Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Quelle: Wochenbeilage für Bildung und Unterhaltung — 1.1921

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44514#0025
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mt. Bleibe ruhig liegen, dann. wiki ich dir von der

yvtte erzähle,“ !!, der kleine Knabe.

„Hast du ſchon einmal recht heiß gehabt?“ fragte die Flaſche.

„O ja, im Sommer, da
man: zu erſticken glaubt.“

; „Gut, alſo denke dir dieſe Hite, aber noch hundertmal itärter, |
. die Luft ift wie eine einzige große Flamme, da ſchmerzt das Ge- ;
_ jicht, ſchmerzen die Hände. In einem Raum fſteht ein aroßer, gro- | s
_ :ßer Herd, in allen Farben zucken in ihm die Flammen. Böſe ſpens n.
ex Glut in den Raum. Ein Mann ſtehi vor dem Herd. Er iſt |
halhnackt. Die böse Hite ſchägt auf thn ein, drückt ihm den Schäder
zmſammen, treibt Tränen aus feinen roten, ichmerzenden Augen. |
Er hält ein großes Eiſenrohr, taucht es ins Feuer. Andere Män- |

ner ſchieben Eiſenwagen dahin, auf denen glutende Dinge liegen.

An den Eiſsenſtangen haften weiße Feuerflaſchen, Kinder ſchneiden
sie mit Zangen ab, wehe ihnen, wenn fte unvorſichtig ſind, gleich
ift ihnen die Haut bis auf die Knochen durchgebrannt. Andere Kin-
der laufen mit rotalühenden JIlaſchen, zitternd, angſtvot. Ueber |
ihr Gesicht fließt Schweiß, ihre Körper beben vor Anſtrengung,

den ganzen Tag laufen ſie ſo, laufen, halten den brennenden Tod in
déi g Arbeiter blaſen in Eiſenrohre, ihre Gesichter werden
bhraurot, die Augen treten thnen aus den Höhlen. In dem heißen

Raum ist ein ewiges Rennen und Haſten. Männer, Frauen und

Neinder ellen dahin. Die Gluthitze trocknet ihnen die Kehle aus, ſo

daß ſie kaum zu ſchlucken vermögen, sticht wie tauſend ſpitze Nadeln
in ihre Körper, ihr Herz, ihre keuchenden Lungen. Und die Höt-

lenherde glühen und glühen den ganzen Tag. Immer nrüder wer-

î den die Mencchen, können ſich kaum mehr ſchleppen, sie ſtolpern, cee |

quält von Angft, ſie tönnten fallen, das böſe Feuer, das ſie tragen,

könnte auf ſie ſtürzen, fie verſchtingen. Die Gefichter der Kindér
§ werden alt, sie ſehen wie traurige kleine Zwerge auen. ;

' Tag für Tag brennen die Flammen, siedet vie Hize, stöhnen
und keuchen erſchöpfte, von der Hitze wahnsinnige Menſchei. Das,
î Lleiner Peter, iſt eine wirkliche Hölle, in der auf der Welt Tauſende

von Verdamunten leiden.“

„Und du ſagst, der liebe Gott verdamint nicht nur vböſe NMeit-

ichen zu dieser Hölle?“ fragte der kleine Knabe.
Die Flaſche lachte abermals, doch klang jett ihr Gelächter vöje

rtr. hat ja gar nichts damit zu tun. Zu diefer Hötle

verdanmen bie Menſchen einander. Die Verte, die in der Glut-
hitze leiden, find noch froh darüber, daß fie in dieſe Hölle gelangen
tonnten, ſonft würden ſie und ihre Finder vielleicht Hungers ſter-
ü „Aber wer ſchiékt die armen Leite in die Hötter. ;

„Die Reichen, die Menschen, die in ſchönen Gärten hetchch

tühté Luft einatmen, während die Armen in der Hite verdorren.

_ Darin hat das dumme Weih ganz recht, es gibt Teufel, die mit

glühenden Zangen die armen Vervammten kneifen und quälen,
aber dieſe Teufel ſind nicht schwarz, haben weder Hörner noch

Schwänze, sondern tragen ſchöne Anzüge und ſeitene Nleider, und

die Zangen, die sie halten, heißen Slend und Not.
; „Ich verstehe nicht,“ meinte der kleine Peter, warum és ſo böſe

Merntſchen gibt.
; „Die Streichholzichachtel wollte es dir gestern erklären," entgeg-
nete etwas vorwurfsvoll die Flaſche. „Sie wollte dir vom kapita-
liſtischen Syſtem erzählen, aher du biſt dabei eingeſchlafen.“

„Sei nicht böſe,“ bat der kleine Knabe, „ich verstehe dieſe schwe-

ren Worte nicht, weiß nicht, was sie bedeuten.“ -
„Sie bedeuten, daß jener, der Geld hat, Herr über ven ist, der
keines hat. Ich will ja nicht einmal behaupten, daß alle Reichen
Teufel sind, aber jedenfalls handeln ſie alle wie die Teufel. und
das kornimt so. Schon als kleine Kinder haben ſie alles, was ſie
wollen, wisſen nicht, was es heißt, zu hungerw und zu frieren, braa-

chen nur zu ſagen: „Ich will dies, ich will das,“ und sie bekommen
es auch ſchon. Natürlich behagt ihnen das, dir würde so ein Le-

ben doch auch gefallen?“
Der kleine Knabe nickte. ;

„Wenn ſie ſpäter älter Üvetden, io 1 jernen fie, daß es das Geld
iſt, das ihnen das gute Leben schenkt. Und sv wollen ſie immer das
Geld haben, viel Getd, und deshaich müſſen andere für sie arbeiten.
Diese anderen aber haben keine reichen Eltern, sind froh, wenn sie
eiwas. verdienen können, müfsen ſich in alles fügen, damit ſie nicht

; verhungern. Verſtehſt du dassn.

_ »Ha," erwiderte der kleine Peter zögernd, „aber wird das im-
uer NY?! (acgkete die Flaſche. „Es gibt ante. kluge Menschen

auf der Welt, die gegen das Syſtem kämpfen und fordern, atle

Menlſchen ſollen arbeiten und jede Arbeit: ſol ſoviel Lohn enthal-

ten, daß die Leute gut davon leben können. Diese guten, klugen |
| einer Ellipſe hat. In dem einen Brennpunkt der Elcipſe ſteht dle

Menſchen intennt man Sozialiften. Merke dir das Wortn.
H„Ich werde es nicht vergeſſen,“ verſprach der kleine Knabe.

.d : ;Erzühte noc, etwas. Woher tennſt du die Höue, die du mir ge-
; Î L a

„Weil ich ſetbſt dort geschaffen wurde, kleiner Dummkopf. Ueb-

!: . riocis v ys ich dir senug erziſt. Venx ich pr. s ttt heyett





ſich das Waſſer, das in mir ift, und verursacht mir Magenfehmer-
zen. Schlafe jezt ein wenig, es ift ſpät, die Mutter wird ge e

tommen."

hier in der Straße so ichwül, daß | 7% .



' Von ple . bis g
, W 350. Eshnrtstage Keplers (27. Dezember).
îDVon Karl Waaner. r

_ In der Gegentyart erleben wir den zweiten großen Vendts. ;
punkt, den die abendländiſche Geſchichte der Aſtronomie kennt.
Einstein stellt durch seine neue Mechanik des Geſchehens im Welten-
raum die seſetzmäßige Erfaſſung der Sternbewegung auf eine gans .
neue Grundlage. Es iſt eine Revolution in der Geschichte dern
Astronomie von der Bedeutung, wie diejenige, die sich mit dem

Namen Kopernikus, Kepler, Newton verbindet. Da wenden wir

unſer geistiges Auge auch gern einmal jenen Ereigniſſen ver

300-400 Jahren zu, um im kurzen Ueberblick zu erkennen, wie auch
bie heutige Revolution der Wiſſenſchaft im wahrsten Sinne eine
Revolytion ist, die nur alle Keime wachjen und Fruchti tragen. läßt,

die ſchon in der Vergangenheit gelegt wurden. Um io lieber wenn.
den wir den Blick in jene Zeit zurück, als uns der 350. Geburtstag

eines großen Mannes, der im Anbruch einer neuen Zeit lebte, vazu

vereuest.veu Keplers ift das typiſche Bid des Seidensweges

‘eines großen Mannes, der um seiner großen Gedanken witten von.

Jeinen Mitmenschen verfolgt wird und in materietter Not vitteren.
Nummer leiden muß. Am 27. Dezember 1571 wurde Kepler in
Württemberg geboren. Er beabsichtigte Theologie zu studie-

ren. Nur deshalb beſchäftigte er ſich auf der Univerſität T ü b in-
g en zunächſt mit Mathematik, weil dieles Vorſtudium damals

für Theologie vorgeſchrieben war. Doch wurde er damals schon.
mit der neuen Kopernikaniſchen Lehre vekannt. Während man vis
dahin geglaubt hatte, die Erde ftände im Mittelpunkt der Welt
und alle Planeten - zu denen man auch die Sonne rechnete
bewegten ſich um die Erde, war für Kopernikus das dbedeutendſe.
Gestirn unseres Planetenſyſtems die Sonne. Man konnte nach
seiner neuen Lehre nur zu einer ſinngemäßen und einfachen Ve-
schreibung des Naturgeſchehens kommen, wenn man die- Sonne
als ruhender Mittelpunkt betrachtete und von ihr aus die Gg |
? | Gedanken zu eigen und hat als erſter eine Beſchretbung der PVlen.
netenbahnen nach diesem Prinzip fertiggebracht. Bis zu dieser Te
blieb das Kopernikaniſche Weltſyſtem eine herrliche Theorie, hie
aber noch nicht den richtigen Anschluß 1 an die Erfahrung sefunden



der Planeten und der Erde beschrieb. Kepler ms

hatte.

Man begann Keplers Begabung zu erkennen und berief ihn. tu j
seinem 23. Lebensjahre nach Gras als Profeſſor der Mathematik.
| Durch die Proteſtantenverfotguna gezivungen, im Jahre 1600 Graz
zu verlaſſen, begab er ſich zu Tycho Brahe in Prag, der dort eme
für damalige Zeiten vorzüglich ausgestattete Sternwarte beſaßs

Tycho Brahe starb ein Jahr darauf, aber Kepler wurde in Prag
als Hofaſtronom angestellt. Elf Jahre hielt er in Prag in kümmer-

_ | lichſten Verhältniſsſen aus, aber als der Kaiser Rudolf !!. geftorven

war, begab er ſich als Profeſſor der Mathematik an die Land-
schule von Linz. 1613 verließ er Linz, um auf dem Reichstag zu

Regensburg die Einführung des. Gregorianiſchen Nalenders, der
jetzt noch für uns gültig iſt, durchzudrücken. Ein andermal verliess
er Linz, um seine Mutter zu verteidigen, die als Hexe angeklant..
war; es gelang ihm, ſie vor dem Feuertode zu bewahren. 1628
vertrieb ihn wieder einmal die Proteſtantenverfolgung, nachhſean.

er 15 Jahre in Linz in unglücklichen Verhättniſſen gselest hatte.

Er ging nach Ulm. Vergeblich wandte er sich an Wallenſtein, en

den ihn der Kaiser gewiesen hatte, um die rückständigen Gelder,

die ihm die Not lindern ſolſten, zu erhalten. Niemals sorte dieſene
große Mann ſich und ſeine Familie von der Not befreit sehen. Die

Verzweiflung trieb ihn ſchließlich 1630 nach Regensburg, wo er

beim NKaiſer perſönlich vorſtellig werden wollte.. Aber kaum dort

angekommen, starb er am 15. November an den Strapazen dex
Reiſe und vor Kummer.

Die zahlreichen und außerordentrich ſsorgfältig in den ſogs-
nannten Rudolfiſchen Tabellen verzeichneten Beobachtungen von
Tycho Brahe benutzte Kepler, um die Bahnen der Planeten mur
die Sonne zu berechnen. Es gelana ihm, die wichtigen drei Nep-
lerschen Geseße der Planetenbewegung daraus abzuleiten. Dieſe
drei ſo wesentlichen Gesetze ſind:

.1. Die Planeten bewegen ſich auf einer Bahn, die die Geftalt

Sonne. (Die Zeit, die z. B. die Erde braucht, um etmnai die sanze
Ellipſe zu durchlaufen, iſt ein Jahr.)

2. Man denke sich von der Sonne zum Planeten eine Linie, . .

den fsogenannten Leitftrahl gezogen, dieſer feittry: breth!.
tent der Flanet fich Jortdewegt, tine Fläche. J



. munter ihnen bis hinauf zu euch: Zu spät -- zu spät .

ftrengen Angen; denn er hat ja noch nie etwas von auh gehört,

weil es euch ia immer gut ging da drunten. Saget ihm nur, wie- |
viele Tränen ihr getrocknet habt auf Erden und daß ihr ſie alle recht

' lieb gehabt, eure armen notleidenden Mitbrüder. Dürfet dann
kicht gleich ungeduldig werden, wenn man jie euch nicht ſofort an-

)eftei, die Engelsflügelein, denn der liebe Herrgott muß doch erſt
'uer Konto mit euren Angaben vergleichen, denn es wird doch gar

fo viel geflunkert, ganz beſonders, wenn es um die Seligkeit geht,

und eber will der Befle gewejen sein. Wenn dann alles ftimmt,

danu feid zufrieden. Und es wird ſchon ſtimmen. Hat euch doch

fchon ber hochwürdige Herr in ſeiner Grabrede gar warm empfoh-

len. Ihr wäret der Beften einer geweſen, hat er gemeint und euch
. ehr gelobt, ſo daß jeder, der es gehört hat, ergriffen war, weil ihr

ia ſchon auf Erden ein rechter Engel geweſen seid, dem es da dro-
bén nicht fehlen könne. Hoffentlich hat ſich der geiftliche Herr nicht
geirrt ~ das wäre bann aber ſchlimm, sehr ſchlimm . . . . Schließ-

tich ſteyt ihr dann da droben und wartet und wartet und müſſet se. |
treppe. Will euch noch weiter erzählen von dem Elend, das ich

ſchon ſo oft gesehen und von dem ich auch ſo manches am eigennn.

hen, wie ſie hereingelaſſen werden in großen Scharen, die armjeli-
ECO ENO
jreut ſich gar weidtich, daß das beſchwerliche Steigen auf der Lauf-
ireppé ein Ende hat. Gerade befommt auch er ſeine Flügel ange-

heftet, und fort iſt er. Und wenn ihr dann frieren ſollt in euren

dünnen Sterbehemdlein, weil das Warten so gar kein Ende nehmen
will, dann könnt iht es ihm ta dann fagen, dem alien Himmels-
vförtnex, und er wird euch einen Platz anweiſen, in dem gar ſchön
geheizt wird und wo ihr ſicherlich ſo manchen Bekannten treffen
werdet. Und dann ſeid ihr geborgen auf ewig ~ — und drunten
1äuten bie Glocken bumpf und schwer: Liebe, Liebe, Friede
auf Erden, zwischendurch luſtiges Gebimmel: Und den Menſchen
eln Wohlgefallen. Aber wuchtig ſchwingt und dröhnt die arößeſte

Sd u Wi g E wu g u u S

Gar freudig wird es erwartet, das Chrisſtkindchen, heute am
heiligen Abend. Iſt ja auch ein gar liebes, trautes Fest, das Weih-
uachtsfest, Das durch die herzinnige Liebe und das geheimnisvolte
Getuichel nur noch reizvoller wird. Tannenduft überall und Kinder-
jübel, Berzerfriſchendes Leuchten der Augen, wenn das Chriſtkind
das Richtige gebracht hat, was sie auf den Wunlſchzettel geſchrieben,

die Ninder. Hab in meiner Jugend auch ſo manchen heimlichen

Wuinſch aehabt; aber ſelten hab ich das bekommen, was ich gern ge-
habt hätte. Auch ich hab immer erwartungsvoll den heiligen Abend
herbeigeſehnt; denn es iſt mir ja immer geſagt worden, daß das
Vhriſikindbein all die ſchönen Sachen bringt. Und jedes Jahr ist es
gekorninert und hat mir einige Stücklein Spielzeug gebracht; aver

mrit #hnsn hatten reiche Buben ſchon lange geſpielt, und jet moch-
ten ſie es nicht mehr. Und ich hab mich doch inrmer rieſig gefreut

und war dankbar, daß es wenigstens an mich gedacht hatte und

; uicht an unsrer ſchrägen Manſardenwohnung vorbeigeflogen war..
Het es ja begreifen können, daß es nicht jodes Jahr neue Sachen

bringen kann, das -Chriftkindchen, denn woher soll es denn das
viele Geld. nehmen? Gold, Weihrauch und Myrrhen haben ſtie ja
sebracht, die drei Weiſen aus dem Morgenlande, aber trotzdem hat
der Joſeph nach wie vor ſein Geld an der Hobelbank verdienen

müſsen. Muß alſo jedenfalts nicht ſo viel Gold gewesen sein, jon.
dern mehr Weihrquch und Myrrhen, und auch das Chriftkind iſt |
doch arm geblieben, solange es lebte und hat oft nicht gewußt, wo

es ſein Haupt hinlegen follte. Allerdings hab ich als kleiner Bub

marl von der Mutter geſaat bekommen, das Christkind brauché nichts |
zu kaufen, denn alles werde im Himmel gemacht und gar viele En- |

gelein seien damit beschäftigt, all die schönen Spielſachen anzufer-
tigen. An vielen langen Tiſchen ſäßen sie mit ihren goldenen und
ſilbernen Nleidchen und glitzernden Flügeln und arbeiteten für die

armen Kinder auf ver Erde. Muß ein gar emſiges Arbeiten gewe: |
fen. fein, da droben in wem großen Himmelssaal und eine wahre |

Yroude für die Engelsin, das Sägen und Schnitzen, Leimen und

fertig iſt. Und sein Vater arbeitet tüchtig mit an den Schaukelgäu-
len, Kaufladen, Pferdeftälten und Puppenftuben. Ist doch auf Ex-
Den ein Zimmermann ageweſen und weiß ſchon umzugehen mit dem
Werkzeug. Ift nur ſchade, vaß ſo viele arme Kinder doch nichts be-
kommen vun all den herrlichen Dingen. Haben doch viele kaum
ein dünnes Nleidchen zum Anziehen und müſſen haufen mit Eltern
und Geſchwiſiern in dumpfen, kalten Wohnungen. Arm liegen sie
ha, ble dunklen Gaſſen des Elends, wo sie wohnen, auch heute, an
beiligen Abend. In allen Ecken und Winkeln kauert die Not, und
wieviele traurige, notleidende Kinderaugen pressen das schmale,

: !: Fett gealterte Geſichtchen an die kalten Fenſterſcheiben, hung-

und frierend in der dunklen, kalten Stube, denn die Mutter
öanu kein Petroleum kaufen, es iſt zu teuer. Und auch keinen Tan-

Hu

menbaum hat ihnen das Christkind gebracht und gar arg muß es '!

Hluten, das Mutterherz, wenn die Glocken läuten und es ankün-
bigen, das Feſt der Liebe, mit ſchweren, erzenen Schlägen von allen
Nirchtürmen der Stadt: Liebe, Friede auf Erden und den
Menſchen ein Wohlgefallen. Und es rinnen die Tränen über die
vergrämten Wangen, und ſie reißt ſie an ſich, die Kinder, ihre Kinder,
mit einem Herzen voller Liebe, die Berge verſeßen könnte und doch
Eereus. M urch bittere Armut die fetten Ffertig eetthrtgett

gen eure Kinder: „Ihr Kinderlein kommet .



kann für ein kleines, sehnſüchtiges Kinderherz. Sie hätt sich die
Ohren zu, denn sie kann es nicht mehr hören, das Läuten, bas die

Liebe verkündigt. Es zerreißt1 etwas in ihr . . ÿ . Und die Kinde.
die begreifen es nicht, warum das Chriſtkindchen ſo lange auf ſich

warten läßt, denn die Spielsachen koſten doch nichts, uud alles
bringt doch das Chriſtkind heimlich, ganz heimlich, wenn es dunkel
iſt. Und weiter ſtarren ſie hinab in die dunkle Gaſſe und warten
auf das Wunder. Und warten . . . und warten, bis ihnen die
Augen zufallen, lautlos, ohne Flage und ſie wenigſtens im Traum
Weihnachten feiern können, Aber wenn ſie erwachen, iſt alles vor

bei und gar froftig iſts in der kahlen, dänunrigen Stube. und wie.
der heißt es ein Jahr zuwarten und hoffen auf vas Jhrisſttindchen.

Iſt ja vielleicht nur ein Verſehen gewesen, hat ſie ſtcher nur ver-
luis sgh die Mutter freut ſich, wenn es vowet it, "th: et-

Haltet ein wenig inne, ihr érute “Äut der breiten “Herrſchafis-

Leibe verſpürt have. Fragt ſie nur, die Niepenmänner, die eure
Lauftreppe gehen, wie sie leben müſſen. Und ſeht euch um in den
dunklen Gassen, von denen ich eben ſprach, in denen das Grauen

wohnt. Aber das ſeht ihr nicht gerne. Kann es euch nachfühle.
Iſt auch kein schöner Anblick und eine gar schlechte Luft. Ihr könn-

tet ſonſt krank werden Bleibt alſo ruhig daheim und laßt ſie im-
daran, daß viele nicht kommen dürfen und ſich ' ut r tt
Abend, Kinder, die genau von demſelven Schöpfer, genau das Ra-

turprodutt. wie die eurigen und doch ausgeſchloſſen ſind von allen f

Freuden der Kindheit ~ durch wesen Shu.

c ~ ~ w ~ æ . –E.:. f

î Und jetzt vin ich zu Haufe und gleich will ich eim Bäumchen an-

| zünden und mich freuen mit meinen Lieben, und ſchon umfang.

mich ſüßer Tannenduft; als ich auf der Treppe ftehe - va auf ein-

mal huſcht ein Schatten an mir vorüber, nur einen Augenblick, «ven.

ich weiß, was es iſt, es iſt die Erinnerung an ſv memchen Weih-
nachtsabend und so meniche ſchwere Stunde an dem einzigen Ort
weit draußen, wo allein Friede herrſcht auf Erden. uad reſh ftectte
ich ein Vergißmeinnicht in den welken Strauß . . . .

Lüängft haben fie aufgehört zu läuten, vie Glocken, bie erzühlen
nicht 11ehr von Liebe und Frieven auf Erven, von ver Lieve, vie

der große Nazarener verkündet und die er gepredigt bis an sein l
Ende. Und ver seine Lehre mit dem Tode büßte, denn sie mochten |

nichts Hören von ihr, vie ihre wilbven Tänze ausführten um as
goldene Kalb, und die es Heute noch tun. Unb erfi dann, wenn er
geendet, dieſer wilde Tanz, wenn sie aufgehört hat, vie Unterdrüt-

kung und Ausbeutung, wenn es nicht mehr Herren und Nnuechte,

sondern nur noch Menfſchen gibt, geschaffen von einem Schöpfer,

mit gleichen Rechten und Pflichten, dann wird es wahr werven.

was sie uns verkündet haben, die Glocken heute, am heiligen
men st: Frieve qu Erden uuv den muten ein Wohlge-



!! ' Dezemberabend. - t ê.
Von Aifons Petbols. v::

Wie das von eisgrauem Bartgewirr umbuſchte Haupt

_ des einſamen Judengottes ..
reckt sich der Berg aus dunkel hingedämmerten schtven 1.5.
in den enzianblauen Abendhimmel hinäén.
_ Seine kurze engliſche Pfeife im Munde, 's n..
den Dämon der Haſen, Rehe, Füchse, das Gewehr ewuru.t
nachläſſig über die breite Schulter getänten.
geht ein Jäger über den harſchigen Wieſenſchnee: 114

Sein Hund pendelt, klein wie eine Ratte énzuſehen. uwe.

weit voraus den Horizont tytlens.
Hämmern. Unt das ChHriſtkind kann gar nicht abwarten, bis alles

; N. zer'gz Jäger den Doppellauf ~-

. ti~ F! ; tvatzen Sterne gleich
. qftürzt eine Krähe :
' auf die fahle, weiße Scheibe :
t der Wiese. ;

! Schellengeläute hängt in der Luft. ;
Gelſang der Kälte. ; t
Schuhuichu -- ein Schlitten braufſt wie ein Stück Bind vers.

. In feiner Tiefe dunkelt ein Ballen .
î dredglos, wohl die Nacht |iſelbſt. ! ; i
. Aber im Lichtkegel der Straßenlaterne f

löſt er sich in zwei Gestalten. ; : F.!

und blonde Frauenhaare alänzen slitchnett tus .

Ich weiß es, der Schlitten s !

.. iſt mit Küſſen bis an den Rand gefällt

. und zwei Menschen saugen fich im Rüter Der iaegenden tere

î die Seele ous.

Türen falten ius Schloß.
, ttt 1 tzixthht unter Füttes ".
 
Annotationen