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Denktraditionen in die Botschaft subjektiver
und zugleich universeller Freiheit ummünzen.
Amerikanische Abstrakte, darunter an promi-
nenter Stelle Pollock mit >Number 32< (Abb. 22
und 13), dominierten die Kasseler documenta II
im Jahr 1959 nicht als Repräsentanten amerika-
nischer Kunst, sondem als »Modellfall von
Menschheitskultur«.62 Mit dem Angebot, an
einer allumfassenden Kultur schrankenloser
Individualität jenseits der Systeme teilzuhaben,
und sei es nur durch eine >vitale< Kleidermode
(Abb. 23), konnte die politische Abhängigkeit
der europäischen Länder von den USA zugleich
verschleiert und befestigt werden.63

Kunst oder Natur - Zum Problem
der Inhaltsdeutung

Die Charakterisiemng Pollocks als eines >edlen
Wilden< schloß direkt an den Primitivismus der
europäischen Avantgarde an, die in Gauguin
ihren ersten Helden gefunden hatte. Sie orien-
tierte sich aber auch an der nationalen Bedeutung
der ungezälrmten Natur, die im 19. falirhundert
favorisiertes Motiv der amerikanischen Land-
schaftsmalerei gewesen war und im Regionalis-
mus der dreißiger Jahre eine moderne Renais-
sance erlebte. Pollock selbst hat in seinem frühen
Ölgemälde >Going West< (Abb. 24), das stilistisch
die Abhängigkeit von seinem Lehrer Benton ver-
rät, jenem Topos der >erhabenen< N atur seine Re-
verenz erwiesen, der von der kunsthistorischen
Forschung jedoch in gleicher Weise auch für die
Drip Paintings bemüht wurde. Als traditionelle
Lehrmeisterin der Kunst kam N atur über das von
Newman propagierte Stichwort des Erhabenen
wieder ins Blickfeld, denn diese Vokabel war ur-
sprünglich nicht an die Kunst, sondem an die

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