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Der Pionier — Band 4.1911/​1912

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9. Heft, Juni 1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.56250#0069
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Monafsblätfer für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandwerk
IV. Jahrgang, 9. Heft, Juni 1912
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des Jahrgangs inkl. Frankozustellung M 3 —

AUSSTELLUNG VON KIRCHEN-
GEWÄNDERN IN BERLIN
Von Dr. Hans Schtnidkunz, Berlin-Halensee
Welchen Aufschwung neuerdings die Er-
kenntnis und Pflege der Paramenten-
Icunst genommen, bedarf hier keines Hinweises
mehr. Nur auf einen oder den anderen
neuen Beitrag zum geschichtlichen Ver-
ständnis des Gegenstandes soll hingewiesen
werden.
Die „Geschichte des deutschen Volkes vom
dreizehnten Jahrhundert bis zum Ausgang
des Mittelalters“ von Emil Michael S J.
(Freiburg i. Br., Herder, seit 1897) behandelt
in ihrem fünften Band (1911) „Die bilden-
den Künste in Deutschland während
des 13. Jahrhunderts“. Von den vier
Abschnitten des Buches ist der letzte der
Malerei gewidmet, einschliesslich eines Kapitels
„Das malerische Element in Stickereien, Ge-
weben und Teppichen“. Hier lernen wir von
Goldstickereien auf Seide, griechischer Rich-
tung, und von Seidenstickereien auf Leinwand,
deutscher Richtung, mehrfache Beispiele kennen,
mit einigen Abbildungen. Als Ursprungs-
und Aufbewahrungsorte treten neben Bamberg
und Cöln noch zahlreiche süd- und nord-
deutsche Orte hervor.
Ausserdem lernten wir in der „Christlichen
Kunst“ VIII/3 (Seite 84—86) eine Erfurter
Kasel kennen, in mehrfacher Stickerei auf

Leinen, mit romanischen Formen, doch erst
gegen die Mitte des 13 Jahrhunderts ent-
standen.
Nun hatte das BerlinerKunstgewerbe-
museum vom November bis Januar 1911/12
eine Ausstellung von Kirchengewän-
dern aus Seidenstoffen des Mittel-
alters veranstaltet und durch einen kleinen,
aber instruktiven Katalog erläutert. Die
Arbeiten auf Leinen blieben, mit etlichen
Ausnahmen, ausgeschlossen; die Seide da-
gegen war auch durch Samte und Brokate
vertreten. Es handelte sich also fast nur um
Stoffe südlicher und östlicher Herkunft, jedoch
meist mit deutscher Bearbeitung insofern, als
dem fremdländischen Stoff ein Kreuz, eine
Borte oder dergleichen aus deutscher Stickerei
aufgelegt ist.
Ein Kreislauf derSeide wird erkennbar.
Mit ihr kamen spätantike Formen nach dem
Osten und dann persische und chinesische
nach dem Westen, zunächst nach Italien.
Hier, vor allem in Lucca, wich die frühere
Art streng symmetrisch stilisierter Figuren
und Tierbilder in gereihten Kreisfeldern einer
natürlicheren, lebensvolleren, freieren Gestal-
tung und Verteilung der Tiere und Pflanzen;
mannigfachste Figuren, zum Teil landschaftlich
behandelt, treten hinzu. Dieser Stil reicht von
ungefähr 1300 bis in die Mitte des 15. Jahr-
hunderts und weicht allmählig dem spät-
gotischen Rankenwerk. Eine Danziger Kasel
 
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