Ordnung und Datierung, könnte man in ein-
zelnen jung- oder endneolithischen Fundkom-
plexen die Hornsteinerzeugnisse der Lengfelder
Werkstätten ausfindig machen. Diese Gegenprobe
ist leider nicht, zumindest noch nicht, möglich.
Zum einen fehlen umfangreichere und systema-
tische Siedlungsuntersuchungen für die Zeit des
jüngeren Neolithikums aus der Umgebung Leng-
felds; zum anderen ist sicher, daß alle in Frage
kommenden Komplexe ihr Rohmaterial aus dem
Juragebiet bezogen haben, wobei sich Hornsteine
aus verschiedenen Lagerstätten wegen ihrer all-
gemein großen Variationsbreite in Farbe und
Struktur weitgehend ähneln und daher nicht ein-
deutig identifiziert werden können 272.
Dennoch muß der in Lengfeld gewonnene und
verarbeitete Hornstein ein größeres Verbreitungs-
gebiet gefunden haben, auch wenn es sich bei
ihm wohl nur um mittelmäßige Ware handelte,
die keinen Vergleich mit dem qualitätvollen Si-
lex etwa aus Grand-Pressigny oder den belgi-
schen Bergwerken aushielt. Eine kleine, mit aller
Vorsicht hier vorgetragene rechnerische Überle-
gung soll dies verdeutlichen. Die Zahlenwerte
der Grabung 1968 stützen sich auf die Untersu-
chung von circa 4,5 m3 Sediment. Gumpert hat
bei seiner Grabung über 500 m2 untersucht, was
einer Mindestmenge von 500 m3 Fundschicht ent-
sprechen dürfte. Berücksichtigt man, daß die 1968
beobachtete Funddichte nicht verallgemeinert
werden darf und möglicherweise, zumindest im
Vergleich zur Gesamtfläche, zu groß ist, greift
man sicher nicht zu hoch, wenn man für eine
Berechnung des tatsächlichen Fundanfalles auf der
von Gumpert untersuchten Fläche den Faktor 50
annimmt. Bei einer Anzahl von 358 Kernsteinen,
einschließlich der Vorformen und Kernartigen,
ergäbe dies eine Mindestzahl von über 18 000
Stücken für die gesamte bis jetzt untersuchte
Fläche. Diese stellen jedoch nur den liegengeblie-
benen Ausschuß dar. Akzeptiert man die oben
vorgetragene Ansicht, in Lengfeld seien vorzugs-
weise Vorformen bifazialer Geräte hergestellt
worden, und nimmt man das Verhältnis von
Ausschuß zu verwendbaren Vorformen mit nur
10:1 an, so bedeutet dies, daß aus dem gesam-
ten untersuchten Bereich mindestens 1 800 Stück
gewonnen wurden. Vergleicht man diesen Min-
destwert nun mit den Gerätezahlen aus unter-
suchten Siedlungen, so möchte man doch anneh-
men, daß die Lengfelder Produktion den Bedarf
einer einzigen Siedlung um einiges überschritten
hat 273.
Trotzdem war es bisher nicht möglich, die Ver-
breitung dieser Erzeugnisse in irgendeiner Weise
aufzuklären und damit die chronologische und
kulturelle Einordnung der Fundstelle Lengfeld-
Süd zu sichern.
ZUSAMMENFASSUNG
Die hier vorgetragenen, in mancherlei Hinsicht
neuen Ergebnisse können kaum den Anspruch
erheben, in allen Teilen durch eine eindeutige
und zweifelsfreie Beweisführung gesichert zu sein.
Die Belege, die zusammengetragen wurden, sind
nicht so zwingend, wie es zu wünschen wäre, und
die daraus gezogenen Schlüsse sind zwar nahelie-
gend und auch bis zu einem hohen Grade wahr-
scheinlich, doch bleiben eine Reihe von Fragen
offen. Andererseits müssen jetzt viele der in der
Vergangenheit auf den in ihrem Aussagewert
recht beschränkten Funden und Befunden aufge-
bauten Theorien als unhaltbar aufgegeben wer-
den, will man nicht das Quellenmaterial über-
272) Erst in 'allerjüngster Zeit hat eine Arbeitsgruppe des Britischen Museums, London, Versuche unternommen,
um auf dem Wege genauer chemischer Analysen eine Methode zur Identifikation der aus verschiedenen Berg-
werken stammenden Silexgesteine Großbritanniens zu entwickeln (G. de G. Sieveking u. a., Characteriza-
tion of Prehistoric Flint Mine Products. Nature 228, 1970, 251 ff. — G. de G. Sieveking u. a., Prehistoric
Flint Mines and their Identification as Sources of Raw Material. Archaeometry 14, 1972, 151 ff.).
273) Diese Kalkulation sollte lediglich helfen, einen Mindestwert, jedoch nicht den wirklichen Umfang der
Schlagstättenproduktion in Zahlen zu fassen. Der Ertrag war sicher wesentlich höher, da einerseits die Fund-
stelle ausgedehnter als die untersuchte Fläche ist, andererseits die Funddichte insgesamt und — im Hinblick
auf die Rentabilität — wohl auch der Anteil gelungener Artefakte höher gewesen sein müßten, als hier an-
genommen wurde. Falls im übrigen Kernsteine, die ja jeweils mehrere Abschlaggeräte liefern können und
bei deren Zurichtung auch weniger Ausschuß anfällt, hergestellt wurden, müßte sich die Zahl der Geräte aus
dem in Lengfeld verarbeiteten Hornstein noch weiter erhöhen.
— 68 —
zelnen jung- oder endneolithischen Fundkom-
plexen die Hornsteinerzeugnisse der Lengfelder
Werkstätten ausfindig machen. Diese Gegenprobe
ist leider nicht, zumindest noch nicht, möglich.
Zum einen fehlen umfangreichere und systema-
tische Siedlungsuntersuchungen für die Zeit des
jüngeren Neolithikums aus der Umgebung Leng-
felds; zum anderen ist sicher, daß alle in Frage
kommenden Komplexe ihr Rohmaterial aus dem
Juragebiet bezogen haben, wobei sich Hornsteine
aus verschiedenen Lagerstätten wegen ihrer all-
gemein großen Variationsbreite in Farbe und
Struktur weitgehend ähneln und daher nicht ein-
deutig identifiziert werden können 272.
Dennoch muß der in Lengfeld gewonnene und
verarbeitete Hornstein ein größeres Verbreitungs-
gebiet gefunden haben, auch wenn es sich bei
ihm wohl nur um mittelmäßige Ware handelte,
die keinen Vergleich mit dem qualitätvollen Si-
lex etwa aus Grand-Pressigny oder den belgi-
schen Bergwerken aushielt. Eine kleine, mit aller
Vorsicht hier vorgetragene rechnerische Überle-
gung soll dies verdeutlichen. Die Zahlenwerte
der Grabung 1968 stützen sich auf die Untersu-
chung von circa 4,5 m3 Sediment. Gumpert hat
bei seiner Grabung über 500 m2 untersucht, was
einer Mindestmenge von 500 m3 Fundschicht ent-
sprechen dürfte. Berücksichtigt man, daß die 1968
beobachtete Funddichte nicht verallgemeinert
werden darf und möglicherweise, zumindest im
Vergleich zur Gesamtfläche, zu groß ist, greift
man sicher nicht zu hoch, wenn man für eine
Berechnung des tatsächlichen Fundanfalles auf der
von Gumpert untersuchten Fläche den Faktor 50
annimmt. Bei einer Anzahl von 358 Kernsteinen,
einschließlich der Vorformen und Kernartigen,
ergäbe dies eine Mindestzahl von über 18 000
Stücken für die gesamte bis jetzt untersuchte
Fläche. Diese stellen jedoch nur den liegengeblie-
benen Ausschuß dar. Akzeptiert man die oben
vorgetragene Ansicht, in Lengfeld seien vorzugs-
weise Vorformen bifazialer Geräte hergestellt
worden, und nimmt man das Verhältnis von
Ausschuß zu verwendbaren Vorformen mit nur
10:1 an, so bedeutet dies, daß aus dem gesam-
ten untersuchten Bereich mindestens 1 800 Stück
gewonnen wurden. Vergleicht man diesen Min-
destwert nun mit den Gerätezahlen aus unter-
suchten Siedlungen, so möchte man doch anneh-
men, daß die Lengfelder Produktion den Bedarf
einer einzigen Siedlung um einiges überschritten
hat 273.
Trotzdem war es bisher nicht möglich, die Ver-
breitung dieser Erzeugnisse in irgendeiner Weise
aufzuklären und damit die chronologische und
kulturelle Einordnung der Fundstelle Lengfeld-
Süd zu sichern.
ZUSAMMENFASSUNG
Die hier vorgetragenen, in mancherlei Hinsicht
neuen Ergebnisse können kaum den Anspruch
erheben, in allen Teilen durch eine eindeutige
und zweifelsfreie Beweisführung gesichert zu sein.
Die Belege, die zusammengetragen wurden, sind
nicht so zwingend, wie es zu wünschen wäre, und
die daraus gezogenen Schlüsse sind zwar nahelie-
gend und auch bis zu einem hohen Grade wahr-
scheinlich, doch bleiben eine Reihe von Fragen
offen. Andererseits müssen jetzt viele der in der
Vergangenheit auf den in ihrem Aussagewert
recht beschränkten Funden und Befunden aufge-
bauten Theorien als unhaltbar aufgegeben wer-
den, will man nicht das Quellenmaterial über-
272) Erst in 'allerjüngster Zeit hat eine Arbeitsgruppe des Britischen Museums, London, Versuche unternommen,
um auf dem Wege genauer chemischer Analysen eine Methode zur Identifikation der aus verschiedenen Berg-
werken stammenden Silexgesteine Großbritanniens zu entwickeln (G. de G. Sieveking u. a., Characteriza-
tion of Prehistoric Flint Mine Products. Nature 228, 1970, 251 ff. — G. de G. Sieveking u. a., Prehistoric
Flint Mines and their Identification as Sources of Raw Material. Archaeometry 14, 1972, 151 ff.).
273) Diese Kalkulation sollte lediglich helfen, einen Mindestwert, jedoch nicht den wirklichen Umfang der
Schlagstättenproduktion in Zahlen zu fassen. Der Ertrag war sicher wesentlich höher, da einerseits die Fund-
stelle ausgedehnter als die untersuchte Fläche ist, andererseits die Funddichte insgesamt und — im Hinblick
auf die Rentabilität — wohl auch der Anteil gelungener Artefakte höher gewesen sein müßten, als hier an-
genommen wurde. Falls im übrigen Kernsteine, die ja jeweils mehrere Abschlaggeräte liefern können und
bei deren Zurichtung auch weniger Ausschuß anfällt, hergestellt wurden, müßte sich die Zahl der Geräte aus
dem in Lengfeld verarbeiteten Hornstein noch weiter erhöhen.
— 68 —