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Reisch, Ludwig; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege [Mitarb.]
Der vorgeschichtliche Hornsteinabbau bei Lengfeld, Ldkr. Kelheim und die Interpretation "grobgerätiger" Silexindustrien in Bayern — Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte, Band 29: Kallmünz, Opf.: Lassleben, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.74370#0025
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LENGFELD UND DIE GROBGERÄTIGEN SILEXINDUSTRIEN
BAYERNS

DIE JURAKULTUR

Im September 1932 hatte Gumpert die prähisto-
rische Fachwelt Bayerns mit einer neuen Kultur
bekannt gemacht, für die er, da sie offensichtlich
in ihrer regionalen Verbreitung auf das Gebiet
des Jura beschränkt war, den Namen Jurakultur
vorschlug53.
Zu diesem Zeitpunkt hatte er von mehr als 100
Fundplätzen in den Landkreisen Amberg, Eich-
stätt, Hersbruck, Kelheim, Lichtenfels, Neumarkt
und Regensburg sowie in der Fränkischen Schweiz
„über 20 000 wirklich gute Artefakte" 54 aus Quar-
zit und blaugrauem Jaspis gesammelt. Bald war
die Zahl der Fundplätze auf über 120 angewach-
sen. Neben Plätzen mit „nur einigen Dutzend
Artefakten" gab es „auch solche von Kilometer-
länge mit mehreren tausend guten Fundstük-
ken"55, und an einzelnen von ihnen hatte er
„mehrere Zentner Silexabfallstücke" gefunden 56.
Die meisten dieser Fundstellen lagen auf juras-
sischem Untergrund, einige auch auf Schotter-
terrassen der Donau und auf Lössen im Jura-
grenzgebiet. Allen war die Lage auf Nordhän-
gen oder in nördlich orientierten, häufig feuch-
ten Mulden gemeinsam; Südhänge schienen ge-
mieden worden zu sein. Gumpert erklärte dies
mit besonderen klimatischen Verhältnissen, denn
es schien ihm, „als ob der Mensch vor der sen-

genden Mittagssonne und vor austrocknenden
Winden Schutz gesucht" hätte57.
Diese Jurakultur hatte einen ausgesprochen
makrolithischen Charakter, denn Werkzeuge von
0,5—1 kg Gewicht waren nicht selten. Kennzeich-
nend war, daß die meisten Geräte unter Ausnut-
zung gegebener Zufallsformen und mit nur we-
nigen Retuschen aus Trümmerstücken hergestellt
waren, ohne daß auf Formschönheit oder Sym-
metrie Wert gelegt worden wäre. Gumpert konnte
etwa 35 Typen, darunter Primitiv-Faustkeile,
Handspitzen, Doppelbuchtspitzen, verschiedene
Schaber und Kratzer usw. unterscheiden58. Er
glaubte, einen deutlichen Moustiercharakter und
nur geringe Aurignacieneinflüsse erkennen zu
können, und sprach daher von einer Faustkeil-
kultur, und zwar, wie er aus verschiedenen geo-
logischen Beobachtungen glaubte schließen zu
dürfen, von einer spätjungpaläolithischen 59. Er
hatte nämlich beobachtet, daß die fraglichen Fun-
de in einer diluvialen Verwitterungsschicht la-
gen. Diese Schicht verglich er mit einer ähnli-
chen, die er in den Abris Rennerfels im Ailsbach-
tal Ldkr. Pegnitz60 und Steinbergwand bei Ens-
dorf, Ldkr. Amberg61, im Hangenden einer gla-
zialen Lößlehmbank angetroffen hatte. Da sie
dort Funde des Magdalenien enthielt, in den

53) Vortrag Gumperts auf der 16. Hauptversammlung des Verbands bayerischer Geschichts- und Urgeschichts-
vereine zu Weißenburg i. B., den P. A. Pils in der Sitzung am 5. 9. 1932 verlas: K. Gumpert, a. a. O. 1933 (c).
54) K. Gumpert, a. a. O. 1933 (c), 150.
55) K. Gumpert, Die Jurakultur. Germania 18, 1934, 1.
56) K. Gumpert, a. a. O. 1933 (c), 150.
57) K. Gumpert, a. a. O. 1933 (c), 153.
58) K. Gumpert, a. a. O. 1933 (c), 151 f. — Ders., a. a. O. 1934, 4 u. Abb. 1—2.
59) K. Gumpert, a. a. O. (1933 (c), 152 f.
60) K. Gumpert, Der madeleinezeitliche „Rennerfels" in der Fränkischen Schweiz. Prähistorische Zeitschrift 22,
1931, 56 ff.
61) K. Gumpert, Eine paläolithische und mesolithische Abri-Siedlung an der Steinbergwand bei Ensdorf in der
Oberpfalz. Mannus 25, 1933 (d), 176 ff.

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