
Innere. Der in dieses Eintretende sieht
sich unvermutet in eine Bildergalerie ganz
einzigartigen Genres versetzt. Die vier Wände
des durch keine Säulen gegliederten, hellen
und geräumigen Langhauses und des Chores
sind lückenlos bedeckt mit bunten biblischen
Freskomalereien spätgotischer Art. In der
Tat stammen die Malereien auch aus

dem 15. zum Teil 14. Jahrhundert. Zu dem
farbenfrohen Eindruck der Darstellungen
stimmt auch die Farbenfreude der aus Brettern
gebildeten Decke des Langhauses (das Chor
ist gewölbt), die gleichfalls mit den ver-
schiedensten, hier aber nur ornamentalen
Malereien (Monogramm Christi, Blattornamente
Rosetten, heraldische Tiere usw.) in kräftigen
Farben ausgemalt ist. Derartige Wandmaler
reien waren in den Kirchen zur gotischen
Zeit besonders im Brieger Lande sehr beliebt,
und verschiedentlich hat man in den letzten
Jahrzehnten dieselben von der Tünche, mit
der man sie in einer für solche Dinge ver-
ständnisarmen Epoche der beiden jüngsten
Jahrhunderte überdeckte, befreit. Doch bilden
die Malereien zu Mollwitz unter den bisher
aufgedeckten Schöpfungen dieser Art die origi-
nellste und vollständigste Sammlung. Künstle-
risch bedeutend sind die Malereien im Chor, die
an die Malweise der Niederländer erinnern.
Die für damals ganz moderne Landschafts-
staffage, wie Windmühlen, sowie die Kleider-
tracht der Personen auf diesen Fresken im
Chor bieten einen interessanten Beleg für die
moderne Denkart der Maler des Mittelalters,
die sich nicht scheuten, die biblischen Personen
mit modischen Gewändern angetan zu malen und
die Szenerie mit dem zu versehen, was das Leben
gerade Charakterisches bot. Die Windmühlen,
die in jener Zeit erst aufkamen, mögen im
14. Jahrhundert ebenso modern auf den
 
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