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Der Pionier — Band 4.1911/​1912

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8. Heft, Mai 1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.56250#0061
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Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandwerk
IV. Jahrgang, 8, Heft, Mai 1912
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des Jahrgangs inkl. Frankozustellung M3.—

DIE AUFERSTEHUNG JESU IN DER
CHRISTLICHEN KUNST
Von E. Wüscher-Becchi, Rom
(Schluss)
Auferstehung“ wird bei den Byzantinern
_ eine Szene betitelt, die wir „Höllen-
fahrt Christi“ oder „Christus im Limbus“
bezeichnen und die im Bilderzyklus der Orien-
talen und Russen auf die Grabszene mit dem
verkündenden Engel folgt. Letztere Szene
ist in der byzantinischen Kunst abweichend
vom altchristlichen Typus, und zwar dadurch,
dass jetzt, historisch richtiger, das Höhl en -
grab des Herrn dargestellt wird, „das Grab
des Herrn“, „die heilige Höhle“.
Eine der schönsten Auferstehungsszenen,
noch der Blüte der byzantinischen Kunst an-
gehörend, erblicken wir auf einem in Silber
getriebenen Relief, das den Deckel eines Evan-
gelienbuches schmückt. Es stammt aus dem
elften Jahrhundert und gehörte einst der reichen
Abtei von Saint-Denys in Paris an, heute ist
es in der dortigen Nationalbibliothek zu sehen.
Über allen Figuren stehen in griechischer
Schrift die betreffenden Evangelientexte in
erhabenen Lettern. Eine griechische Schrift
umrahmt das Ganze. Sie lautet übersetzt
folgendermassen: „Mit welcher Anmut ist nun
der Engel den Frauen erschienen, Die Abzeichen
der eingebornen immateriellen Reinheit mit
sich tragend, Seine Schönheit ist der Abglanz

des Lichtes der Auferstehung. Er ruft: „Der
Herr ist erstanden!“ Der Engel nimmt die
Mitte der Komposition ein (Abb. S. 58). Er
ist hier von übermenschlicher Grösse,
seine ausgespannten Flügel berühren den Rand
der Bildfläche. Er thront wie ein König mit
Diadem und Zepter auf dem abgewälzten
Steine vor dem Höhlengrab, in das er mit
der Rechten deutet. Der Künstler folgte hier,
wie man sieht, dem Matthäusevangelium; er
stellt in dieser Figur nicht einen der vielen
himmlischen Geister mittlerer und niedrigerer
Rangordnung dar, sondern einen Geist höherer
Ordnung, einen Engelfürsten, „den Engel des
Herrn“. Es ist nach den heiligen Vätern der
Kirche der Erzengel Gabriel; der Engel der
Verkündigung der Geburt ist zugleich der Ver-
künder der Auferstehung. Er ist es, der im
Gewittersturm vom Himmel steigt und den
Stein vom Grabe wälzt, dessen Kleid so weiss
wie der Schnee ist, dessen Gestalt leuchtet
wie der Blitz, vor dem die Erde erzittert, das
Grab sich öffnet, dessen Anblick die Wächter
fliehen macht. Über dem nimbierten Haupte
Gabriels lesen wir die Worte: „Kommet und
sehet das Grab, darin der Herr gelegen.“ Unter
dem leeren Grab, in dem die abgelösten Binden
liegen, sehen wir in winzigen Figuren die bestürz-
ten Wächter fliehen und liegen, und rechts dem
Engel gegenüber die drei Marien (kleiner als der
Engel) scheu sich in eine Gruppe zusammen-
drängend; zitternd vor Furcht und Schrecken.
 
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